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Wie schreibe ich divers? Wie schreibe ich gendergerecht?

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Im Leben mancher Menschen muss es eine erschreckende Erkenntnis sein: Man ist ein nutzloses Stück Fleisch. Und vielleicht reicht’s nicht mal zum Bumsklumpen oder schlechten Beispiel. Also muss man sich seinen Lebenssinn schaffen, am besten irgendwas, was einem sowohl Ansehen als auch das Gefühl verleiht, den Schwachen zu helfen. Da gibt es natürlich so einige Möglichkeiten: Man kann sich in Hilfsorganisationen engagieren, zur Feuerwehr oder dem THW gehen, sich von einer radioaktiven Spinne beißen lassen oder eine Premiummitgliedschaft auf Klopfers Web abschließen. Wer aber nicht aktiv helfen will, aber dafür anderen gründlich auf den Sack gehen möchte, der kann für das Gendern in der deutschen Sprache eintreten.

An einer der Unis, an denen ich studierte, gab es Erzählungen von einem besonders wunderlichen Lehrstuhlinhaber. Geboren als Antje Hornscheidt, war dieses Wesen bald seines Geschlechts überdrüssig und wählte einen neuen Vornamen, der keine Rückschlüsse auf das Geschlecht zulassen sollte. Gleichzeitig wurden von nun an sämtliche Mails der Studenten ignoriert, die schon in der Anrede ein Geschlecht unterstellen, also etwa mit „Liebe Frau Professorin Hornscheidt“ beginnen.

Schon seit Jahren macht Lann Hornscheidt mit immer seltsameren Vorschlägen zur Genderung der deutschen Sprache Schlagzeilen – gerüchteweise merkt sie, dass das aktuelle Gendern nichts bringt, aber anstatt den ganzen Quatsch mitsamt einem Großteil ihrer Lebensleistung verdient in die Tonne zu drücken, wird sie nur noch radikaler.

Am Anfang des Jahres veröffentlichten Lann Hornscheidt und irgendwer namens Ja’n Sammla einen Ratgeber mit dem Titel „Wie schreibe ich divers? Wie spreche ich gendergerecht?“, der vor Kurzem im Internet durch Fotos einer Tabelle mit Formulierungsvorschlägen viral ging. Interessanterweise war von vielen Genderbefürwortern die erste Reaktion: „Das ist doch ein Fake von Rechten, um die Genderbewegung zu diskreditieren!“ Einige waren aber auch schon in der nächsten Phase: „Das ist doch nur ein Vorschlag, es wird doch niemand gezwungen, das zu verwenden.“ Zweifellos werden noch die nächsten Phasen folgen: „Mit der Verwendung dieser Sprache zeigt man einfach, dass man ein Herz für seine Mitmenschen hat“ und schließlich „Wer nicht so schreibt, ist ein verdammter Kacknazi!“

Ich habe etwas von meinem Westgeld ausgegeben, um mir dieses Werk selbst einmal anzuschauen (und um festzustellen, ob das tatsächlich die Quelle dieser Fotos im Internet war). Das Lesen war allerdings sehr schmerzhaft, ungefähr 0,7 Stefóns auf der Rudelskala. Ich möchte euch jetzt gerne daran teilhaben lassen, damit ich das Geld wenigstens von der Steuer absetzen kann.

Das Buch besteht aus der Einleitung und sechs Teilen.

  1. Wie schreibe ich divers? Ein erster Überblick
  2. Strategien zum gendergerechten Formulieren im Detail
  3. Alltägliche Kommunikationssituationen gendergerecht gestalten
  4. Berufliche, öffentliche und Dienstleistungskommunikation gendergerecht gestalten
  5. Beispiele für umgeschriebene Texte: Sprachveränderungen konkret umgesetzt
  6. Zusammenfassung, Danke und Weiterlesen

Schon die Einleitung war allerdings genug, um mir genug Kopfschmerzen für zwei Leben zu bereiten.

