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Wie schreibe ich divers? Wie schreibe ich gendergerecht?

Gender ist nicht biologisch, sondern anerzogen (und/oder gewählt).

Von vielen Menschen wird es kritisch betrachtet, dass Menschen dazu erzogen werden, möglichst in eine der beiden Kategorien hinein zu passen. Diese Erziehung ist so stark, dass geschlechtliche Identität vielen Menschen als natürlich gegeben vorkommt.

Was das angeht, ist Erziehung ziemlich nutzlos. Ob ein Kind jetzt lieber mit Autos als mit Puppen spielt, ob es lieber rauft oder eher Blumen pflückt, das hängt im Wesentlichen von den Hormonen ab, die es vor der Geburt abbekommen hat (später in der Pubertät gibt es noch einen Hormonschub, der auch einen Einfluss hat). Es ist nicht möglich, einem kleinen Mädchen, das lieber zum Hammer greift als zu Baby Born, anzuerziehen, dass es rosa Kleidchen zu mögen hat und gern eine Prinzessin werden will. Nicht nur, dass man es nicht versuchen sollte, es funktioniert schlichtweg nicht. Das kann für Eltern auch eine Entspannung sein: Anstatt sich den Kopf über das Märchen von der „Rosa-/Hellblau-Falle“ zu zerbrechen, kann man sich einfach zurücklehnen. Das wurde alles schon ausgewürfelt, bevor der Nachwuchs den Mutterleib verlassen hat. Wäre Genderidentität so schön leicht formbar, wie die Autoren es andeuten, gäbe es keine Probleme für Transgender-Personen, die könnte man dann nämlich einfach umerziehen. (Viele, die quasi mit Geschlechtsdysphorie zur Welt kommen, ändern ihre Genderidentität in der Pubertät und sind dann nicht mehr transgender, aber auch das ist kein Resultat von Erziehung oder Gesellschaft, sondern Resultat der hormonellen Umwälzungen in dieser Lebensphase.)

Geschlechtsverändernde Operationen an Kindern sind Gewalt.

Viele kritisieren, dass bei inter* Babys und Kindern häufig geschlechtsverändernde Eingriffe und Operationen vorgenommen werden. Dies ist ein massiver Eingriff in das Recht auf Unversehrtheit und geht meist mit einer geschlechtlichen Zwangszuweisung zu weiblich und männlich einher.

Probleme gibt es hauptsächlich bei genetisch männlichen Kindern, bei denen sich die Geschlechtsorgane aber nur teilweise männlich entwickelt haben und denen dann die Genitalien auf weiblich umoperiert wurden. Genau deswegen werden solche Operationen aber heutzutage nahezu gar nicht mehr an Babys und Kindern vorgenommen, wenn sie nicht medizinisch nötig sind. Sicher ist es ein Fehler, dass man so was früher gemacht hat. Aber zwei Dingen sollte man sich bewusst sein:

  1. Die allermeisten Intersexuellen fühlen sich sehr wohl einem der beiden Geschlechter zugehörig. Das ist auch nicht überraschend: Es gibt keine echten menschlichen Zwitter, bei denen männliche und weibliche Geschlechtsorgane zur gleichen Zeit funktionsfähig sind. (In ganz wenigen Einzelfällen soll es mal passiert sein, dass Leute zunächst Sperma produzieren konnten, was dann mit fortschreitender Entwicklung aufhörte und dann stattdessen die Eierstöcke funktionierten.)
  2. Intersex ist echt selten (in der Definition, dass das genetische Geschlecht nicht dem Phänotyp entspricht oder anhand der äußeren Geschlechtsmerkmale nicht eindeutig bestimmbar ist), das gibt es nur bei 0,018 Prozent der Geburten, wobei sich nur bei 0,01 Prozent tatsächlich theoretisch die Frage der Operationen stellt, weil der Rest auf Babys entfällt, in denen der Chromosomensatz zwar männlich ist, aber aufgrund einer vollständigen Androgen-Insensibilität keine äußeren männlichen Geschlechtsorgane ausgebildet werden. Die Kinder erscheinen also äußerlich komplett weiblich; dass sie Intersex sind, kommt fast immer erst zum Vorschein, wenn sie in der Pubertät untersucht werden, weil sie nicht menstruieren. Allerlei Mutationen, in denen es ein oder mehrere X- oder Y-Chromosomen zusätzlich gibt, sind dagegen fast nie Intersex, weil die Entwicklung der Geschlechtsorgane üblicherweise trotzdem normal geschieht.

