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5 Dinge, die kaum jemand über Star Trek und seinen Schöpfer weiß

2. Eine Frau als Erster Offizier – tatsächlich undenkbar?

Als sich die bislang nur für Comedy-Serien bekannten Desilu-Studios bei den Fernsehsendern mit Serienkonzepten wie „Star Trek“ und „Mission: Impossible“ bewarben, herrschte einige Skepsis vor: Könnte diese Firma tatsächlich solche aufwendigen Projekte stemmen? NBC gab trotzdem die Produktion eines Pilotfilms für „Star Trek“ in Auftrag. Man wählte dafür gezielt das anspruchsvollste Drehbuch aus, weil man das Studio testen wollte – und es glückte: Desilu schaffte es offenbar, eine Science-Fiction-Serie mit Aliens, Raumschiffen, Laserstrahlen und fremden Welten zu realisieren. (Tatsächlich gelang es Desilu damals, beide Serien ans Fernsehen zu verkaufen, aber da die Sender nicht die ganzen Produktionskosten übernahmen, war es durchaus erst einmal eine finanzielle Belastung für das Studio.)

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Der Pilotfilm wurde allerdings damals nie im Fernsehen ausgestrahlt (erst in den späten 80er Jahren, als man ihn wiederfand), denn NBC befürchtete, dass der Inhalt zu kompliziert für das normale Fernsehpublikum sein könnte. Das wurde dem Studio aber nicht negativ angerechnet, schließlich hatte NBC selbst ja das Drehbuch ausgesucht. Doch nun wollte man einen zweiten Pilotfilm, der massenkompatibler war und zudem (dank der bereits für den ersten Pilotfilm gebauten Kulissen und Aufnahmen der Enterprise) billiger sein würde. (In Fankreisen kursiert bis heute die Legende, dass ein zweiter Pilotfilm eine Premiere im US-Fernsehgeschäft gewesen wäre. Das stimmt allerdings so nicht.) Außerdem wollte man einige Änderungen.

Die erste Änderung ging allerdings nicht auf den Sender zurück: Im ersten Pilotfilm spielte Jeffrey Hunter die Rolle des Captain Pike. Sein Vertrag jedoch sah nur vor, dass er im Anschluss an den Pilotfilm auch in der Serie mitspielen würde, sollte sie in Auftrag gegeben werden – ein zweiter Pilotfilm war vertraglich gar nicht vorgesehen, und bis heute ist nicht so recht klar, warum Hunter nicht weitermachte. Einige sagen, er wollte schlicht und einfach nicht mehr, andere wiederum erinnern sich, dass seine Ehefrau und Managerin so dreist und divenhaft aufgetreten wäre, dass das Studio keinen Bock mehr hatte. Fragen kann man den guten Mann selbst nicht mehr, er starb bereits 1969. Wie es auch ablief: Für ihn kam William Shatner als Captain Kirk an Bord.

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Der sprüht so sehr vor Männlichkeit, dass mein Fernseher schwanger wurde, als ich die Folge abspielte. :angsthasi:

Der nächste Änderungswunsch betraf Mr. Spock: Da hatte NBC tatsächlich einige Bedenken, dass er mit seinen spitzen Ohren im Süden der USA als satanisch wahrgenommen werden könnte. Gene Roddenberry kämpfte dafür, ihn behalten zu dürfen.

Worüber ich hier aber eigentlich reden möchte, ist die Rolle des Ersten Offiziers der Enterprise: Diese wurde im ersten Pilotfilm von einer Frau namens Majel Leigh Hudec gespielt und von Captain Pike nur „Nummer Eins“ genannt. (Fans von „Star Trek: The Next Generation“ werden sich erinnern, dass Captain Picard seine Ersten Offiziere ebenfalls so nennt.) Und Gene Roddenberry erzählte den Fans bis zu seinem Tod immer dieselbe Geschichte: NBC wäre der Meinung gewesen, dass sich die Zuschauer eine Frau in so einer wichtigen Position nicht vorstellen konnten. Und weil er nur einen Charakter behalten konnte, entschied er sich lieber für Mr. Spock. Vermutlich haben Millionen Fans mit dem Kopf geschüttelt über die Engstirnigkeit des Fernsehsenders.

Das Problem dabei: Die Geschichte ist Bullshit. NBC hatte tatsächlich ein Problem mit Nummer Eins, und es war nicht, dass es eine Frau war, es war vielmehr der Punkt, dass es gerade diese Frau war: Majel Leigh Hudec hatte bislang nur wenige Rollen in Hollywood ergattern können, und selbst von denen waren die meisten keine Sprechrollen. Das Testpublikum fand sie unsympathisch. Außerdem war sie die Geliebte von Gene Roddenberry.

