Richterin Barbara Salesch
Dann erzählt er, dass er die Angeklagte schon zwei Tage vorher gesehen hätte, und noch so jemanden, der vermutlich das Männchen dazu sein sollte – obwohl Erlefried nicht die Hand dafür ins Feuer legen würde, dass es tatsächlich ein Männchen war. Er kriegt nicht mal einen Anschiss dafür, dass er den Herrn Dombrowski durch die Hintertür als Schwuchtel bezeichnet, aber immerhin weiß er, dass er den noch zwei Tage nach dem Tod vor dem Atelier gesehen hatte. Der Knabe soll mit einem Draht oder einem Brecheisen an der Tür herumgefummelt haben. Der Verteidigerin leuchtet nicht ganz ein, wie man einen Draht nicht von einem Brecheisen unterscheiden kann, weswegen sie auch noch Blumentopf und Schuhkarton als Alternativen anbietet und offene Zweifel an der Personenbeschreibung hegt. Da ist sie bei Erlefried aber an den Falschen geraten: Schließlich sehe der Kerl ja unverwechselbar aus und sei dann eh wie ertappt abgerauscht, als er vom Hausmeister angesprochen wurde. Und so darf der Zeuge dann auch mit halbwegs intakter Integrität abtreten.
Jetzt haben wir schon so viel von ihm gehört, jetzt dürfen wir ihn endlich auch sehen. Meine Damen und Herren, ich präsentiere Ihnen the one and only Midnight Moon, Jonas Dombrowski!
Barbara will jetzt erst einmal seine Personalien abklären, aber der Typ konzentriert sich eher darauf, seine Freundin auf der Anklagebank zu blickficken. Die Frage nach dem Beruf beantwortet er milde grinsend mit: „Ich brauche keinen normalen Beruf. Ich brauche nur meine Teardrop Cherry … Wir wollen uns selbstständig machen!“ Das wäre allerdings wieder ein normaler Beruf. Aber das Café soll ein Ort des Friedens, der Freiheit und der Entfaltung sein. Klingt weniger nach Gastronomie als nach Sekte. Und es hört nicht auf: Der Knabe sülzt dann auch die Nebenklägerin voll, sie solle sich doch öffnen, und die Community stehe für … ach, das muss ich nicht wiederholen, halt das, wofür das Café gut sein soll. Ich als Manga-Fan will ich ihm schon eine klatschen, wie geht es dann wohl erst den anderen? Wird auch nicht besser dadurch, dass er vor jeder Erwähnung seiner „Teardrop Cherry“ ein hörbares Schmachten von sich gibt.
Weil Manga für Wahrheit steht, gibt er auch sofort zu, nach dem Tod noch mal beim Atelier gewesen zu sein, weil er die Fotos von sich und seiner *schmacht* Tränenkirsche plündern wollte, um schicke Flyer für eine „Wir stehen alle hinter dir“-Party zugunsten seiner Freundin gestalten zu können. Staatsanwalt Römer nimmt ihm dieses Motiv nicht ab, schließlich hätte er sich ja dann auch an die Witwe des Verstorbenen wenden können. Der Herr Dombrowski erwidert nicht ganz zu Unrecht, dass die Erfolgsaussichten für eine positive Antwort auf die Frage „Hallo, darf ich die Fotos von meiner Freundin, die des Mordes an Ihrem Mann verdächtigt wird, haben?“ eher im nicht mehr messbaren Bereich lagen, und fügt noch hinzu: „Ich bin nicht weltfremd!“ Und es gibt keine Ermahnung von Barbara Salesch wegen Falschaussagen, komisch.
Die Witwe bestätigt immerhin, dass er vollkommen recht mit seiner Einschätzung hatte, wirft ihm aber Hemmungslosigkeit vor, denn er hätte sich auch das Einbrechen verkneifen sollen. Aber was weiß sie schon? Midnight Moon erklärt im Brustton der Überzeugung, dass Armin gewollt hätte, dass die Fotos überall gezeigt werden, denn Armin stand hinter der Manga-Bewegung und wollte sie auch bei ihrem Tempel Café unterstützen, jawoll! Und zwar mit 20.000 Euro, auch wenn die Witwe das bestreitet! Und überhaupt sind alle anderen immer nur gemein zu seiner *schmacht* Teardrop Cherry gewesen, obwohl die so ein schweres Schicksal hatte, weil ihre Mama gestorben ist und sie deswegen total einsam war!
Der Vater im Zuschauerbereich muss da doch mal protestieren, denn er hat sich ja auch gut um seine Tochter gekümmert. Das gibt allerdings eine Predigt von Midnight Moon, denn der feine Herr Papa weiß ja nix über seine Tochter und ihren Schmerz und dass sie sich mal die Pulsadern aufgesägt hat. Das ist tatsächlich eine Neuigkeit für den Herrn Erzeuger. Und Midnight Moon steigert sich jetzt so richtig rein, weil er seiner Liebsten (vermutlich mit der Macht des Mondes) wieder Mut gemacht hat, ihr neue Horizonte aufgezeigt hat und ihr auch zeigte, was Liebe ist. Olles Ferkel.
Der Papa wendet nun ein, dass er vermutlich besser über sein Töchterchen Bescheid wissen würde, wenn sie nicht dauernd nur mit ihrem Freund herumhängen und bei ihm wohnen würde. Das Paar bewohnt ein kleines Zimmer und hat laut Staatsanwalt regelmäßige Schwierigkeiten, die 280 Euro Miete im Monat zusammenzukratzen. Aber Geld ist ja auch so unwichtig!
Rechtsanwältin Tašić offenbart nun ihre Verteidigungsstrategie: Nicht ihre Mandantin hat den Fotografen ermordet, sondern ihr gütig predigender Freund Midnight Moon! Und jetzt will er hier vor Gericht den großen Manga-Helden mimen, der das kleine Manga-Mädchen rettet. (Wann kommen die Tentakel, die das kleine Manga-Mädchen vergewaltigen, bis sie es mag?) Der weist die Anschuldigung aber zurück: Armin zu erschlagen wäre nicht der Manga-Weg!
An der Pforte des Gerichts lästern die Gerichtsdiener ausgiebig über diese ganzen durchgeknallten Manga-Fans. Wer läuft denn schon rum wie ne lebende Comicfigur? Ich finde, die lehnen sich ganz schön weit aus dem Fenster, schließlich läuft auch Ingo Lenßen dauernd herum wie eine Comicfigur. Ihre Volksverhetzung wird unterbrochen von einer jungen Dame, die einem der beiden verschüchtert einen Briefumschlag in die Hand drückt und erzählt, dass der für die Verhandlung wegen des getöteten Fotografen wäre. „Ja, der Fotograf ist definitiv tot“, weiß der andere Lakai zu berichten, falls noch irgendwer daran zweifelte. Natürlich ist der Mann tot, spätestens seit der Beerdigung. Der erste Gerichtsbutler macht sich auf den Weg, die junge Frau verdrückt sich aufs Klo.