Die allermeisten Leute, die groß annoncieren, keinem der beiden Geschlechter anzugehören, haben mit Intersex überhaupt nichts zu tun. Intersexuelle werden nur vorgeschoben.

Die Zuweisung von Geschlecht bei Geburt, ist eine Form von Zwang.

Viele Menschen kritisieren, dass in der Gesellschaft in der Regel Menschen bei Geburt (oder sogar davor) ein Geschlecht zugewiesen wird und dass dies ‚natürlich‘ sei und Menschen dann ein Leben lang dieses Geschlecht hätten.

Das ist eine beknackte Kritik. Geschlecht wird nicht zugewiesen, das biologische Geschlecht wird beobachtet und vermerkt, und das passiert in über 99,98 Prozent der Fälle auch zuverlässig. (Gender-Reveal-Partys für Babys tragen daher den falschen Namen – es wird schließlich das biologische Geschlecht enthüllt, mehr nicht. Allerdings wollte man wohl das böse Wort „Sex“ vermeiden.)

So zu tun, als wäre das total willkürlich und künstlich, ist bescheuert. Schließlich geht’s nicht um irgendwelchen gesellschaftlichen Ballast, sondern um die Gesundheit der Menschen. Wenn es Probleme bei den Hoden gibt, muss sich das ein Arzt ansehen, der Erfahrung mit männlichen Geschlechtsorganen hat; wenn es Probleme mit der Gebärmutter gibt, dann einer, der Erfahrung mit weiblichen Geschlechtsorganen hat. Das hat sich doch keiner ausgedacht, das ist eine Erfindung der Natur. (Es gibt biologisch auch nur zwei Geschlechter, da das Geschlecht davon abhängt, welche Keimzellen produziert werden bzw. wofür die Anlagen vorhanden sind: Kleine Keimzellen werden von Männchen produziert, große Keimzellen von Weibchen. Es gibt keine Keimzellen dazwischen, daher gibt es biologisch gesehen auch kein drittes Geschlecht. Standardmäßig fängt der Embryo erst einmal in jedem Fall als Weibchen an.)

Mensch sein, statt Gender sein.

Viele erleben die Idee, überhaupt über Geschlecht wahrgenommen zu werden, als eine gewaltvolle Zuschreibung. Viele Menschen wollen einfach nur als Menschen wahrgenommen werden – und nicht direkt mit einer sozial aufgeladenen Kategorie wie Frau oder Mann in Verbindung gebracht werden.

Und „Mensch“ ist keine sozial aufgeladene Kategorie? Vermutlich ist das sogar die sozial am meisten aufgeladene Kategorie – allerdings ist es für die meisten noch schlimmer, wenn man sie dieser Kategorie nicht zuordnet. Die Formulierung „gewaltvolle Zuschreibung“ ist auch eine herrliche Ausgeburt der Gier nach dem leckeren Opferstatus. Scheiß auf Schläge, Zwang und Schmerzen, nun ist es schon Gewalt, wenn man jemanden „Mann“ nennt, der wie ein Mann aussieht. Da fühlen sich Opfer von richtiger Gewalt sicher kein bisschen verarscht. Dass sich an der Wahrnehmung nichts ändern wird, nur weil man sich umständlicher ausdrückt, hatte ich ja schon angedeutet, aber ein anderer Faktor ist, ob die Leute, die sich wünschen, geschlechtslos wahrgenommen zu werden, tatsächlich damit so glücklich wären. Nach meiner Erfahrung sind gerade Frauen, die am lautesten brüllen, sie wollen nicht wie Frauen behandelt werden, auch diejenigen, die am lautesten krakeelen, wenn man sie wie Männer behandelt.

