Klopfers Web » Texte » Kolumnen » Fremde Zungen

Fremde Zungen

Wie einige von euch vielleicht gelesen haben, bin ich an den Übertragungen japanischer Mangas ins Deutsche beteiligt. Ich habe mir manchmal gewünscht, das auch auf andere Medien ausbreiten zu können, allerdings erfülle ich anscheinend eine der wichtigsten Voraussetzungen nicht: man muss wohl das Material und das Publikum abgrundtief hassen.

Das fängt schon beim Titel an. Ich verstehe, dass ein Übermorgen nicht so toll klingt wie The day after tomorrow und man deswegen wörtliche Übersetzungen von Titeln lieber vermeidet. Und dennoch... Moment, ich formuliere es anders: Vor vielen Jahrzehnten muss eine Mutter ihren Sprössling versehentlich oder absichtlich vom Wickeltisch geschubst haben. Der Knabe fiel hart auf den Schädel, weswegen er in seiner späteren Laufbahn dem Bill-Murray-Film The man who knew too little für die Veröffentlichung in Deutschland den einprägsamen, weil absolut beknackten Titel Agent Null Null Nix verlieh.

Ich möchte allerdings dem kreativen Geist hinter diesem Namen immerhin noch einen gewissen Funken Inspiration zugestehen. Denn üblicherweise greifen die Verantwortlichen bei den Filmverleihern immer zu den gleichen Phrasen, um deutsche Titel zusammenzulöten. Ein(e) ... kommt selten allein, Ein(e) ... zum Knutschen, Ein(e) ... zum Verlieben und Im ... ist die Hölle los sind eigentlich Bausteine, die schon in den 70er Jahren ihren ohnehin schon geringen Originalitätsfaktor komplett aufgebraucht haben und bereits damals in Rente gehen sollten.

Eine Unsitte der Filmverleiher ist allerdings tatsächlich mittlerweile ausgestorben, was wir allerdings keiner Einsicht verdanken, sondern eher dem Dahinscheiden des betroffenen Schauspielers. Auf die Filme von Louis de Funès klatschte man nämlich mit sadistischer Freude rücksichtslos Titel mit den Namen "Balduin" oder "Louis", obwohl der betreffende Charakter ganz anders hieß.

Wer nicht ganz so viel Mut hat, belässt den Originaltitel und hängt einen deutschen Untertitel ran. Allerdings fragt man sich auch dort manchmal, wann sich eigentlich die letzte Hirnzelle der titelnden Kreatur vor Einsamkeit aufgehängt hat, wenn solche Vokabelübungen wie The Village – Das Dorf dabei herauskommen. Viel besser als Eine Blinde zum Knutschen oder Im Dorf ist die Hölle los ist das nun echt nicht, zumal meine Alternativvorschläge sicherlich noch mehr Leute dazu gebracht hätten, um diesen abstrusen Streifen einen Bogen zu machen.

Noch grausamer wird es aber, wenn man sich die Übersetzungen der Werke selbst anguckt. Besonders peinlich ist es bei Fernsehsendungen, die einfach übersprochen wurden und den Originalton leise im Hintergrund belassen. Für die Discovery-Channel-Serie MythBusters hatte man sich offenbar vorgenommen, gerade den einprägsamen Sprüchen in dunklen Gassen aufzulauern und ihnen den Schädel mit einer rostigen Axt zu spalten, um sie durch blutleere Zombies zu ersetzen. Aus "I reject your reality and substitute my own" machte man etwa "Ich glaube nur an das, was ich sehe und mache" und tötete so einen potenziellen Kultspruch, welcher im Original inzwischen diverse T-Shirts verkauft. Was gutgemeinte Warnungen über Schusswaffen angeht, rutschte das Gehirn des Übersetzers offenbar total ins Koma. Man stelle sich zwei Patronen vor: eine ist normal dimensioniert, die andere geht stramm in Richtung Feldartillerie. Adam Savage tippt beide Patronen an und sagt ungefähr: "Das tötet dich. Und das tötet dich und alle anderen im Raum." Allerdings bin ich kein professioneller Dolmetscher und erhebe daher nicht den Anspruch, dass meine Übersetzung adäquat ist. Der bezahlte Profi machte daraus nämlich: "Das ist ganz schön gefährlich."

Bei gewissen Übersetzungsfehlern fordere ich allerdings, dass die Übeltäter mir für jedes Auftreten einen Euro Schmerzensgeld zahlen. Nach meinen Schätzungen dürfte ich allein von den Typen, die das englische "to swear" ohne Rücksicht auf den Kontext immer mit "schwören" statt mit "fluchen" übersetzen, den finanziellen Gegenwert eines Großraumflugzeuges voller Luxushuren verlangen können. Über die Grausamkeiten von Ivar Combrinck, welcher Die Simpsons und Futurama übersetzte und dabei solche Wortmonster wie "Weibbot" und "Alternativkontrolllöschung" schuf, möchte ich angesichts seines Todes im letzten Jahr mal großzügig hinwegsehen. Dabei wäre das mindestens eine Tankfüllung für den Jet.

Ganz besonders tragisch an miserablen Übersetzungen ist, dass wir zumeist auf die Übertragung ausländischer Filme, Bücher und Serien in unsere Muttersprache angewiesen sind. Denn unsere eigenen medialen Erzeugnisse sind oft noch schlimmer. Nicht weil es bei uns keine Kreativen gäbe, sondern weil die Kreativen bei uns selten eine Chance bekommen. Das sollte man vielleicht sogar noch dringender ändern als die Übersetzungen...

5
Dir hat's gefallen? Dann erzähl deinen Freunden davon!

Mehr zu lesen:

Thumbnail

Für die Ewigkeit

Text veröffentlicht im
Einer der großen Meilensteine in der Entwicklung des Menschen war zweifellos der Wechsel vom Nomadenleben zur Sesshaftigkeit. Von nun... [mehr]
Thumbnail

Vorurteile

Text veröffentlicht im
Vorurteile sind schlecht, bringt man inzwischen jedem Kind bei. Vorurteile sind unfair, Vorurteile sind ungerecht. Mag ja sein. Ich... [mehr]
Thumbnail

1000 legale Hungertipps

Text veröffentlicht im
Klopfer nimmt sich die UrKost vor, die der inzwischen verblichene Steuerpapst Franz Konz als Schlüssel immerwährender Gesundheit anpries. [mehr]
Thumbnail

Wie kann man Klopfers Web unterstützen?

Text veröffentlicht im
Klopfer erzählt, wie man helfen kann, Klopfers Web zu erhalten und besser zu machen - sowohl ohne als auch mit Geldeinsatz. [mehr]

Nach oben