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Der Weg ins Weiße Haus

Die Alternative zu einer Vorwahl ist der sogenannte Caucus. Bei den Caucusses gibt es Mitgliederversammlungen der beiden großen Parteien, bei denen jeweils Delegierte für die nächsthöhere Ebene gewählt werden, bis eine Art Landesparteitag stattfindet, auf dem die entsprechenden Delegierten gewählt werden, die irgendwann auf dem Bundesparteitag für einen Kandidaten der Partei stimmen sollen. Auch dieses System ist nicht frei von Kritik: Viele Parteimitglieder haben oft zeitlich gar nicht die Möglichkeit, an so einer Mitgliederversammlung teilzunehmen, auf der eine Delegiertenwahl stattfindet. Außerdem sind die so Gewählten meist nur im ersten Wahlgang an den Kandidaten gebunden, für den sie gewählt wurden. Eine Kuriosität ist übrigens der US-Bundesstaat Washington: Dort gibt es für die Demokraten sowohl eine Vorwahl als auch einen Caucus, aber das Ergebnis der Vorwahl wird komplett ignoriert und spielt für die Entsendung von Delegierten zur DNC überhaupt keine Rolle.

In beiden Fällen, ob Vorwahl oder Caucus, ist es nicht zwingend so, dass die Delegierten eines Bundesstaates geschlossen dem Kandidaten mit den meisten Stimmen zugeschlagen werden, anders als in der echten Wahl der Wahlmänner. Gerade die Demokraten verteilen die Delegierten dann nach den Stimmanteilen der Kandidaten. Die Republikaner bevorzugen häufig die „Der Gewinner kriegt alles“-Methode, aber auch das variiert von Bundesstaat zu Bundesstaat.

Um dem Volk aber auch nicht zu viel Mitbestimmung bei der Auswahl der Kandidaten angedeihen zu lassen, gibt es bei den Demokraten auch noch ungebundene Delegierte (Superdelegates), die frei Schnauze wählen können und aus jetzigen oder ehemaligen Amtsträgern (Präsidenten, Gouverneure etc.) oder sonstigen verdienten Parteimitgliedern bestehen. Sie machten 2016 über 700 Menschen, also fast 15 Prozent der Delegierten auf der DNC aus. Auch bei den Republikanern gibt es Delegierte, die nicht gewählt werden, aber deren Zahl ist auf drei pro Bundesstaat (+ Hauptstadt) beschränkt, zudem müssen die für den Kandidaten stimmen, der in ihrem Staat die Mehrheit der Stimmen erhalten hat.

Die Primaries (also Vorwahlen und Caucusses) beginnen im Januar oder Februar des Jahres, in dem der Präsident gewählt werden soll, und gehen bis zum Sommer, wenn die Bundesparteitage der Demokraten und Republikaner stattfinden und dort deren Kandidaten für die Präsidentschaftswahl gewählt werden. Bis dahin beharken sich die Kandidaten einer Partei untereinander, erst danach, wenn man als Präsidentschaftskandidat feststeht, konzentriert sich der Wahlkampf darauf, dem Gegner der anderen Partei so richtig was reinzuwürgen. Das wirkt gerade auf Außenstehende manchmal etwas schizophren, wenn ein Kandidat in den Primaries erzählt, wie furchtbar einer seiner Konkurrenten wäre, nur um den Bürgern nach dem Bundesparteitag zu empfehlen, genau diesen Konkurrenten zu wählen, wenn dieser die Primaries gewonnen hat.

Das ganze System der Primaries, welches nicht nur teuer ist und das große Wahlkampfgetöse schon über ein Jahr vor der Präsidentschaftswahl beginnen lässt, wird aber auch aus anderen Gründen kritisiert. So ist es ganz normal, dass bereits nach den ersten paar Vorwahlen/Caucusses Kandidaten aus dem Rennen aussteigen, weil sie dort nicht sehr erfolgreich waren. Auch nach dem Super Tuesday (so genannt, weil an diesem einen Dienstag in vielen Bundesstaaten gleichzeitig Vorwahlen und Caucusses stattfinden; Wahlen finden in den USA üblicherweise an Dienstagen statt) beenden viele Kandidaten ihre Wahlkampagne, obwohl sie rein rechnerisch dennoch die Möglichkeit hätten, noch die Mehrheit zu erlangen. Auf diese Weise wird das Kandidatenfeld durch die früheren Primaries schon so eingeschränkt, dass bei den späteren Primaries nur noch eine sehr eingeschränkte Auswahl bleibt. Die größte Auswahl haben dadurch Iowa und New Hampshire. In Iowa findet der erste Caucus statt; in New Hampshire ist es sogar Gesetz, dass hier die ersten Vorwahlen in den USA stattfinden müssen. Sollte ein anderer Bundesstaat eine Vorwahl früher oder zur gleichen Zeit ansetzen, so würde NH wiederum seine Vorwahl vorverlegen.

