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Der Weg ins Weiße Haus

Wohl kaum eine Wahl wird weltweit so sehr verfolgt wie die zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Während ich diese Zeilen schreibe, sind es nur noch wenige Tage, bis sich die US-amerikanische Bevölkerung zwischen Hillary Clinton, Donald Trump und ein paar unwichtigen Kandidaten ohne Chance entscheiden muss. Grund genug, sich das amerikanische Präsidentenwahlsystem etwas näher anzuschauen.

Die USA sind ein Mutterland der modernen Demokratie, und die Gründerväter waren (wie in den meisten nachfolgenden Demokratien) der Meinung, dass das gemeine Volk zu blöd und zu leicht beeinflussbar wäre, um alles direkt entscheiden zu können. Das Prinzip, lieber ein paar gewählte Volksvertreter die endgültige Entscheidung treffen zu lassen, erstreckt sich auch auf die Präsidentenwahl (wobei diese dennoch weitaus direkter abläuft als in Deutschland, wo das Volk aus dem Wahlprozess für den Bundespräsidenten nahezu ausgeschlossen ist). Der US-Präsident und sein Stellvertreter werden nämlich in Wirklichkeit im Dezember vom Electoral College (Wahlmännerkollegium) gewählt.

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Das Wahlmännerkollegium für die aktuelle Wahl wird aus 538 Wahlmännern (und -frauen) bestehen, die von den 50 US-Bundesstaaten sowie der Hauptstadt Washington, D.C. entsandt werden. (Bürger, die in US-Gebieten wie Guam oder Puerto Rico leben, haben hierbei kein aktives Wahlrecht.) Die Zahl der Wahlmänner pro Bundesstaat entspricht der der Vertreter, die der Bundesstaat im Kongress hat. (Der Kongress besteht aus dem Repräsentantenhaus und dem Senat; beide erkläre ich am Ende des Texts noch einmal gesondert.) Die Hauptstadt schickt so viele Wahlmänner, wie sie haben würde, wenn sie ein Bundesstaat wäre, allerdings nicht mehr als der US-Bundesstaat mit den wenigsten Einwohnern. (Das ist derzeit Wyoming, welches 3 Wahlmänner entsendet. So viele Wahlmänner hätte Washington, D.C. allerdings sowieso.)

Die Wahl am 8. November bestimmt daher eigentlich die Zusammensetzung dieses Wahlmännerkollegiums. Von zwei Ausnahmen abgesehen kriegt der Kandidat, der die meisten Stimmen in einem Bundesstaat holt, alle Wahlmännerstimmen dieses Bundesstaates. Die Ausnahmen sind Maine und Nebraska, die noch mal nach ihren jeweils zwei bzw. drei Wahlkreisen unterscheiden: Dort bekommt der, der insgesamt im Staat die meisten Stimmen bekommt, zwei Wahlmänner. Außerdem gibt es für jeden Sieger eines Wahlkreises eine Wahlmännerstimme. In diesen beiden Staaten ist es also möglich, dass sich die Wahlmännerstimmen auf mehrere Kandidaten aufteilen.

Die Kandidaten

Zunächst müssen jedoch erst einmal die Kandidaten der beiden großen Parteien, der Republikaner und der Demokraten, bestimmt werden. Und das ist es, was den Wahlkampf in den USA so unheimlich in die Länge zieht.

Zum Präsidenten kann jeder gewählt werden, der mindestens 35 Jahre alt ist, durchgehend mindestens 14 Jahre in den USA lebte und von Geburt an US-Bürger ist. Gerade im Zusammenhang mit Obama wurde das oft so interpretiert, als müsse der Kandidat auch in den USA geboren worden sein. Das ist allerdings nicht korrekt, denn die US-Staatsbürgerschaft kann man auch durch seine Eltern haben. Deswegen wäre es wohl auch egal gewesen, wenn Obama nicht in Hawaii, sondern (wie viele behaupteten) in Kenia geboren wäre, da er vermutlich durch seine Mutter sowieso die Staatsbürgerschaft gehabt hätte. Ein weiteres Kriterium ist, dass der Kandidat nie vorher vom Kongress eines öffentlichen Amtes enthoben worden sein und nie als Amtsträger an einem Aufstand, Verrat oder einer Rebellion gegen die Vereinigten Staaten teilgenommen haben darf.

Seit George Washington sich freiwillig nach acht Jahren nicht mehr als Präsidentschaftskandidat aufstellen ließ, war es eine Tradition, dass US-Präsidenten auf eine dritte Amtszeit verzichteten. Die einzige Ausnahme war Franklin D. Roosevelt, der – ganz nach dem Motto „In der Krise und im Krieg wechselt man den Anführer nicht“ – die Präsidentschaftswahlen von 1932, 1936, 1940 und 1944 gewann und somit die längste Amtszeit eines US-Präsidenten hat. Er starb allerdings schon 1945.

Im Jahr 1951 verabschiedete man den 22. Zusatzartikel zur US-Verfassung, in dem nun gesetzlich festgelegt wurde, dass ein Präsident nur zweimal gewählt werden darf, wobei es egal ist, ob seine Amtsperioden direkt aufeinanderfolgen oder nicht. Die längste Zeit, die ein US-Präsident nun im Amt bleiben kann, beträgt 10 Jahre: Ein Vizepräsident, der durch Ausscheiden des Präsidenten selbst ins Präsidentenamt gerät, darf sich nur dann zweimal zur Wahl stellen, wenn er nicht vor der Wahl mehr als zwei Jahre Präsident war.

