Nachvollziehbare Ausführungen. Für mich bleibt jedoch nach wie vor ein entscheidender Unterschied, wer sich einmischt. Wenn sich ein Staat irgendwo einmischt und Meinungen unterdrückt, dann sehe ich den Zensurvorwurf als gerechtfertigt an. Facebook und Co machen dagegen von ihrem Hausrecht Gebrauch und solang sie sich damit an geltende Gesetze halten, sehe ich das erstmal in Ordnung. Sollten Gesetze missachtet worden sein, müssen die betreffenden Firmen bestraft werden, aber das haben Richter zu entscheiden, nicht irgendwelche juristischen Laien.
Ich sehe die Gefahr für die Menschenrechte der Rechtsextrimisten übrigens derzeit nicht gefährdet. Meinungsfreiheit heißt halt nicht, dass ich mir in meiner Wohnung gefallen lassen muss, wenn jemand irgendwelchen Unsinn redet. Genauso muss ein Reichsbürger sich nicht gefallen lassen, wenn ich ihm sage, die BRD sei ein legitimer Staat, wenn das ganze in der Wohnung des Reichsbürgers passiert. Natürlich kann der mich einfach rausschmeißen und meine Meinungsfreiheit bleibt unangetastet.
Eine Gefahr für die Meinungsfreiheit besteht, wenn der Staat Meinungen kontrolliert, deshalb, und ich wiederhole mich, sehe ich da in Deutschland mit dem Netzdurchsuchungsgesetz die größere Gefahr.
Was man natürlich in den USA kritisieren kann, ist, dass wir es geschafft haben einigen wenigen Unternehmen so große Marktmacht zu geben, dass diese die Macht haben Meinungen gezielt zu unterdrücken. Wenn ich lese, dass versucht wurde, die Seiten auf russischen Servern zu hosten, die aber mangels Schutz gegen DDoS-Attacken ziemlich schnell down waren, dann haben wir ein Problem mit der Marktmacht. Darauf zielte meine Frage bezüglich Webspace durch den Staat ab: Klingt ziemlich lächerlich und wird kaum funktionieren, wäre aber durchaus eine logische Konsequenz, wenn man jede Meinung zulassen möchte.
Dann kann man natürlich noch darüber philosophieren, inwiefern denn ein solcher Eingriff der Unternehmen zum politischen Diskurs dazugehört. Ich bin zum Beispiel bei dir in dem Punkt, dass Internetpranger, wie "Perlen aus Freital" schädlich sind. Wenn ein Arbeitgeber tatsächlich feststellt, dass der Angestellte fragwürdige Postings absetzt und ihn daraufhin feuert, ist das eine Sache, eine andere ist, wenn besagter Angestellter einfach angeschwärzt wurde. Gerade wenn diese Beiträge dann noch archiviert bleiben und vom Poster selbst nicht mehr zu löschen sind, wodurch sie immer und immer wieder dem eigenen Ruf schaden, dann mag das manch einer als "nur gerecht" empfinden, ich wage allerdings zu bezweifeln, dass ein Lerneffekt eintreten kann, wenn die Fehler der Vergangenheit nie aufhören nachzuwirken.
Zuletzt bleibt noch die Frage: Soll man die Intoleranten tolerieren? Oder wieviel oder wenig?
Soll man die Intoleranten tolerieren bzw. in welchem Maße? Dafür muss man sich ins Bewusstsein rufen: Man wird selbst zum Intoleranten. Deswegen ist es wichtig, dass es klare Regeln gibt, die jeder kennt, die für alle gelten (die also auch diejenigen in ihren Mitteln und Möglichkeiten beschränken, die gegen die Intoleranten vorgehen wollen) und die auch angemessen einen Ausgleich zwischen Meinungsfreiheit und Schutz anderer darstellen, denn bei vielen Äußerungen, bei denen Verbote gerne mal gefordert werden, gibt's nicht mal Opfer. Solche klaren Regeln haben wir momentan nicht.