Die Präsidentschaftswahl

Nun stehen also die Kandidaten der Republikaner und der Demokraten für das Präsidenten- und das Vizepräsidentenamt fest, und der Wahlkampf konzentriert sich darauf, dem Wähler nicht nur zu erzählen, wie dufte man selbst für den Posten wäre, sondern dass die Hölle auf Erden hereinbrechen würde, wenn der Kandidat der anderen Partei gewönne. Man kriegt ziemlich schnell den Eindruck, dass der Schwerpunkt eindeutig auf dem zweiten Punkt liegt.

Im Wahlkampf sind allerdings nicht alle Bundesstaaten gleich. Jede Partei kann sich in einer Reihe von Bundesstaaten relativ sicher sein, dass sie dort gewinnt. Kalifornien und New York sind zum Beispiel für die Demokraten eine sichere Bank, während sie in Alabama und Texas gegen die Republikaner keine realistische Chance haben. Aus diesem Grund werden viele Bundesstaaten im Wahlkampf kaum von den Kandidaten beachtet. Umso stärker konzentriert man sich auf die Swing States (auch Battleground States genannt): Das sind die Bundesstaaten, bei denen die Tendenz immer wieder zwischen Republikanern und Demokraten schwankt. Der bedeutendste dieser Swing States ist Florida, weil er relativ bevölkerungsreich ist und seine 29 Wahlmänner in knappen Wahlen heiß begehrt sind.

Wie schon erwähnt, gibt es 538 Wahlmänner. Ein Kandidat muss also 270 Wahlmännerstimmen erlangen, um Präsident werden zu können. Bei der letzten Präsidentschaftswahl 2012 war es der Swing State Ohio, der Obama in der Wahlnacht die Wiederwahl sicherte. (Florida wurde nach verzögerter Auszählung Tage später ebenfalls Obama zugeschlagen, aber das hätte er dann nicht mehr gebraucht.) Die eigentliche Präsidentenwahl findet im Dezember statt, ausgezählt wird allerdings erst am 6. Januar, um schließlich am 20. Januar den neuen Präsidenten vereidigen zu können.

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Das Capitol Building ist der Sitz vom Senat und dem Repräsentantenhaus, die beide den Kongress bilden.

Was passiert aber nun, wenn kein Kandidat die absolute Mehrheit der Wahlmännerstimmen erlangt? Was würde also passieren, wenn Hillary Clinton und Donald Trump jeweils nur 269 Wahlmänner auf sich vereinigen können? Dann würde der Präsident vom Repräsentantenhaus gewählt werden – und dort haben die Republikaner die Mehrheit. (Der Vizepräsident würde vom Senat gewählt werden.) Bei Gleichstand der Wahlmännerstimmen hätte also Donald Trump die höhere Chance, der nächste US-Präsident zu werden.

Theoretisch reicht es, in den elf bevölkerungsreichsten US-Bundesstaaten eine knappe absolute Mehrheit in der Präsidentschaftswahl zu erreichen, um mehr als 270 Wahlmännerstimmen zu erlangen, selbst wenn man in allen anderen Bundesstaaten keinen einzigen Wähler hat. Das ist zwar ein unrealistisches Szenario, aber tatsächlich ist es schon mehrfach vorgekommen, dass der Kandidat mit den meisten Wahlmännerstimmen in der Wahl weniger Stimmen vom Volk bekommen hat als sein Kontrahent. Zuletzt passierte dies bei der Präsidentschaftswahl im Jahr 2000, als Al Gore zwar in den gesamten USA eine halbe Million Stimmen mehr als George W. Bush bekam, aber ihm in Florida um 537 Stimmen unterlag, wodurch alle Wahlmännerstimmen in Florida Bush zugeschlagen wurden. Das ist der Nachteil des „Der Gewinner bekommt alles“-Systems, in dem etwa die Stimmen der Demokraten in Texas für den Ausgang der Präsidentschaftswahl ebenso egal sind wie die Stimmen der Republikaner in Kalifornien.

Eine etwas undankbare Rolle spielen in der Präsidentschaftswahl die Kandidaten von kleineren Parteien. Auch wenn es an sich wünschenswert ist, dass die Wähler mehr Auswahl haben, so ist doch klar, dass diese Kandidaten keine realistische Chance haben und im Zweifelsfall sogar dringend benötigte Wählerstimmen für die großen Kandidaten abziehen könnten. Auch hier sei als Beispiel die Präsidentschaftswahl 2000 genannt: Der unabhängige Kandidat Ralph Nader bekam in Florida über 100.000 Stimmen; nur ein Prozent davon für Al Gore hätte dem die Präsidentschaft gesichert. Vermutlich wären selbst viele Nader-Wähler mit einem demokratischen Präsidenten zufriedener gewesen als mit George W. Bush.

Die Wahl zum Senat

Zeitgleich mit der Präsidentschaftswahl wird auch ein Drittel der Senatoren in den USA neu gewählt. Der Senat ist die Vertretung der Bundesstaaten im Kongress und damit grob das amerikanische Äquivalent zum deutschen Bundesrat. Jeder Bundesstaat hat zwei Senatoren, die jeweils für sechs Jahre gewählt werden. Die Senatoren werden allerdings in drei Klassen eingeteilt, da alle zwei Jahre Senatswahlen stattfinden, in denen um die Plätze gestritten wird, bei denen die sechs Jahre inzwischen vorbei sind. Jede zweite Senatswahl fällt also mit der Präsidentschaftswahl zusammen, ansonsten wenigstens mit einer Repräsentantenhauswahl.

