Frag den Hasen

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#43220 Das mag aber auch daran liegen, dass der Begriff "links" politisch gesehen eine hohle Phrase is, "rechts" ist auch etwas hohl ebenfalls, aber wohl weniger.

Das führt dann dazu, dass sich ein Teil der sogenannten Linken darüber aufregt, dass andere Linke ja gar nicht links seien, weil sie nicht mit Flaschen nach Nazis werfen wollten.
Das Phänomen ist dann offensichtlich, wenn man zum Beispiel anfängt praktisch nahezu marxistische Mitglieder der Partei die Linke mit den eher CDUnahen SPDlern zu vergleichen und sich dann zu wundern, dass die sich irgendwie nicht mehr besonders ähneln. Daraus dann zu schließen, die SPD sei irgendwie "nicht mehr links", scheint mir doch irgendwie fragwürdig. Man müsste ersteinmal klären, was denn "links" in dem Zusammenhang bedeutet. Political compass beispielsweise ordnet "links" praktisch die Position zu, die keinen bis einen sehr streng regulierten Markt verlangt, während rechts der absolut unregulierte Markt steht (dazu wird nach autoritär und liberal unterschieden). Sozialliberalismus bezeichnet aber eigentlich eine Form des Liberalismus bei der der freie Markt, bei der der Staat wegen der sozialen Anliegen in den Markt eingreifen darf (nennt man manchmal auch soziale Öffnung des Liberalismus). Damit aber würde der Sozialliberalismus im Kontext mit den oben genannten Extremen aber genau zwischen links und rechts stehen. Wäre also eher Mittelliberalismus als Linksliberalismus. Die politische Linke demgegenüber wird (laut Wikipedia) dadurch definiert, dass die Ideologie darauf ausgerichtet ist, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Benachteiligungen zu beheben. Das ist aber nicht notwendig identisch mit einem stark kontrollierten Markt. Zur besseren Vergleichbarkeit bleiben wir beim wirtschaftlichen Teil. Sagen wir, der Staat investiert in die Fortbildung von älteren Arbeitnehmern - solche Konstellationen regulieren den Markt nicht, wären also nicht links, sondern machen ältere Arbeitnehmer wettbewerbsfähiger, erhöhen damit die Auswahl für die Arbeitgeber und fördern entsprechend ggf. sogar den Wettbewerb. Sie sind aber eindeutig darauf ausgelegt, eine vermeindlich, benachteiligte Gruppe zu stärken. Ist das jetzt links oder nicht?
Gehen wir zur besagten Arbeiterbewegung. Ist das oben genannten Beispiel mit den Zielen der Arbeiterbewegung vereinbar? Im Interesse der Arbeitssuchenden unter der entsprechenden Altersgruppe ist das sicher nicht, denn die einen erhalten mehr Konkurrenz, die anderen sind benachteiligt. Bei denjenigen die die Voraussetzungen für die Förderung erfüllen dürften einige dabei sein, in deren Interesse dieselbe ist, andere wiederum besitzen diese Qualifikation bereits schon, erhalten also Konkurrenz.
Links? Rechts? Oben? Unten?

Entsprechend irrer wird es, wenn man gesellschaftliche Anliegen mit einbezieht. Wenn jemandem wegen seiner Hautfarbe der Zutritt zu einer Diskothek verwehrt wird, wird er benachteiligt. Folglich wäre ein Gesetz, dass es Türstehern verwehrt, Leute allein wegen ihrer Hautfarbe auszuweisen, zur Überwindung sozialen Benachteiligung geschaffen, also politisch links. Es würde auch in den Markt eingreifen, also wäre es auch nach dem political compass links. Aber tangiert es überhaupt die Arbeiterbewegung?
Wie sähe das ganze denn mit einem Gesetz aus, dass es Diskothekenbetreibern verwährt Leute nur wegen ihrer Hautfarbe nicht einzustellen (vgl. AGG). Freilich, reguliert den Markt, beseitigt eine Benachteiligung, also eher charakteristisch links. Aber ist das im Interesse der Arbeiterbewegung?
usw. Nach den Definitionen oben wäre es sogar möglich, dass linke Politik eine Begünstigung der Arbeitgeber beinhaltet, nämlich dann wenn zu deren Gunsten der Markt reguliert würde oder wenn die Arbeitnehmer in einem gewissen Aspekt die benachteiligte Gruppe sind.