Einschub: Der Vizepräsident selbst muss ebenfalls alle Anforderungen erfüllen, die der Präsident erfüllen muss. In der Anfangszeit der USA wurde der Mann Vizepräsident, der bei der Präsidentschaftswahl auf dem zweiten Platz landete. Das gab jedoch so viele Probleme, dass man rasch das System umbaute und nun jede Partei auch einen Vizepräsidentschaftskandidaten benennt, der den Posten kriegt, wenn der eigene Präsidentschaftskandidat gewinnt. Daher treten im Wahlkampf beide als Team auf, man denke an McCain/Palin, Obama/Biden oder Trump/Pence.

In der Geschichte der USA passierte es trotzdem einmal, dass jemand Präsident wurde, der noch nicht mal als Vizepräsident gewählt wurde: Der Vizepräsident von Richard Nixon, Spiro Agnew, musste 1973 aufgrund von Vorwürfen wegen Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung seinen Posten aufgeben und wurde durch Gerald Ford ersetzt, der wiederum 1974 der Nachfolger von Richard Nixon wurde, als dieser wegen des Watergate-Skandals zurücktrat.

Bevor jemand aber als Kandidat aufgestellt wird, muss er die so genannten Primaries überstehen. Und das ist ein Krampf.

Die Primaries

In gewisser Weise werden die Kandidaten der beiden großen Parteien ähnlich festgelegt wie der Präsident selbst: Bei großen nationalen Parteitagen (Democratic National Convention/DNC bzw. Republican National Convention/RNC) werden die Kandidaten bestimmt, indem Delegierte für sie abstimmen, direkt von den Mitgliedern werden sie nicht gewählt.

Vorher müssen aber die Delegierten selbst bestimmt werden. Die US-Verfassung schreibt nicht vor, wie die Parteien ihre Kandidaten auswählen sollen, deswegen unterscheidet sich die Prozedur nicht nur von Bundesstaat zu Bundesstaat, sondern teilweise auch innerhalb eines Bundesstaats von Partei zu Partei.

Die eine Möglichkeit sind tatsächliche Wahlen im traditionellen Sinn. Diese Vorwahlen werden, obwohl sie nur den Kandidaten einer Partei bestimmen sollen, tatsächlich wie normale politische Wahlen von den Bundesstaaten durchgeführt. Das Problem dabei besteht darin, dass es in den USA keine Meldepflicht und daher keine Melderegister gibt, anhand derer man wie in Deutschland für jeden Wahlkreis ein Wählerverzeichnis erstellen könnte. Aus diesem Grund müssen sich die Bürger erst als Wähler registrieren lassen, bevor sie wählen können.

Die meisten US-Bundesstaaten verlangen, dass man sich spätestens zwei bis vier Wochen vor einer Wahl bei einer offiziellen Registrierungsstelle als Wähler registriert, in vielen Bundesstaaten geht das inzwischen auch online. Einige Bundesstaaten erlauben auch die Registrierung am Tag der Wahl direkt im Wahllokal. Da es in den USA keine allgemeine Ausweispflicht gibt, ist nicht einheitlich geregelt, wie ein Wähler eigentlich seine Identität nachweisen kann. Einige Staaten haben es zur Pflicht gemacht, einen gültigen Führerschein oder Ausweis (der dort ebenso wie ein Führerschein von den Verkehrsbehörden ausgestellt wird) vorzulegen, in anderen reicht z. B. eine eidesstattliche Erklärung, eine Bürgschaft eines Wahlhelfers oder das Ausfüllen eines Fragebogens, der an die angegebene Adresse geschickt wird. Diese Vorregistrierungspflicht sorgt dafür, dass ein Teil der Wahlkampfbemühungen der Parteien tatsächlich dafür draufgeht, massenhaft Menschen überhaupt erst zu den Wählerregistrierungsstellen zu karren.

Die Voter-ID-Gesetze, die einen Lichtbildausweis oder einen Führerschein zur Bedingung für die Registrierung machen, werden in den USA sehr kontrovers diskutiert, weil gerade Minderheiten oft keine solchen Dokumente haben und die ausgebenden Stellen es ihnen z. B. mit absurden Öffnungszeiten oder durch Mangel an ortsnahen Zweigstellen fast unmöglich machen, rechtzeitig so ein Dokument zu kriegen. Nicht wenige sehen daher in diesen Gesetzen, die tendenziell eher in republikanisch regierten Staaten erlassen werden, also eine Strategie der Republikaner, diejenigen vom Wählen abzuhalten, die eher den politischen Gegner wählen würden.

Meist gibt man bei der Registrierung auch an, mit welcher Partei man sich assoziiert. Da es aber auch in den USA ein Wahlgeheimnis gibt, ist diese Zuordnung bloß für die Vorwahlen relevant. Jeder Wähler darf nämlich nur an den Vorwahlen einer Partei teilnehmen, nicht an beiden. Wenn die Vorwahlen für die Republikaner und die Demokraten also in einem Bundesstaat am gleichen Tag sind, muss der Wähler im Wahllokal sagen, welchen Stimmzettel er haben will. Sind sie an unterschiedlichen Tagen, ist er automatisch für die zuletzt stattfindende Wahl nicht zugelassen, wenn er bei der ersten abstimmt. In einigen Bundesstaaten dürfen tatsächlich auch nur diejenigen bei der Wahl einer Partei abstimmen, wenn sie diese Partei vorher bei ihrer Wählerregistrierung angegeben haben.

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