Auch hier werden die Kandidaten der Demokraten und Republikaner erst einmal durch Vorwahlen der jeweiligen Parteien bestimmt. Eine Ausnahme hierbei ist Kalifornien: Hier treten alle Kandidaten, gleich welcher Partei, in einer einzigen gemeinsamen Vorwahl an, und die beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen treten dann in der Senatswahl an. Aus diesem Grund ist in Kalifornien bei der Senatswahl 2016 gar kein republikanischer Kandidat im Rennen, weil bei der Vorwahl die ersten zwei Plätze von Demokraten belegt wurden.

Die Wahl eines Senators in einem Bundesstaat ist allerdings erfrischend einfach: Es gewinnt derjenige, der in seinem Bundesstaat die meisten Stimmen hat. Wenigstens hier hat man sich den Krampf mit den Wahlmännern gespart.

Die Wahl zum Repräsentantenhaus

Der Vollständigkeit halber möchte ich nun auch noch was zur Repräsentantenhauswahl sagen, die alle zwei Jahre stattfindet und 2016 somit ebenfalls mit der Präsidentschaftswahl zusammenfällt.

Das US-Repräsentantenhaus ist das Gegenstück zum deutschen Bundestag. Jeder Staat ist proportional zu seiner Einwohnerzahl im Repräsentantenhaus vertreten, mindestens jedoch mit einem Abgeordneten. Die Gesamtzahl der Abgeordneten ist gesetzlich auf 435 beschränkt; zusätzlich gibt es noch sechs Abgeordnete ohne allgemeines Stimmrecht, die die Hauptstadt Washington, D.C. und die fünf US-Territorien Puerto Rico, Guam, die Nördlichen Marianen, die Amerikanischen Jungferninseln und Amerikanisch-Samoa repräsentieren.

Die USA werden für diese Wahl in Wahlkreise aufgeteilt, deren Bevölkerungszahl ungefähr gleich sein soll. Jeder Wahlkreis entsendet dann seinen Wahlgewinner ins Repräsentantenhaus. Eine Angleichung an die allgemeine Stimmverteilung, wie sie in Deutschland durch die Zweitstimme passiert, findet nicht statt. Im Moment haben die Republikaner die klare Oberhand im Repräsentantenhaus und somit im Kongress insgesamt.

Einige Politikforscher führen dies – angesichts des Vorsprungs der Demokraten bei der Senatswahl – auf ausgeklügeltes Gerrymandering zurück. Gerrymandering ist die Kunst, ein Gebiet so in Wahlkreise aufzuteilen, dass die von jeder Partei gewonnenen Wahlkreise nicht dem proportionalen Anteil der Wähler dieser Parteien entsprechen. Andere Forscher jedoch bestreiten, dass Gerrymandering einen großen Einfluss auf das Wahlergebnis hat.

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Hier ein ganz simples Beispiel von Gerrymandering: Die neun Punkte sind in drei Teile aufgeteilt, von denen zwei rot dominiert sind, obwohl die roten Punkte absolut in der Minderheit sind.
(Bild von Blutfink für Wikipedia)
Beispiel für Gerrymandering
Hier sind gleich viele grüne wie violette Punkte, aber je nach Zuschnitt kann man dafür sorgen, dass drei von vier "Wahlkreisen" von einer der beiden Farben dominiert werden.
(Bild von RokerHRO für Wikipedia)

Da der US-Kongress aus dem Repräsentantenhaus und dem Senat besteht und beide Kammern nötig sind, um zum Beispiel den Haushaltsplan der US-Regierung abzusegnen, ist ein Kongress, in dem die Opposition eine Mehrheit hat, für den Präsidenten höchst unangenehm. Im Extremfall kann das Nicht-Verabschieden eines Budgets durch den Kongress dazu führen, dass viele Bundesbehörden ihren Dienst einstellen müssen. Zuletzt ist das im Herbst 2013 passiert, als die Republikaner wegen Obamas Krankenversicherungsreform schmollten und deswegen quasi das ganze Land in Geiselhaft hielten. Die Alternative ist, dass der Kongress einen Fortsetzungsbeschluss fasst, der die Ausgaben auf dem gleichen Niveau wie bisher festlegt. Das ist inzwischen der Normalfall: Seitdem die Republikaner 2010 die Mehrheit im Repräsentantenhaus erlangt haben, ist keines von Obamas vorgeschlagenen Budgets vom Kongress verabschiedet worden. Unter anderem deswegen konnte er sein Versprechen nicht einlösen, das Gefangenenlager in Guantanamo Bay zu schließen.

Man sieht also: Der mächtigste Mann der Welt ist gar nicht so mächtig. Und das könnte vielleicht sogar ein Trost sein, wenn man sich die aktuellen Präsidentschaftskandidaten anschaut…

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