Richterin Barbara Salesch
Im Gerichtssaal stellt Frau Tašić die Hypothese auf, dass Midnight Moon ein bisschen misstrauisch war, als so ein Fotograf ankam, ihnen den Himmel auf Erden versprach und seine Freundin recht appetitlich fand. Und so wird der Mitternachtsmond ja wohl durchs Fenster geglotzt haben, ob der Herr Fotograf seine Wichsgriffel auch ordnungsgemäß bei sich behält, und dann entsprechend böse reagiert haben, nachdem seine Freundin abgehauen ist. Und sollte sie unschuldig verurteilt werden, weil der feine Herr Freund vor Gericht nicht die Wahrheit sagt, solle er sich in der Mangasprache besser umbenennen in „Der fiese Möpp, der jetzt schuld ist, dass die Freundin für ihn den Kopp hinhalten muss“. Klingt schon sehr schnittig, doch.
Da kommt endlich die Post in den Saal. Und was ist in dem Umschlag? Ein Manga! Sieht zwar nicht so aus, aber glaubt mir, es soll einer sein. (Und ich wette, er wollte schon ganz früh einer sein.)
Frau Tašić ist sich sicher, dass der Comic den Herrn Dombrowski zeigt, wie er den Fotografen kaltmacht, während der Staatsanwalt diese Idee lächerlich findet: „Diese Mangas sehen doch alle gleich aus.“ Richterin Babsi stellt mit ihren Adleraugen fest, dass das Opfer im Manga korrekterweise einen orangefarbenen Pullover trägt, was in der Presse nie erwähnt wurde, also vermutlich Täterwissen ist. Die Verteidigerin legt das Gemälde nun auch dem Zeugen Dombrowski vor, der angeblich künstlerisch begabt sein soll. Ich glaube, wenn der Zettel wirklich von ihm sein sollte, können wir diese Unterstellung als widerlegt betrachten. Midnight Moon aber sagt, dass er das zwar gut gezeichnet findet, aber noch nie vorher gesehen hat.
Die Verteidigerin ist aber überzeugt davon, dass der Manga von ihm gezeichnet wurde, um im Gericht Zweifel an der Schuld seiner Freundin zu säen und sie so rauszuhauen, ohne aber sich selbst hinreichend zu belasten. Welch teuflischer Plan! Ich glaube, dafür wäre er nicht clever genug.
Nun ist Zeit für die nächste Zeugin: Marianne Allen, die Mutter des spontan Verstorbenen. Die war eigentlich gar nicht vorgesehen, aber sie hat beim Polizeipräsidenten angerufen und so eingefädelt, dass sie eine Aussage machen darf. Und die Aussage ist ein Knaller: Auf der Anklagebank sitzt die Falsche; die Frau, die Armin umgebracht hat, sitzt da! Und „da“ ist der Platz der Nebenklägerin. Ich hab es von Anfang an gewusst! Schon dieser verschlagene Blick!
Die Frau Mama hat aber auch einen guten Grund für ihren Verdacht: Ihre Schwiegertochter kam sie seit dem Tod des Sohnes erst ein einziges Mal besuchen! Diese fiese Schlange. Und außerdem soll sie ihren Mann betrogen haben – mit dem jetzigen Bürgermeister. Die gemeinsamen Fotos in der Zeitung, Arm in Arm, sind ja wohl schon Beweis genug! Die Witwe streitet jedoch alles ab, genau wie die Schuldige es tun würde! (Und die Unschuldige, aber das ist ein unwichtiges Detail am Rande.) Ein weiterer Beleg, dass die lustige Witwe schon in der Woche nach dem Tod des Ehemannes die harten Stöße des Bürgermeisters im Schoße spürte, kommt von ihrer Putzfrau, die ebenfalls bei der Mutter schrubbt. Die Gattin gibt allerdings nur zu, dass der Mann nach einem kleinen Besäufnis nur zu hacke gewesen wäre, nach Hause zu fahren, und dann im Gästezimmer übernachtet hätte. Und die Putzfrau wird gefeuert, so! Und überhaupt: Die Frau vom Bürgermeister hätte ja wohl auch was dagegen, wenn es eine Affäre geben würde! Schwiegermama denkt allerdings, dass sich das einrichten ließe, und ihre Schwiegertochter würde ja sowieso nur an sich denken, schon vor dem Tod ihres Mannes. Lustig, es ist wie eine Seifenoper, nur komprimiert.
