Frag den Hasen

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#43495
"Erinnert ja ein bisschen an das heutige Jesusbild, was mit dem historischen Jesus und seinen Ansichten kaum was zu tun haben dürfte. "

Könntest du das etwas näher erläutern? Habe dazu ein paar wenige Sachen gelesen, aber wirklich viel findet man zu dem Thema nicht. Ich finds aber sehr interessant.
Man muss sich ins Gedächtnis rufen, dass Jesus eigentlich ein politischer Aktivist war, der davon überzeugt war, dass Gott die Juden bald von der Fremdherrschaft der Römer befreien würde, wenn die Juden sich durch ihr Verhalten würdig erweisen. (Reich Gottes und so.) Er war in der Hinsicht den Zeloten dieser Zeit relativ ähnlich, wobei diese ausdrücklich auch gewalttätigen Widerstand gegen die Besatzer befürworteten, um die Befreiung von der Fremdherrschaft herbeizuführen. (Die Zeloten führten dann auch tatsächlich eine Rebellion an.) Jesus war wohl eigentlich kein Pazifist ("Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert!"), war aber der Ansicht, dass es den Juden nicht zusteht, selbst zu bestimmen, wann und wem Gewalt zugefügt werden sollte, das würde nämlich Gott zufallen; alles andere wäre Anmaßung.
Daher trat Jesus auch nur für die Juden ein, für Nichtjuden fühlte er sich weder verantwortlich noch wirklich mit ihnen verbunden. Er verbot seinen Jüngern, in nichtjüdischen Gegenden zu predigen, denn es ging ihm um die Befreiung der Juden. Im Markus- und im Matthäus-Evangelium wird erzählt, wie eine kanaanitische Frau ihn anflehte, ihre Tochter von bösen Geistern zu befreien, und er reagierte nicht mal, sagte sogar, dass er nur zu den verlorenen Schafen Israels geschickt wurde. Die Frau flehte weiter, und er sagt in etwa, dass es nicht richtig ist, den Kindern das Brot zu nehmen und es den Hunden vorzuwerfen. Er setzt also Nichtjuden mit Hunden gleich. Und die Frau antwortet: "Selbst Hunde essen von den Brotkrumen, die vom Tisch des Meisters fallen", fordert also einerseits Jesu Mitleid heraus, ohne aber andererseits das Hierarchiegefälle zwischen Juden und Nichtjuden infrage zu stellen. Erst dann lässt er sich dazu herab, ihr zu helfen. Ich denke, diese Geschichte hat tatsächlich einen wahren Kern, weil es keinen Grund gäbe, sie zu erfinden, wo sie doch eigentlich dem Bild, welches man von Jesus später zeichnen wollte, abweicht. Es passt auch zu dem Selbstbild der Juden, gerade zu dieser Zeit.
Er hilft laut NT auch noch ein paar anderen Nichtjuden, aber das passiert nur so hier und da, quasi dann, wenn er konkret mit Elend konfrontiert ist und Mitleid hat, aber er erweitert seinen missionarischen Fokus nicht auf Nichtjuden. (Diese Sache, dass seine Botschaft an alle verbreitet werden sollte, war ja erst etwas, was ihm nach der Kreuzigung zugeschrieben wurde, das kann also getrost als Fiktion betrachtet werden.) Höchstwahrscheinlich war der historische Jesus aber durchaus... nun ja, heute würde man wohl bei anderen Leuten "rassistisch" sagen.

Außerdem tendiert man heute dazu, seine Aufrufe zur Toleranz misszuverstehen und zu offen auszulegen. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass er immer noch ein strenggläubiger Jude war und durchaus an all die Gebote der Torah glaubte (daher auch sein Hinweis, dass er nicht gekommen ist, die alten Gesetze aufzulösen, sondern zu erfüllen). Wenn er (anders als seine Mitmenschen) mit Sündern (Steuereintreibern, Prostituierten, Ehebrecherinnen etc.) redete, ihnen Verständnis entgegenbrachte, sie vor Steinigungen bewahrte und ihre Sünden vergab, so ändert das nichts daran, dass er immer noch erwartete, dass sie aufhören zu sündigen.
Im ganzen NT steht nichts darüber, was Jesus von Homosexualität hielt, und viele nehmen deswegen an, dass er ihnen gegenüber voll tolerant gewesen wäre. Aber er war eben auch gläubiger Jude, und da die Torah in Levitikus eindeutig männliche Homosexualität als Sünde bezeichnet, ist es anzunehmen, dass auch er sie als Sünde ansah. Warum sollte er da anders sein als seine Zeitgenossen? Das heißt im Endeffekt: Auch wenn er mit Schwulen geredet und ihre Sünden vergeben hätte, so hätte er höchstwahrscheinlich dennoch erwartet, dass sie aufhören, mit Männern zu schlafen. Ich sehe keinerlei Grundlage zu vermuten, dass er im heutigen Sinne voll tolerant gegenüber Homosexualität gewesen wäre.

Aber heutzutage projiziert man eben in Jesus das hinein, wie man ihn gerne hätte. Würde der historische Jesus heute auftauchen, würde man ihn vermutlich für ziemlich engstirnig halten.