Fernseh-Aldi
Ich sehe ziemlich harmlos aus, was meinem Naturell auch entspricht. Vor meinem Aussehen braucht niemand Angst haben, ich besitze auch keinen Baseballschläger. Blasrohre und Giftpfeile benutze ich auch nur im äußersten Notfall, ich bin also tatsächlich ein recht harmloser Geselle. Dennoch passiert oft etwas merkwürdiges, wenn ich das Gebäude betrete, in dem ich wohne, und den Fahrstuhl zu benutzen gedenke. Im Haus leben viele ältere Leute, und etwa die Hälfte von denen reagiert auf bizarre Weise, wenn sie mit mir die wenigen Quadratmeter im Aufzug teilen müssen. Die Augen werden weit aufgerissen, die faltigen Hände krallen sich ins Handtäschchen, und der gesamte Leib drückt sich angsterfüllt in die Ecke der Kabine. Darauf reagieren die alten Leute irgendwie komisch. - Nein, natürlich habe ich gerade nicht mein Verhalten beschrieben, sondern das der Rentner. Ihr dürft jetzt ein bisschen Pause machen, um euch von dem Lachkrampf zu erholen und mir lobende Kommentare zu diesem tollen Scherz ins Gästebuch zu schreiben. Danke.
Wieder da? Gut. Jedenfalls entzieht es sich meinem Verständnis, dass alte Leute gerne übertrieben ängstlich in Gegenwart von Personen unter 30 sind, sich andererseits aber ohne Argwohn von Homeshopping-Kanälen übers Ohr hauen lassen. Ich gebe allerdings zu, dass die Präsentationen von QVC und RTLshop eine bizarre Faszination ausstrahlen, so ähnlich wie ein Autounfall oder Paris Hiltons räudige Schote. Man möchte ums Verrecken nicht drinstecken, aber ein kurzer Blick von außen ist unvermeidlich, wenn man nicht das Gefühl haben will, eine Gelegenheit verpasst zu haben. Ich schaue öfters diese Sendungen. (Das sagt einiges über die Qualität des restlichen Fernsehprogramms aus.)
Kann man überall tragen: Bei
Promipartys, daheim, beim Kloputzen...
QVC lockt mir inzwischen bei jedem Einschalten ein reflexartiges "Es ist wirklich ein Traum!" hervor, denn eben das beteuern die Moderationssklaven bei jedem Artikel, der dort angeboten wird. Die Klamotten bei QVC und RTLshop haben zumeist die modische Qualität von Kartoffelsäcken, ohne allerdings mit deren Haltbarkeit konkurrieren zu können (vermute ich zumindest). Dummerweise müssen die armen Moderatoren immer mindestens eine Stunde füllen, aber was kann man schon über fünf oder sechs verschiedene, aber bemerkenswert hässliche Fummel erzählen? Also ergeht man sich zum Beispiel in endlosen Anekdoten darüber, dass man mal einen Hund hatte, der als Baby so süß war, aber er nicht alles fressen durfte, weil er sonst Durchfall bekam und die Bude vollschiss. Der Aufhänger für diese unappetitliche Erzählung ist der knuddelsüße Welpe, der auf dem Pyjama aufgedruckt ist, den man dort gerade für schlappe 40 Euro loszuwerden versucht.
Der ganz große Knüller bei den textilen Angeboten ist aber eindeutig Mikrofaser-Wäsche. Daraus werden nicht nur normale Kleidung, sondern auch Bademäntel, Handtücher, Waschlappen, Bettwäsche und Matratzen gemacht. Und natürlich ist der Krempel ein Traum. Die Milben sterben ab, Allergiker werden nie wieder geplagt, der Krebs ist besiegt, der Welthunger gehört der Vergangenheit an und außerdem kann man Mikrofaserzeug klatschnass in die Ecke schmeißen, ohne dass es schimmelt. Ich schmeiße äußerst ungern klatschnasses Zeug in die Ecke. Aber gut zu wissen, dass ich könnte. Dank meiner Oma habe ich auch eine Garnitur Mikrofaserbettwäsche und ein paar Mikrofaserhandtücher. Ich hasse Mikrofaser. Jedes Mal wenn ich mich umdrehe, rutsche ich aus dem Bett heraus und hole mir eine Beule an meinen empfindlichsten Körperteilen. Und auch die Decke selbst will mit dem Mikrofaserbezug nicht wirklich etwas zu tun haben und igelt sich binnen fünf Minuten an einem Ende ein, weswegen ich in der Nacht oben nur mit einer dünnen Doppellage Mikrofaser bedeckt bin und den kalten Elementen nahezu schutzlos ausgeliefert werde (na gut, nicht gerade jetzt im April, aber ich hab das Zeug zuletzt im Winter benutzt). Die Mikrofaserhandtücher sind eine Beschäftigungstherapie für Leute mit zu viel Zeit: man wird mit den verdammten Fetzen einfach nicht trocken, egal wie lange man sich damit an den intimsten Stellen abrubbelt und sich mit jeder Minute schmutziger fühlt.
