Frag den Hasen

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#44604
Ich bin nicht so sicher, ob ich übereinstimme, dass man keine europäische Identität herstellen kann (in dem Ausmass, das nötig wäre). Die aktuellen nationalen Identitäten sind schliesslich auch gewissermassen fabriziert; 1800 hat sich so gut wie niemand als Italiener oder Schweizer gefühlt, heute durchaus schon. Ich glaube, das Problem ist eher, dass wir momentan zu glauben scheinen, wir können erst dann europäische Politik machen, wenn wir uns alle als gute Europäer fühlen. Aber wenn wir mehr europäische Demokratie hätten, z.B. mit echten Europawahlen (wo man dann für die Europäische Volkspartei oder die Progressive Allianz stimmen würde, nicht für CDU oder SPD, und auch für Kandidaten aus ganz Europa) und einer gewählten EU-Regierung, würden sich die Leute damit nicht automatisch mehr identifizieren?

Man muss ja gar nicht wahnsinnig gefühlsmässig dabei sein, um das Ganze politisch funktionieren zu lassen. Ich habe persönlich keine wahnsinnig grosse Identifikation mit der Schweiz als ganzes, eher mit meinem Kanton; die Zustimmung zum Land als Ganzes funktioniert eigentlich vor allem über Politik und Sport. Das könnte man auf europäischer Ebene durchaus nachbauen, mit EU-weiten Kampagnen und einer europäischen Medienlandschaft. Dann kann jeder Deutscher, Österreicher oder Pole bleiben, aber man würde die EU weniger als Einschränkung wahrnehmen - es wäre dann nicht mehr irgendeine Institution, wo keiner überhaupt weiss, wer was bestimmt, sondern ein Parlament in dem man selbst für jemanden gestimmt hat.

Im Moment gibts zwar auch ein EU-Parlament, aber die Art, wie da gewählt wird, ist derart national, dass die wenigsten Leute wirklich wissen, wofür sie auf der europäischen Ebene gestimmt haben. Das kann ich auch niemandem verüblen, die Kampagnen werden nämlich (ausgenommen die "europäischen Bewegungen" wie Volt oder DiEM25) extrem national geführt. Entsprechend schwer fällt es mir dann, mich in diesem Parlament repräsentiert zu sehen, wenn ich keine Ahnung habe, wofür ein schwedischer oder spanischer Abgeordneter eigentlich steht, aber bei einem nationalen Parlament ist das deutlich einfacher, weil eben sowohl Baden-Württemberger als auch Berliner Kandidaten unter dem Etikett "SPD" oder "CDU" antreten.
Es ist meistens so, dass man eine größere Verbundenheit zu der nächsten Gruppe spürt. Du identifizierst dich mehr mit der Familie als mit dem Dorf/der Stadt, du identifizierst dich mehr mit dem Dorf/der Stadt als dem Bundesland/Kanton usw.
Nun gibt es immer Situationen (gerade politisch), wo dann aber die größere Entität bevorzugt werden sollte, was sich gerade für die Nation immer wieder äußert. Für Deutschland. Für Frankreich. Für die Schweiz etc. Das ist wichtig, dass es dieses Gefühl gibt, um eine große Gruppe für ein gemeinsames Ziel zu vereinen. (Das gibt's auch woanders, etwa oft bei Religionen, der Islam kultiviert das besonders.)
Natürlich fühlt sich vermutlich fast jeder Deutsche, Franzose etc. auch als Europäer. Das ist gar nicht das Problem. Das Problem ist: Es wird selten so sein, dass für die europäischen Bürger Europa mal vor ihrer eigenen Nation kommt. Und das sehe ich nicht, dass sich das entwickelt, und erzwingen kann man das nicht. Schon die Sprache ist da ein Hemmschuh, die zusätzlichen kulturellen und historischen Unterschiede kommen noch dazu. (Da kann man sich auch die Frage stellen, ob deine Identifikation mit der Schweiz größer wäre, wenn ihr nur eine Sprache hättet.)

Dass in der Institution der EU ein Defizit besteht und man als Normalbürger recht weit abgekoppelt ist (gepaart mit der Tatsache, dass die Parteien ihre größten Versager in die EU abschieben), ist natürlich auch ein Problem, aber ich glaube, man sollte auch den Einfluss auf die Identität als Europäer nicht überschätzen, denn auf der nationalen Ebene ist das ja auch nicht so extrem relevant. Ich meine, ein König oder eine Königin kann ein Symbol sein für eine nationale Identität, aber wie viele verspüren eine Art Patriotismus wegen ihrer Wahlen oder ihrem Parlament? Ich muss schon immer mit den Augen rollen, wenn Politiker hierzulande so gerne vom Verfassungspatriotismus reden. Ich meine, das Grundgesetz ist schon nett, aber die meisten normalen Deutschen würden sich auch mit einer anderen Verfassung nicht weniger als Deutsche fühlen.