Damit ist also die Motivation für dieses Buch erklärt. Und alles ist im Prinzip total nutzlos, weil die Autoren in ihrem Genderkrieg-Tunnelblick eine grundsätzliche Sache ignorieren: Das grammatische Geschlecht (Genus) in Deutschen hat kaum was mit dem biologischen oder psychischen Geschlecht zu tun.

Der Tisch ist im Genus maskulin, aber weder gesellschaftlich noch biologisch männlich. (Das trifft sich gut, denn im Französischen ist „la table“ feminin und jeder Möbeltransport über die Grenze käme einer Geschlechtsumwandlung gleich.) Das Mädchen ist im Genus neutral, aber biologisch weiblich. Die Drohne hingegen ist eine männliche Biene, aber hat im Deutschen stets ein feminines Genus.

Das allererste Genus, das sprachlich entstanden ist, ist das Maskulinum. Es ist der Standard, weil es eben zuerst da war. Wenn ich aus dem Verb „malen“ das Substantiv „Maler“ mache, bedeutet das Suffix -er nicht, dass es ein Mann ist, der malt, sondern dass eine Person diese Tätigkeit ausführt. Diese Person kann ein Mann oder eine Frau sein. Möchte ich spezifizieren, dass es eine Frau ist, muss ich ein weiteres Suffix anfügen: Malerin. Das Suffix -in löscht keine Information, sondern fügt nur eine Information hinzu. Es gibt kein Suffix für die Umwandlung eines Verbs in ein Substantiv, das ausdrücklich sagt: „Diese Tätigkeit wird von einem Mann ausgeführt.“ So etwas muss sich aus dem Kontext ergeben. Männer sind sprachlich im Deutschen nicht privilegiert, sie werden schlicht mit allen anderen zusammengeworfen. Das generische Maskulinum ist so inklusiv und dabei so einfach, wie man es sich nicht besser wünschen kann. (Das ist wie bei Überraschungseiern: Es gibt die Ü-Eier für alle und dann zusätzlich die für Mädchen, aber keine Ü-Eier speziell für Jungen. Oder wie bei der BRAVO: Es gibt die BRAVO für alle und die BRAVO Girl!, aber keine spezielle BRAVO Boy.)

Aber wie sieht’s denn mit der Beeinflussung im Denken aus? Sorgt die deutsche Grammatik dafür, dass Leute sich unter „Ärzten“ und „Anwälten“ nur Männer vorstellen können und somit Frauen davon abhalten, diese Berufe zu ergreifen, da sie sich die einfach nur wegen des Wortes nicht zutrauen?

Sieht nicht so aus: Die meisten Absolventen der Medizin- und Jura-Studiengänge der deutschen Universitäten sind derzeit weiblich, und die Entwicklung begann schon vor dem Genderkrempel. Ich höre und lese relativ selten das Wort „Psychologinnen“ oder „Apothekerinnen“, aber an den deutschen Universitäten beträgt der Frauenanteil unter den Studenten in den Studienfächern Psychologie und Pharmazie um die 75 Prozent.

Dass die Assoziation zwischen Berufen und dem Geschlecht der sie ausübenden Personen so wesentlich vom Genus abhängen würde, ist auch eine gern geäußerte, aber ziemlich wackelige Behauptung. Im Englischen gibt es kein Substantivgenus, theoretisch müssten die Leute dort also keine besonderen Assoziationen zwischen einer genderneutralen Berufsbezeichnung und einem biologischen Geschlecht haben. Tun sie aber: Auch Engländer denken bei „nurse“ eher an Frauen als bei „engineer“. Die Assoziation wird nicht durch das Genus hergestellt, sondern durch die Lebenserfahrung: Wenn man in einem Beruf vornehmlich Frauen sieht, entwickeln sich (mit zeitlicher Verzögerung) die Assoziationen entsprechend.

