Abgehobene Medientrolle
Ich hab das hier einfach nur so runtergetippt, ohne großes Konzept. Wirkt daher also etwas roh, aber ich wollte die Sache einfach mal loswerden.
Gestern habe ich es per Twitter mitbekommen: Ein UFO-förmiger Ballon, außen mit Alufolie, innen mit Kind, soll sich losgerissen haben und über dem amerikanischen Kontinent schweben. Alle sind natürlich verdammt aufgeregt, und wie es Leute gerne machen, die nutzlos sind, aber diese Tatsache nicht ertragen können, wird gebetet, dass der sechsjährige Bengel heil wieder auf dem Boden ankommt. Nachdem das Teil landete, war allerdings die Überraschung groß: Ups, der Knabe ist gar nicht drin gewesen, und schließlich fand man ihn in einer Kiste in der heimischen Garage. Hach, wie schön. Eine Tragödie abgewendet, alle haben Pipi in den Augen und umarmen sich, und die glückliche Familie kriegt einen Auftritt in einer Talkshow.
Aber ups? Kindermund tut Wahrheit kund, und so verkündet der Kleine bei CNN auf die Frage, warum er das denn getan hätte: "You guys said, we did this for the show." Und danach furzt er. Schon vorher ist der Ausschnitt eine Offenbarung. Als der Junge zugibt, dass er die Leute auf der Suche seinen Namen hätte rufen hören, fragt der Vater: "You did?", aber die Mutter (in einer total gar nicht unauffälligen Weise, als ob sie ihre Leibesfrucht zu einer anderen Antwort drängen wil) ruft: "You didn't?" Und nachdem der Junge mit der Bemerkung über die Show die ganze Chose offenbart hat, merkt man richtig, dass dem Vater ein wenig Verzweiflung in den Körper wandert. Vermutlich bekam der Bengel erstmal den Hintern voll, als er nach Hause kam.
Dass die Eltern ziemliche Aufmerksamkeitshuren sind, hätte man vorher wissen können: Sie waren zweimal bei der amerikanischen Ausgabe von "Frauentausch" dabei, und der Vater kam darin schon wie ein totaler Idiot rüber (hier wird mir schmerzhaft wieder bewusst, dass uns im Deutschen noch eine schöne Übersetzung des Wortes "Douchebag" fehlt). Die Show um den Ballon wurde ihnen trotzdem zu bereitwillig gegeben. Man verfolgte im Fernsehen stundenlang den Ballon, wie er durch die Luft schwebte, und offenbar hatte niemand auch nur ein bisschen darauf geachtet, dass das Teil gar nicht so flog, als wenn das Gewicht eines kleinen Menschen darin wäre. Wenn man sich bei der Landung mal die Dimensionen anschaut, so wird auch klar, dass das Ding viel zu klein war, um überhaupt einen Menschen tragen zu können. Die ganze Sache war ein durchgeplanter Publicity-Gag. Die Heene-Familie hat die USA getrollt, und die USA haben sich viel zu leicht trollen lassen. Wenn sich der Junge nicht verplappert hätte, hätten die vielleicht nächstes Mal versucht, der Welt zu erzählen, er wäre in einen Brunnenschacht gefallen. (Simpsons-Fans erinnern sich sicher an so eine Episode.)
Was mich aber noch mehr stört: Die gleiche Geschichte wäre in Deutschland auch möglich. Die angeblichen Nachrichtenmedien verbreiten unkritisch fast alles - seien es diese Tragödien, seien es politische Stellungnahmen. Ich war ganz erstaunt, als ich nach dem ganzen Theater um Thilo Sarrazin tatsächlich Artikel lesen durfte, in denen überprüft wurde, was von den Behauptungen Sarrazins eigentlich stimmt. Das ist an sich lobenswert - aber warum wird das erst dann gemacht, wenn jemand total frei dreht und die Öffentlichkeit damit aufwühlt? Wenn jemand von der CSU zur Einführung einer PKW-Maut sagt: "Wenn die Maut kommt, brauchen wir eine Senkung der Ökosteuer. Auf keinen Fall dürfen die Autofahrer zusätzlich belastet werden", dann erwarte ich auch, dass das nicht einfach so berichtet wird, sondern jemand schreibt, dass die Aussage totaler Müll ist, weil eine Maut natürlich keinen Sinn machen würde, wenn da nur Geld wieder rein käme, was man sonst mit der Ökosteuer eingenommen hätte. Geld wird ja nicht einfach mehr, nur weil's dem Autofahrer nun als Autobahnasphaltabnutzungsabgabe entzogen wird und nicht mehr als Steuer beim Tanken. Ähnliches gilt für die vielen Behauptungen, die von Politikern und Verbänden kommen, wenn es um das Gesundheitssystem geht, um die Altersversorgung, um Killerspiele, Kinderpornografie im Netz, Jugendkriminalität, Geburtenraten und Krankheiten wie Vogelschweinegrippe oder SARS. Die reinen Aussagen kann ich mir auch selbst von den Internetseiten dieser Leute holen, dafür brauche ich nicht die Presse. Die wird momentan nur als reines Verbreitungsorgan von ihren Quellen benutzt - so wie eine irre Familie aus Colorado, die UFO-förmige Ballons baut, die amerikanischen Medien benutzt hat, um ihr eigenes Geltungsbedürfnis zu befriedigen. Die Medien degradieren sich damit selbst, und so brauchen sie sich nicht zu wundern, wenn immer mehr Menschen entdecken, dass sie auch ganz gut ohne Zeitungen und das Fernsehen auskommen.
Gast
... aber niemals ohne das Internet, spezifischer Klopfer's Web. Der Eintrag ist zwar nicht besonders bissig -liegt wohl daran, dass er "roh" ist- aber nichtsdesdotrotz gut. Kommst du eigentlich auch ohne Fernsehen und Zeitungen aus? Benutzt du deinen fernseher wie ich nur noch, um irgendwelche Spielekonsolen o.ä. dran angeschlossen zu haben? Ich weiß garnicht mehr, wie mein Receiver angeht.