Natürlich wird auch noch anderes beim Teleshop verkauft: Schmuck, der im Allgemeinen überteuerter Tand ist, den man früher mit Indianern und Negern gegen Land und Sklaven getauscht hat, Dampfreiniger, die die Wohnung für Bakterien schön warm und feucht machen, Beteiligungen an Lotto-Tippgemeinschaften, die dafür sorgen, dass man selbst bei einem geknackten Jackpot nur ein paar tausend Euro abbekommt... Meine Lieblingsrubrik ist aber eindeutig die Elektronik, insbesondere wenn sie von Walter Freiwald und einer weiteren Labertasche beim RTLshop angepriesen wird.
Dazu trägt eindeutig das Grundproblem der meisten Elektroartikel bei: anders als bei Klamotten kann man oft nur ein Exemplar einer bestimmten Sorte gebrauchen. Trotzdem müssen Walter und sein jeweiliger Jubelperser versuchen, im Abstand von 15 Minuten verschiedene Digitalkameras, DVD-Player, digitale Camcorder oder Drucker zu verticken. Wenn man aber schon bei der ersten Kamera die einfache Bedienung, die zehn Megapixel Auflösung, das große Display (gern im Vergleich mit einer sechs Jahre alten Digitalkamera, um zu zeigen, was für Mäusekinos die Konkurrenz zu bieten hätte) und den günstigen Preis bejubelt hat, was soll man dann noch über die nächste Kamera erzählen, die vom gleichen Hersteller stammt, fast dieselben technischen Daten hat und sich prinzipiell nur im Gehäuse unterscheidet? Bei anderen Moderatoren klammert man sich dann mühevoll daran, wie "seidig" sich die Kamera anfühlt; wenn Walter da ist, macht der einfach einen auf Vollidiot. Das kennt der nämlich noch aus seiner Zeit mit "Der Preis ist heiß". Und so guckt Walter staunend auf einen DIN A1-Ausdruck eines Fotos und kann gar nicht fassen, dass die Kamera in seinen sterblichen Händen diese brillante Qualität zustande bringt, obwohl ihm ein anderer Schwengel vor 20 Minuten genau dasselbe zeigte. Vermutlich lenkt sich Walter insgeheim damit ab, Gott dafür zu danken, dass der RTLshop nicht in HDTV übertragen wird, weil man sonst merken würde, dass der Ausdruck eigentlich recht lausig ist, weil man mit einer pfenniggroßen Optik nun mal keine guten Fotos machen kann. Walter hat bei jedem Produkt seine Standards, die man wunderbar in ein Trinkspiel einbauen kann. Wenn Walter einen Camcorder anpreist, jongliert er, sobald er mit dem Ding gefilmt wird. Wenn Walter einen DVD-Player/Recorder verkaufen soll, kommt unweigerlich der Spruch "Der spielt alles, außer/sogar Salamischeiben *höhö*". Und jedes zweite Produkt wird als "waltersicher" angepriesen, was den Senioren vor dem Bildschirm sagen soll, dass jeder Idiot mit dem Zeug klarkäme.
Was Walter auch noch ganz toll kann, ist die Zahl der aktuellen Bestellungen durchzugeben, um die Zuschauer zum Bestellen zu bewegen, bevor der Elektronikschrott ausverkauft ist. Einen Bezug zur Realität scheint es da aber nicht zu geben, wie die nächtliche Übertragung des RTLshops auf RTL zeigt. Dort läuft nämlich schon seit dem letzten Jahr genau dieselbe Grütze: Walter preist einen schwarzen Billigcamcorder an, sein Gesprächspartner zeigt eine mit der Kamera gefilmte Panzerfahrt und schwärmt von der Handlichkeit, und jede Nacht wieder teilt Walter dem Publikum mit, dass es nun schon über 700 Bestellungen gab und die Wartezeit in den Callcentern jetzt schon eine Minute beträgt. Schon komisch: ich habe gar nichts bestellt und fühle mich trotzdem betrogen.