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Der Frust eines Einzelkämpfers

Vor Kurzem ist Electronic Arts zum schlimmsten Unternehmen der USA gekürt worden. Es erstaunte mich, schließlich haben die Amis auch diverse Banken, die diesen Titel vermutlich noch eher verdient hätten, da sie die Existenz von Menschen vernichteten, während EA sich lediglich vorwerfen lassen muss, vielen Spielern ihr Freizeitvergnügen versaut zu haben.

Allerdings hat Electronic Arts es mit Sim City aber auch spektakulär geschafft, der gesamten Spiele-Gemeinde ins Bett zu scheißen. Einer Spielereihe für megalomane Simulationsfans, die gerne auch auf Reisen oder in einsamen Stunden spielen, einen Onlinezwang und winzige Spielflächen aufzudrücken und den Spielern dann auch noch zu erklären, dass sie ja deswegen endlich für erfolgreiches Städtewachstum mit anderen Leuten spielen müssten und sich freuen sollten, wäre eigentlich als Musterbeispiel für galoppierenden Wahnsinn in der psychologischen Fachliteratur geeignet.

Als wenn das noch nicht gereicht hätte, gab man sich auch noch Mühe, den Start komplett in den Sand zu setzen, obwohl in einem recht bekannten Land vor gar nicht allzu langer Zeit Blizzard mit Diablo 3 exakt in derselben Weise kräftig auf die Schnauze flog, weil die Server den Ansturm der Spieler nicht verkraftet haben und die Hufe hochrissen. Weil EA aber nicht gerne nur Platz 2 in der Beklopptenliga belegen wollte, haben die Entwickler auch noch die blödesten Bugs in ihr Spiel eingebaut und dafür gesorgt, dass die Bewohner, deren Individualität man im Voraus noch als einen Glanzpunkt der Spielegeschichte feierte, sich dussliger anstellen als die Sims in den Vorgänger-Spielen. Fast könnte man auf die Idee kommen, dass die Konkurrenz einen Maulwurf eingeschleust hat, der absichtlich dafür sorgte, dass EA bei diesem Titel mit traumwandlerischer Sicherheit in jeden Hundehaufen latschte, der auch nur in der Nähe des Weges lag.

Die nachhaltigere Beleidigung liegt für mich aber nicht in den Bugs oder den überlasteten Servern. Ich will nicht zum „Social Gaming“ gezwungen werden. Ich will nicht mit anderen Leuten spielen, basta. Und damit bin ich keine Ausnahme. Angeblich haben 50 Prozent der Käufer von Blizzards Starcraft II noch nie den Multiplayer-Modus ausprobiert. Und weil ich zu diesen 50 Prozent gehöre, glaube ich zu wissen, dass diese Leute auch nicht das geringste Verlangen spüren, sich beim Spielen irgendeiner Form sozialer Interaktion zu widmen.

Das Elend begann ja schon, als plötzlich überall „Errungenschaften“ oder „Achievements“ eingeführt wurden, vermutlich, um sie stolz in seinem Online-Profil zu präsentieren und vor seinen Internetfreunden damit anzugeben. Ich habe den Sinn nie verstanden. Ich spiele für mich selbst, um Spaß zu haben, nicht, um irgendeine Leistung zu erbringen, die mich vor meinen Freunden besser dastehen lässt. Dazu kommt, dass die Achievements an sich entweder Nichtigkeiten wie „Zwei Schritte vorwärts gelaufen!“ oder aber Fleißarbeiten wie „Eintausend Gegner mit dem Penis erschlagen!“ sind, was natürlich das Angeben total sinnlos macht. Wenn jemand irgendeine stumpfsinnige Aufgabe tausend Mal nur deswegen erfüllt, um so ein blödes Achievement im Profil zu haben, ist das kein Anlass für grenzenlose Bewunderung, sondern für tiefes Mitleid. Und während der Präsentation der Xbox One redete dann einer der Microsoft-Schergen auch noch stolz davon, dass man dank der Cloud-Anbindung der neuen Konsole noch viel besser mit seinen Achievements prahlen könnte, was ungefähr so ist, als würden Lebensmittelhersteller damit werben, dass man nach dem Genuss ihrer Produkte besonders cremigen Durchfall bekäme.

Ich will auch keine Action-Games oder Rollenspiele mit fremden Leuten spielen. Ich bin ein viel beschäftigter Mensch und komme nicht oft zum Spielen solcher Spiele. Ich habe aber keine Lust, mir von einem vierzehnjährigen Clearasil-Junkie wegen meiner eher suboptimal auf andere Teamkameraden abgestimmten Spielweise anzuhören, dass er meine Mutter intim kenne und ich wohl einen Großteil meiner Zeit mit dem Saugen von zahlreichen männlichen Genitalien in Satans Domizil verbringe. Für solche Kindereien bin ich dann doch schon zu erwachsen und reif; mein Spielcharakter „Großlord Ekkehard Stahlschwanz III.“ möchte mit derart infantiler Kritik nicht belästigt werden.