Die Verteidigerin der Tränenkirsche findet diese Entwicklung auch sehr interessant, zumal diese Hinweise auf eine nicht ganz harmonische Ehe auch ein neues Licht auf die vollgesamte Matratze im Atelier des Fotografen wirft. Das ist der Mutter aber doch etwas unangenehm, muss sie doch etwas hilflos zugeben, dass schließlich jeder (inklusive seiner Frau) gewusst hätte, dass ihr Sohn auch anderweitig Kontakte hatte. Na dann. Die Mutter wirft ein, sie hätte gedacht, die beiden hätten sich einfach so arrangiert, dass jeder sein Ding macht. Natürlich entfällt dann das Motiv der Ehefrau, ihren Mann kaltzumachen, um mit dem jetzigen Bürgermeister ungestört poppen zu können. Das fällt auch dem Staatsanwalt auf. Offenbar ist die Frau also doch unschuldig – so wie ich es von Anfang an gesagt habe!
Bei Dick und Doof am Eingang des Gerichts findet sich eine von diesen verrückten Mangafiguren ein. Das Mädel fragt nach dem Gerichtssaal des Verfahrens, mit dem wir uns heute hier befassen, und erkundigt sich auch, ob die Leute schon wissen, ob Jonas der Täter war. Das wissen die Herren aber nicht, weil die Spanner-Kamera im Gerichtssaal dummerweise keinen Ton überträgt. Das Mädel will sich jetzt auf zum Gerichtssaal machen, aber nicht nur zum Zugucken, nein! Der Gerichtsdiener weist sie darauf hin, dass sie sich für eine Zeugenaussage erst einmal ordentlich bei der Geschäftsstelle anmelden muss, es ist schließlich ein deutsches Gericht hier und kein Watussipuff. (Meine Formulierung, nicht seine.) Für so einen Quatsch hat sie aber keine Zeit, und so rennt sie schnurstracks zum Gerichtssaal, mit dem Diener flott auf ihren Fersen.
Im Gerichtssaal ist die Mutter immer noch überzeugt, dass die Frau ihres Sohnes seinen Tod zu verantworten hat und man die Angeklagte nicht nach ihrer wilden Kleidung beurteilen sollte. Und da springt auch schon das bunte Mädchen von eben in den Saal und begrüßt alle mit einem herzlichen „Moshi moshi!“ Der Gerichtsdiener kann sich nur noch entschuldigen und Babsi will den Störenfried auf die billigen Plätze verweisen.
Da denkt die aber gar nicht dran: „Der Mann meinte, ich dürfte hier nichts sagen, bevor ich nicht sage, wie ich heiße, und das stimmt doch nicht, oder?“ Der Staatsanwalt lässt sich von ihren Kulleraugen aber nicht beeindrucken: „Doch, und mit Morgentau irgendwas oder so einem Fantasienamen ist es hier nicht getan!“ Das ist Crystal Rainbow dann aber doch zu spießig und sie will wieder gehen. Ist ja schon eine Kameradensau; würde ihre Freundin Teardrop Cherry im Knast verrotten lassen, nur weil sie ihren Namen nicht sagen will. Babsi will das auch gar nicht durchgehen lassen: Wenn sie was weiß, muss sie aussagen – und zwar unter ihrem echten Namen.
Die geheime Identität des Regenbogens wird aber auch so schnell gelüftet, denn der Papa der Angeklagten erkennt sofort: „Das ist die Tochter vom Dachdecker Dieter!“ Klingt wie eine Figur aus dem Überraschungsei. So erklärt sich auch der Wunsch nach der Anonymität: Dachdecker Schumacher sollte nicht erfahren, dass seine Leibesfrucht bei der Gerichtsverhandlung ist, weil sie bei ihrem Vater eine Ausbildung macht und jetzt mit dem Vorwand eines Arztbesuches schwänzt. Pech, das Mädel muss auf den Stuhl.
Der Kristallregenbogen schleimt ebenfalls herum, was für eine tolle Freundin die Teardrop Cherry doch wäre (LECKT EUCH! ), und entlarvt sich gezwungenermaßen als die junge, adrett gekleidete Dame von vorhin, die den Briefumschlag angeschleppt hat – und auch den Manga zeichnete.
Midnight Moon sieht so aus, als würde er gleich heulen, während Barbara die Zeugin fragt, ob sie das gesehen hat, was sie da zeichnete. „Mit den Augen nicht, aber mit dem Herzen.“ Mit den Augen wiederum hat sie gesehen, wie der Fotograf und Jonas (also Midnight Moon) miteinander gepoppt haben. Das ist auch für Teardrop Cherry eine Überraschung. Tja, Manga ist Wahrheit und so, gell?
Celina mutmaßt, dass sich Jonas prostituiert hat, um das Geld fürs Café aufzutreiben, während Jonas selbst zu seiner Verteidigung nicht mehr vorbringen kann als „Schande über dich!“ und den Vorwurf, dass Celina nur das kosmische Band zwischen den beiden Liebenden zerstören will, damit Teardrop Cherry sie aus ihrem provinziellen Dachdeckerleben herausholt. Nein, ich verstehe die Logik auch nicht so recht.