Eine Frage zur Interpretation: Es wird behauptet, dass der Antisemitismus in Europa durch muslimische Flüchtlinge nicht signifikant angestiegen ist. Heißt das aber auch, dass der Antisemitismus von bereits in Europa lebenden Muslimen schon vor der Flüchtlingskrise hoch war und daher kaum ein signifikanter Anstieg festzustellen ist?
Gleichzeitig stellt die Studie fest, dass die muslimischen Migranten in ihren Ansichten antisemitischer sind als die heimische Bevölkerung. Daraus kann eigentlich nur folgen, dass der Antisemitismus insgesamt in Deutschland durch die Migranten gestiegen ist. Wenn ich Wodka in Bier kippe, wird sich der Alkoholgehalt im Glas erhöhen, auch wenn keiner bestreiten wird, dass vorher schon Alkohol drin war.
Aber die Studie ändert ja dann auch noch die Frage. Statt "Gibt es mehr Antisemitismus durch muslimische Migranten?" wird die Antwort auf die Frage "Gibt es mehr antisemitische Straftaten?" gegeben. Das sind aber zwei unterschiedliche Dinge, schon aus rein praktischen Gründen. Nicht jeder jüdische Junge, der von seinen muslimischen Mitschülern mit dem Kopf ins Klo gesteckt wird, wird damit zur Polizei gehen und Anzeige stellen. Das wäre dann also keine Straftat, aber durchaus Antisemitismus. Im Wesentlichen scheint sich die Studie für ihr Fazit tatsächlich bloß auf die Kriminalitätsstatistik zu stützen und all die Sachen zu ignorieren, die die anderen Befragten zu Protokoll gegeben haben.
Jetzt darf man sich ruhig auch fragen: Wäre ein anderes Ergebnis überhaupt gewünscht gewesen? Die Stiftung EVZ ist ausdrücklich eine, die sich gegen Rechtsextremismus wendet. Die kann gar kein Interesse daran haben, dass irgendeine Studie ergibt, Antisemitismus würde in bedeutendem Maß nicht von Rechtsextremen ausgehen.
(Seehofer hatte bei der Bekanntgabe der Kriminalstatistik gesagt: "So verwundert es nicht, dass erstmals die sogenannten "importierten antisemitischen Straftaten" wieder ansteigen – wenn auch auf niedrigem Niveau. Ich möchte an dieser Stelle aber klarstellen, dass von 1.504 antisemitischen Straftaten im Jahre 2017 annähernd 95 Prozent rechtsmotiviert waren."
Das ist auch korrekt - aber die meisten dieser antisemitischen Straftaten sind Propagandadelikte. Und die Juden in Deutschland schreiben den Muslimen besonders stark Gewaltdelikte zu. 2017 wurden 29 antisemitische Gewaltdelikte seitens der Rechtsextremen registriert, 6 dagegen aufgrund "ausländischer" bzw. "religiöser Ideologien"; 2 waren nicht zuzuordnen. 6 von 37 sind immerhin 16 Prozent. Da sehen die Verhältnisse schon leicht anders aus, auch wenn natürlich die Nazis immer noch die Haupttäter sind, was antisemitische Gewalttaten angeht. Aber 16 Prozent... Sagen wir mal so: Das ist ein höherer Anteil als der, den die AfD bei der letzten Bundestagswahl gekriegt hat, und das Wahlergebnis hat auch niemanden beruhigt. Grund zur Entwarnung sehe ich da auch nicht.)
Ich hab also das Gefühl, dass dieses Problem von importiertem Antisemitismus da etwas kleingeredet wird.