Was ich damit sagen will, der Begriff links ist eigentlich zu verschwommen, um ihn überhaupt zu belasten. Auffällig ist zum Beispiel auch, dass der Fragetext unten Sozialliberale und Social Justice Warriors in einen Topf wirft. Letzteres ist ein (inzwischen) derogativer Begriff für Leute, die sich scheinbar zu sehr in ein potentielles soziales Anliegen hineinsteigern. Das ist aber nicht bei jedem so, der sich politisch zwischen Liberalismus und Sozialismus einordnet. Und wenn man mal bei der gamergate-Sache bleibt, von der derogative Charakter des Begriffs herkommt, muss man man nun auch sagen, dass es was anderes ist, ob man dagegen ist dass Videospieljournalistinnen Vergewaltigungs- und Morddrohungen geschickt werden oder ob man meint, Super Mario wäre sexistisch, nur weil Peach meistens diejenige ist, die sich von einem Psychopaten vor einer Monsterschildkröte retten lässt. Beide als eine Gruppe zu betrachten ist nicht vernünftiger als jeden Kritiker der Flüchtlingspolitik mit der Nazikeule zu knüppeln.
Erschwert wird das ganze wesentlich auch durch unterschiedliche Verwendung von englischen und deutschen Begriffen. Bekannt ist ja, das 'liberal' im us-amerikanischen Raum nicht meint, was man hier mit liberal meint. Die Begriffe Sozialliberalismus und social liberalism sind nicht deckungsgleich, sondern berühren einander nur. Feminismus kann, je nach Definition, Alice Schwarzers Matriachatsfantasien beschreiben oder den Wunsch nach Mutterschutz und Elterngeld.
Deutsche Begriffe werden ebenfalls sehr verschwommen benutzt. Neoliberalismus, ein Lieblingswort der sogenannten Linken, bezeichnet heute offensichtlich die Stärkung großer Unternehmen, vorzugsweise Banken, zu Lasten der sozialen Bedingungen der Unternehmer. Ursprünglich wurde der Begriff für alle Formen der Entwicklung des Liberalismus genutzt, so zum Beispiel auch für den Sozialliberalismus, welche eher gegenteilige Ziele hat.
Im Ausgangspost der angesprochenen Frage wurde ein Artikel auf heise.de ein Artikel verlinkt, der beispielsweise kritisiert wurde, dass eine Aussage nicht mit dem 'Schlagwort' postfaktisch charakterisiert wurde. Dabei wird aber der Begriff falsch benutzt, wie immer wenn er kritisiert. Postfaktisch meint, ebenso wie seine englischen Vorgänger posttruth und truthiness (Stephen Colbert), dass Fakten keine Entscheidungs - und Debattengrundlage mehr sind. Der Begriff beschreibt ein Verhalten und den Wahrheitsgehalt einer Aussage. Folglich hätte man stattdessen einmal fragen müssen, ob man nicht angesichts dieser offensichtlich als falsch angenommenen Aussage, nicht schon Trump im postfaktischen Zeitalter war. Genderstudies wären doch, solange sie, wie scheinbar häufig, eine Art Herrschaftsanspruch vertreten, ein prima Anlaufpunkt für diesen Begriff.

Wenn ich mir das alles so anschaue komme ich dazu, dass wir eigentlich alle aneinander vorbeireden und zwar immer und zwar alle.
Wäre es nicht vielleicht sinnvoll uns zunächst erst einmal darüber zu einige, worüber wir eigentlich diskutieren?

PS: Weil ich irgendwo mal eine Alibifrage vergessen hab. Gibt es irgendetwas (Film, Buch etc.) worüber du gerne lästern würdest, aber nicht kannst? Und warum?
Dass "rechts" eine weniger hohle Phrase wäre, kann ich nun nicht unterschreiben, da heutzutage zu viel als "rechts" eingeordnet wird.
Der Begriff "Social Justice Warrior" bezeichnet eigentlich Leute, die soziale Gerechtigkeit als Vorwand nehmen, um sich moralisch über andere zu erheben und so eigene Macht auszuüben. Auch wenn diese Bezeichnung heute viel zu freizügig verwendet wird, war damit nicht einfach gemeint, dass sich jemand sehr für soziale Anliegen einsetzt.

Wäre es nicht vielleicht sinnvoll uns zunächst erst einmal darüber zu einige, worüber wir eigentlich diskutieren?

Das ist schon eine dicke Schwierigkeit, weil natürlich jede Seite danach strebt, die Definitionshoheit über die Begrifflichkeiten zu haben, weil darin eine große Macht liegt. Für oder gegen etwas zu sein, ist viel leichter, wenn es einen Namen für dieses Etwas gibt - und ebenso kann man etwas vor Angriffen schützen, wenn man es schafft, dass sich dafür kein Begriff bildet bzw. jeder Begriff, der es umfassen könnte, so umgedeutet wird, dass es nicht mehr angreifbar ist.

Zur Alibifrage: Es gibt so einige Bücher, die es eigentlich wert wären, in die Pfanne gehauen zu werden, aber wenn ein Buch nicht gleich auf den ersten Blick ein Totalausfall ist (wie Stefon Rudel oder die Bücher von der Simone Kaplan), muss man erst langwierig erklären, was in dem Buch eigentlich passiert, bevor man dem Leser erzählen kann, wieso es so beschissen ist. Da ist die Gefahr zu groß, dass man den Großteil des Publikums vorher verliert, umso mehr, wenn der Irrsinn nicht in knackig kurzen Zitaten belegt werden kann, sondern sich eher so aus dem Gesamtbild ergibt.
Ansonsten würde ich gerne mal über solche Sachen wie "Villa Germania" von RTL2 (mit alten geilen Rentnern im Dauer-Bumsurlaub in Thailand) oder andere dieser Doku-Soaps lästern, aber da ist es sehr schwer, die Folgen als Videodatei zu kriegen (und das in einer Qualität, die gut genug für Screenshots ist).