Als ich früher mal für einige Monate das koreanische MMORPG „FlyfF“ spielte, war ich durchaus oft genug eingeloggt, um eine gewisse Souveränität im Spiel zu erlangen. Das trug allerdings auch dazu bei, dass ich viele der fremden Mitspieler zu hassen lernte. Ich war als Assist unterwegs, im Team in erster Linie für Heilungen, Wiederbelebungen und gezieltes Doping der Teammitglieder durch entsprechende Zaubersprüche (Buffs) zuständig. Um die jeweiligen Fähigkeiten zu erweitern, war es nötig, sie einzeln zu trainieren. So zog ich häufig durch die Lande und suchte nach Leuten, die kurzfristig mal medizinische Hilfe benötigten. Zur Bewältigung meiner traumatischen Erfahrungen schrieb ich damals einen kleinen Text auf Englisch, der ironisch den richtigen Umgang mit Assists erläutern sollte. Ich möchte ihn hier in übersetzter Form präsentieren, als Zeugnis der Zeit, in der meine Rage noch sehr frisch brodelte. Zur Erklärung: Penya sind die Währung im Spiel.

Wie man Assists behandelt

  1. Wenn du Buffs willst, rufe einfach „BUFF!“ Sage weder „bitte“ noch frage danach – fordere es! Obwohl du weißt, dass Buffs jede Menge Manapunkte kosten, brauchst du dich nicht darum zu kümmern, dem Assist Auffrischer oder Penya zum Ausgleich zu geben. Solltest du ihm allerdings Bezahlung für seine Buffs angeboten haben, renn einfach weg, sobald du deine Buffs bekommen hast.
  2. Wenn du wiederbelebt werden willst, schrei im Chat einfach „RESSSS!!!!!!!“ Assists sind allwissend, du brauchst ihnen nicht zu sagen, wo du eigentlich liegst.
  3. Wenn du in einem Team mit einem Assist bist, mache ihm sofort klar, dass du der Boss bist. Seine Aufgabe ist es, dich zu buffen und zu heilen, egal in welche Richtung du plötzlich und unerwartet rennst. Falls du stirbst, weil deine Buffs abgelaufen sind oder er dich nicht schnell genug heilen konnte, während du dich mit Mobs zehn Level über deinem angelegt hast, ist es ganz klar seine Schuld. Sag es ihm und beleidige ihn, seine Familie und sein Land. Niemand kann schließlich erwarten, dass du eine Pause vom Monsterschlachten machst, nur um neue Buffs zu kriegen.
  4. Wenn du einen Assist im Team hast, stell es so ein, dass die Erfahrungspunkte nach dem Schaden verteilt werden, den die Teammitglieder den Mobs zufügen. So kriegt der faule Bastard nichts, der heilt schließlich bloß.
  5. Falls du gestorben bist, weil der Assist damit beschäftigt war, andere Teammitglieder zu heilen: Schmeiß ihn aus dem Team, sobald er dich wiederbelebt hat.

Allgemeine Regel für alle Klassen: Wenn sich jemand mit einem höheren Level bereit erklärt, dir beim Leveln zu helfen, frag ihn dauernd nach Geld und Powerwürfeln. Er spielt schließlich schon länger und hat sicherlich einige Millionen Penya, also ist das kapitalistische Bonzenschwein dazu verpflichtet, dir etwas abzugeben.

Man merkt vielleicht, dass es gewisse Reibungspunkte gab, die sich beim Spielen mit anderen Menschen zeigten. Ich wäre diesen Problemen ja gerne aus dem Weg gegangen, indem ich nur mit Freunden spielte, aber wir leben eben alle unsere eigenen Leben und konnten es selten einrichten, zur gleichen Zeit online zu sein.

Das ist nun schon viele Jahre her, geändert hat sich am Grundproblem kaum etwas. Dafür wurden die Methoden zahlreicher, mit denen man selbst unbeteiligte Menschen beim Spielen belästigen sollte. Die Wurzel dieses Übels liegt natürlich bei Facebook. Plötzlich gab es lauter Browserspiele, in denen jede Spielhandlung als stolze Statusmeldung auf die Pinnwand geschrieben wurde und bei denen bestimmte Boni nur dann winkten, wenn man seine „Freunde“ auch dazu brachte, sich bei diesen Spielen anzumelden. Mich hat das immer an die Zeit kurz nach der Wende erinnert, als plötzlich Verwandte und Freunde der Familie anfingen, Amway-Plunder zu verkaufen und zur Akquise der ersten Kunden natürlich das persönliche Umfeld abgrasten und sie dabei auch überreden wollten, selbst zu Amway-Verkäufern zu werden.

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