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Ich gehöre nicht zu denen, die sie üblicherweise als "Miss Horseface" bezeichnen. Aber es gibt solche Leute. :nick:

Das kam bei NBC gar nicht gut an. Zwar war es nicht so unüblich in Tinseltown, dass Produzenten ihre Frauen betrogen, aber das so offen zu zeigen, galt als unanständig und war verpönt. Und außerdem handelte es sich hier um eine prestigeträchtige Serie mit einem für damalige Verhältnisse exorbitanten Budget (nach heutigem Kurs weit über eine Million Dollar pro Folge), weswegen man Roddenberry bekniete, doch bitte eine bekanntere Schauspielerin für die Rolle zu nehmen, die mehr Präsenz und Starpower hatte. Doch Roddenberry dachte lieber mit dem Schwanz – und beerdigte die Idee eines weiblichen Ersten Offiziers selbst.

Als dann die Serie produziert wurde, tauchte in den Drehbüchern die Rolle einer Krankenschwester auf, und besagte Majel Leigh Hudec ließ sich die Haare schneiden und blond färben, um diese Rolle zu übernehmen. Sie und ihr Liebhaber waren überzeugt, dass NBC das nie durchschauen würde, zumal sie sich diesmal als „Majel Barrett“ im Abspann nennen ließ.

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Die NBC-Verantwortlichen rochen den Braten allerdings sofort und waren stinksauer, denn Roddenberry war in der Hinsicht Wiederholungstäter: Auch Nichelle Nichols (Uhura) war bis zu ihrem Star-Trek-Debüt eine seiner Gespielinnen, und gerüchteweise soll auch Grace Lee Whitney (Rand) eine Affäre mit ihm gehabt haben, bevor sie für „Star Trek“ gecastet wurde. Roddenberry wurde den Bossen nicht sympathischer dadurch, dass er trotz seiner Ehe relativ offen zugab, Schauspielerinnen extra deswegen zu casten, um sie ins Bett kriegen zu können. Wenn es die Besetzungscouch nicht schon vorher gegeben hätte, Roddenberry hätte sie erfunden. Eine unmittelbare Bestrafung gab es zwar nicht, aber sein schlechter Ruf sollte ihm später das Leben schwer machen.

Es ging also nie generell darum, dass sich NBC keine Frau in so verantwortungsvoller Position vorstellen konnte, sie wollten nur diese spezielle Frau nicht – was angesichts der damals eher rudimentär ausgeprägten Schauspielkünste von Frau Barrett wohl nicht ganz unbegründet war. Sie blieb dem Franchise allerdings trotzdem lange verbunden: Sie heiratete später Gene Roddenberry, spielte in „Star Trek – The Next Generation“ die Rolle von Deanna Trois Mutter und sprach bis 2009 regulär die Schiffscomputer in den Serien und Filmen.

Ironischerweise ist die einzige Notiz über die Einstellung des Senders zu Frauen als Besatzungsmitgliedern, die in den Produktionsarchiven zu finden ist, eine Forderung, doch bitte mehr Frauen in der Crew zu zeigen.

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Ich werde im weiteren Verlauf einfach mal so Bilder der hübschen Damen einbauen, die diese Uniform tragen durften. :schwaerm:

(In dem Zusammenhang wird gelegentlich auch behauptet, dass NBC etwas gegen einen schwarzen Brückenoffizier gehabt hätte. Auch das ist unplausibel: NBC war von den drei großen Fernsehsendern der progressivste und hatte erst kurz vorher die Serie „I Spy“ gestartet, in der mit Bill Cosby ein schwarzer Schauspieler eine gleichberechtigte Hauptrolle neben dem weißen Robert Culp spielte. Man suchte zu der Zeit sogar aktiv nach Möglichkeiten, schwarze Schauspieler zu besetzen, weil man die afroamerikanische Bevölkerung als eine Zielgruppe gewinnen wollte.)

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3. Star Trek - Auf der Suche nach Geld

Man würde eigentlich meinen, ein Mensch, der sich die Zukunft als eine Art Utopia ohne Geld und Streben nach persönlichem Reichtum vorstellte, wäre eine Art Hippie gewesen, der den schnöden Mammon radikal ablehnte. Doch bei Gene Roddenberry läge man da ganz falsch.

Ich will damit nicht mal sagen, dass er wirklich jede Möglichkeit nutzte, um sich zu bereichern: Obwohl er viele Drehbücher anderer Autoren umschrieb, ließ er sich vergleichsweise selten als Miturheber eintragen, wodurch er immerhin auf die Tantiemen dafür verzichtete. (Es ist allerdings auch nicht wirklich üblich als Showrunner, sich als Urheber einzutragen, nur weil man ein Drehbuch umgeschrieben hat, selbst wenn vom ursprünglichen Drehbuch weniger als die Hälfte übrig bleibt.)