Gut, offenbar ist der Einfluss des Genus also nicht so groß, dass er Frauen wirklich davon abhält, in bestimmte Berufe zu gehen. Aber behindert diese Eigenschaft des Deutschen nicht die Gleichberechtigung? Auch da zerfetzt die Realität die Theorie: Das Japanische, das Persische, das Türkische, das Hochchinesische und viele indische Sprachen kennen kein Genus (das ist keine vollständige Aufzählung; gut die Hälfte aller Sprachen hat kein Genus). Trotzdem sind Japan, Iran, Türkei, China und Indien viel patriarchalischer als Deutschland. Auf der anderen Seite sind die nordischen Länder ganz weit vorne und dicht beisammen in der Gleichberechtigung, obwohl das Finnische gar kein Genus kennt und die restlichen nordischen Sprachen je nach Variante keine Unterscheidung zwischen Maskulinum und Femininum machen oder die gleichen drei Genera wie das Deutsche kennen. Ganz offensichtlich ist der Effekt des Genus, wenn es ihn überhaupt geben sollte, so gering, dass er mit Leichtigkeit von anderen Einflüssen überstrahlt wird. Und trotzdem sollen den Menschen nun neue Sprachregelungen reingewürgt werden von Leuten, die schon als Schüler selber nie dran geglaubt haben, dass im Lehrerzimmer nur Männer sitzen würden.

Das Geschwurbel im Buch hat aber noch kein Ende:

Unsere Vision für Gleichberechtigung ist also: „So lange es Differenzen gibt, wird es keine Gleichberechtigung geben.“ Dies wird der feministischen Juristin Dorothy Kenyon als Aussage zugeschrieben.

Wenn die Frau das gesagt hat, ist sie dumm. Da wir nicht alle Klone mit einem kollektiven Bewusstsein sind, wird’s immer Differenzen geben.

Soziale Kategorien wie Gender oder Race gibt es nur, weil es Diskriminierungsstrukturen gibt wie Genderismus und Rassismus.

Und Hunde gibt es bloß, um Hundesteuer einzuziehen, und Straßen nur, weil man irgendwo die Schilder mit den Geschwindigkeitsbegrenzungen aufstellen möchte. Wie tief muss man mit dem Kopf im eigenen Hintern stecken, um so einen Blödsinn zu glauben?

Solange es also soziale Differenzen (wie Frauen, Männer und divers) gibt, wird es keine Gleichberechtigung von Menschen geben.

Gleichberechtigung hat das Wort „Recht“ drin (was das Wort auch inhaltlich wesentlich von „Gleichstellung“ abhebt). Idealerweise ist Justitia blind, es ist also gar nicht nötig, die vorhandenen Differenzen, die ja nun auch nicht ausgedacht sind, auszumerzen, um allen die gleichen Rechte zu gewähren. Und wer tatsächlich glaubt, dass sich Männer und Frauen nicht unterscheiden, hat eigentlich schon als Student an einer Uni nichts zu suchen, geschweige denn als Professor. Wenn man den ganzen Satz weiterdenkt, dürfte es auch keine Familien geben, weil man natürlich einen Unterschied zwischen den eigenen engen Verwandten und Wildfremden macht. Es dürfte nicht mal Liebe und Freundschaft geben.

Eine wichtige Bewegung Richtung Diskriminierungsfreiheit ist es deshalb für uns, diskriminierende Strukturen anzusprechen, statt Menschen zu gendern, zu rassifizieren, Menschen über Nationalität und Alter anzusprechen. Und nicht das alles zu einem pseudo-natürlichen Teil von Menschen zu machen.

Die Autoren sprechen gar keine diskriminierenden Strukturen an, die denken sich nur irgendeinen Blödsinn über die deutsche Sprache aus, ohne ihn irgendwie zu belegen, und tun dann so, als würden sie was voll Wichtiges tun. Und was sollen Geschlecht und Alter sein, wenn nicht natürlich?

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