Smalltalk
- Hallo, wie geht's?
- Und selbst?
- Schönes Wetter, nicht wahr?
- Aber hallo!
- Und was macht die Arbeit?
- Muss ja, ne?
Ich kann nicht smalltalken. Ich kann es einfach nicht. Die Kunst, zur Einstimmung in einem Gespräch erst einmal total belangloses Zeug zu reden, wobei die Antworten nur bedingt auf die Fragen passen, gehört leider nicht zu meinem Repertoire. Das ist eindeutig ein Handicap, denn es ist ein Grund, warum ich nur schwer neue Leute kennenlerne. Selbst so ein Gespräch anzufangen, ist mir schlicht unmöglich, weil mir nie ein Satz einfällt, mit dem ich anfangen könnte. Und selbst wenn jemand mich anspricht, so quält sich mein Hirn damit ab, möglichst adäquate Antworten zu finden, und nach fünfzehn Minuten bin ich mental so geschafft wie nach anderthalb Stunden Klausur. Ich bin auch ganz schlecht darin, Fragen, die mir gestellt werden, nur als oberflächliches Geplänkel zu erkennen. Ich vermute zuerst also einmal, dass meinen Gesprächspartner die Antwort interessiert. Wenn mich jemand fragt, wie es mir geht, dann sag ich ihm auch, wie es mir geht, und zwar unter Erwähnung jedes Schnupfens, jedes Schmerzes und jeder körperlichen und geistigen Schwäche, die mich in den letzten 48 Stunden heimsuchte. Erst wenn ich die Person bei ihrer Flucht vor mir von hinten betrachte, dämmert mir, dass sie eventuell nicht wirklich die bildreiche Beschreibung meines Krupphustens erwartet hat, als sie mir diese Frage stellte. Ich glaube, meine wörtliche Interpretation ist eigentlich etwas eigentümlich Deutsches. Amerikaner laden beispielsweise jeden zu sich ein, den sie im Urlaub gerade erst seit fünf Minuten kennen, und sind dann sehr überrascht, wenn ihre deutschen Ferienbekanntschaften dann tatsächlich ein paar Wochen später auf der heimischen Veranda stehen und Einlass sowie Gastfreundschaft begehren.
Auch die Frage nach meiner Meinung zur aktuellen Wetterlage stellt mich vor ein echtes Problem. Ich glaube, es wird sowieso zuviel über das momentane Wetter geredet. Im Sommer ist es heiß, und die Nachrichtensendungen bringen Berichte darüber, wie heiß es ist. Im Winter ist es kalt, und in den Nachrichtensendungen gibt es Berichte darüber, dass Schnee gefallen ist und die Straßen glatt sind. Das sind alles Phänomene, die schon seit Jahrtausenden der Menschheit bewusst sein sollten und alles andere als Überraschungen sind. Man könnte einfach die Fresse halten, was das Wetter angeht. Das betrifft auch das ganz alltägliche Wetter. Man geht raus und merkt automatisch, ob es warm oder kalt oder mittelgrässlich ist. Damit hat sich's aber auch. Ich will nicht weiter drüber reden, wenn nicht gerade wieder so ein Brummer à la Kyrill durch die Straßen fegt und Bahnhöfe einreißt.
Falls ich also mal ein Mädchen treffe, das mich interessiert, scheitere ich meist schon beim Kennenlernen. Was soll ich sagen? Das allgemeine Geschwätz interessiert mich nicht, "Du bist hübsch!" ist nicht wirklich ein Aufhänger für ein Gespräch, und die Frage "Wolltest du nicht immer schon herausfinden, wie es klingt, wenn du meinen Namen lustvoll stöhnst?" ist vermutlich in den ersten fünf Minuten noch nicht angebracht. Ich könnte natürlich auch gleich losprotzen: "Hallo, ich heiße Klopfer und bin Schriftsteller ..." Allerdings ist das so egozentrisch und proletenhaft, dass ich ein bis drei Ohrfeigen als Antwort durchaus nachvollziehen könnte. Die geschmeidige Wendung des Gesprächsthemas gestaltet sich bei diesem Ansatz ebenfalls sehr schwierig. "Aber genug von mir, reden wir über dich! Wie geil findest du mich?"
Natürlich habe ich in der Vergangenheit versucht, Tipps zu finden, um mein kommunikatives Defizit zu verringern. Allerdings gingen die Autoren dieser Tipps im Allgemeinen davon aus, dass man zwar wüsste, was man sagen soll, aber sich einfach nicht traut. Insofern waren diese Tipps nicht wirklich eine Hilfe für mich, denn mein Kopf ist in solchen Momenten nur mit ungefähren Bewertungen meines Gegenübers beschäftigt und ansonsten gähnend leer. Auch die inhaltlichen Ratschläge entpuppten sich als heiße Luft. "Stelle keine Fragen, die sie mit 'ja' oder 'nein' beantworten kann!" Aha. "Was denkst du eigentlich über die Frauendiskussion, die Eva Herman angestoßen hat?" – "Verpiss dich, du Spinner! Ist man nicht mal mehr in der Bahn sicher vor solchen Vollidioten?" Klappt ja wunderbar.
Insofern bleibt mir eigentlich nur, Mädchen dort kennenzulernen, wo sich automatisch ein Thema ergibt, was beide Gesprächspartner interessiert. Wo das ist, versuche ich noch herauszufinden. Wird schon irgendwie klappen. Muss ja, ne?