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Die Schauspielerin erkrankte später leider an Multipler Sklerose. :(

Ansonsten hat er aber so ziemlich alles mitgenommen, was geht. Alexander Courage komponierte die Titelmelodie der Serie, doch in dem Vertrag hatte der Anwalt von Gene Roddenberry eine heimtückische Klausel versteckt: Sollte für das Intro noch ein Liedtext geschrieben werden, so stünde dem Liedtexter die Hälfte der Tantiemen zu. Und Gene Roddenberry schrieb dann auch einen furchtbaren Text, obwohl er genau wusste, dass dieser niemals eingesungen werden würde (vermutlich lässt er sich nicht mal ordentlich auf die Melodie singen). Vom tief enttäuschten Sandy Courage darauf angesprochen, antwortete Roddenberry nur kaltherzig: „Hey, mit irgendwas muss ich ja Geld verdienen, aus der Serie krieg ich bestimmt nichts raus.“

Doch er versuchte es hartnäckig und nicht auf die legale Tour: Er machte seine eigene Merchandise-Firma auf, die Fans ganz besondere Star-Trek-Andenken verkaufen sollte. Die Kopierabteilung des Studios, die die Drehbücher für die Schauspieler und Mitarbeiter der Serie vervielfältigte, sollte immer ungewöhnlich viele Kopien der Drehbücher anfertigen (natürlich auf Studiokosten) – die überzähligen Exemplare landeten im Angebot von Roddenberrys Lincoln Enterprises.

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Dieses Röckchen ist so kurz, dass die Schauspielerin ihren Po mit den Händen bedeckte, als sie mit dem Rücken zur Kamera stand. :kicher:

Die Filmschnipsel, die nicht für Folgen verwendet wurden, wurden von Roddenberry aus dem Studio-Archiv geklaut, wofür er sogar die Wachmänner dreist belog. Die Schnipsel wurden dann in Einzelbildern an die Fans verkauft – natürlich sah das Studio nichts von den Einnahmen. Das ist auch der Grund, weswegen die kleinen Filmchen mit Drehpannen, die ursprünglich für die Weihnachtsfeiern der Serienmitarbeiter zusammengeschnitten wurden, nur in ganz miesen Kopien kursieren und von Paramount/CBS nie mithilfe der originalen Negative aufgehübscht und neu veröffentlicht wurden: Es gibt sie schlicht und einfach nicht mehr, weil Roddenberry jeden Zentimeter Film, der nicht für eine Folge verwendet wurde, klaute und an Fans verschacherte. Auch die auf den Weihnachtsfeiern gezeigten Outtake-Filmchen klemmte sich Roddenberry unter den Arm und präsentierte sie später auf Conventions gegen ein Entgelt den Fans. (Interessanterweise sind diese Aufnahmen in den USA gemeinfrei, weil man dort damals ein Copyright extra beantragen musste und Desilu/Paramount das nur für die fertigen Folgen tat.)

Schließlich wollte Roddenberry selbst Einfluss auf die Drehbücher nehmen, um irgendwelchen Tand zu promoten, den er dann über seine Merchandise-Firma verticken wollte. Er schrieb – obwohl er selbst offiziell schon gar nicht mehr an der Produktion der Serie beteiligt war – in eine Folge der dritten Staffel kurz vor dem Dreh eine Szene rein, in der Kirk und Spock ein besonderes Medaillon befingern und bewundern sollten. Die beiden Schauspieler waren allerdings so stinksauer über diesen eingebauten Werbespot, dass der Drehtag unterbrochen werden musste, um die Gemüter zu beruhigen. Die Szene (und die Werbung) wurde dann drastisch gekürzt, aber Leonard Nimoy musste dieses Medaillon dann trotzdem als Symbol vulkanischer Philosophie erklären.

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:gefuehl: Lt. Tonya Barrows. Viele meiner pubertären Träume handelten davon, mich an sie zu schmiegen. :bittebitte:

Erst nach dem Ende der Serie erfuhr das Studio, dass Roddenberry selbst über seine Firma Lincoln Enterprises Star-Trek-Merchandise vertickte. Eine Übereinkunft beteiligte das Studio dann an den Einnahmen, anstatt das ganze Unternehmen wegen Markenrechtsverletzung wegzuklagen.

Nachtrag: Am 23. Juli 2016 wurde angekündigt, dass man im Nachlass von Roddenberry doch noch einige Filmstreifen der Originalserie fand, die nicht zerschnitten und an Fans verkauft wurden. Die sind im Dezember 2016 als Blu-Ray veröffentlicht worden. Die Box habe ich im Blog rezensiert.

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