Divers heißt: es gibt mehr als Frauen und Männer – divers ist neben 2018 neben weiblich und männlich ein offizieller dritter Geschlechtseintrag, neben der vierten Möglichkeit, den Geschlechtseintrag zu streichen.

Biologisch gibt’s trotzdem nur zwei, daran kann alle Juristerei nichts ändern.

Divers heißt auch: Menschen sind vielfältig und verschieden, nicht unter ein Label einpassbar. Bisher werden Menschen in weiblich und männlich eingeteilt: „Liebe Bürgerinnen und Bürger …“, „die zuständige Mitarbeiterin …“, „alle Mädchen und Jungs …“

Wenn man Label zu einengend empfindet, ist es natürlich die beste Strategie, ein neues Label zu erfinden und somit zu zementieren, dass alle, die mit den bisherigen Labels auskommen, recht homogen wären, logisch. :facepalm:

Alle Menschen, die sich nicht als männlich oder weiblich verstehen, werden mit diesen Ausdrucksweisen nicht angesprochen, kommen nicht vor, sind nicht mitgemeint.

Doch, sie sind mitgemeint. Niemand, der die bisherigen Formulierungen verwendet, hat die Intention, irgendwen damit auszuschließen. Es gibt nur Leute, die sich nicht mitgemeint fühlen wollen, weil sie so spezielle Schneeflocken sind, die unbedingt ihr eigenes Label ausdrücklich erwähnt haben möchten, um sich wichtig zu fühlen. (Ich fühle mich gerade erinnert an ein Twitterprofil, in dem sich jemand als nichtbinär mit den Pronomen sie/she und dem Vornamen Julia identifizierte, aber gleichzeitig angab, bisexuell zu sein. Vermutlich fallen ihr die Widersprüche gar nicht auf.)

Später in der Einleitung will man mit „Fakten und Hintergründen“ die Existenzberechtigung des Buches besser begründen. Man sollte allerdings nicht den Anspruch haben, dass die „Fakten“ irgendwas mit der Realität zu tun haben oder überhaupt der Versuch unternommen wird, sie irgendwie zu belegen.

Sprache ist dynamisch. Sprache zeigt immer auch, wie gesellschaftliche Vorstellungen sind.

Oh Mann, ich sehe schon, wohin das führt. „A ist wahr, B ist wahr, also knalle ich dir jetzt C bis F vor den Latz und erwarte, dass du das auch alles für wahr hältst.“

Wenn diese sich verändern, verändert sich auch Sprache und umgekehrt.

Nahezu jede Diktatur versucht, die Sprache zu beeinflussen, weil damit auch das Denken der Menschen geändert werden soll. Geht fast immer in die Hose, weil das nicht so simpel funktioniert.

Das kann für einige unbequem, anstrengend und schwierig sein. Für andere ist es befreiend, Horizonte erweiternd, Anwesenheiten schaffend und schlicht aufmerksam und respektvoll.

Wir sind in diesem Absatz noch nicht mal beim Gendern, aber schon wird ein Framing eingesetzt, das die Veränderung vornehmlich positiv besetzt, da sie lediglich für einige Menschen eine gewisse Komforteinschränkung bedeutet, aber nicht etwa, dass die sich wiederum diskriminiert oder zurückgesetzt fühlen könnten.

Es gibt mehr als nur Frauen und Männer. Viele Menschen fühlen sich nicht wohl damit, als weiblich oder männlich wahrgenommen zu werden.

Ich fühle mich nicht wohl damit, wie mich einige Menschen sehen (abseits vom Geschlecht). Aber damit muss ich auch klarkommen oder mich ändern. Die Sprache zu verbiegen, damit andere nicht mehr ausdrücken können, wie sie mich sehen, und dabei zu erwarten, dass sich ihre Wahrnehmung dann gleich mitändert, ist erstens sehr gewagt und zweitens eine Form der Gehirnwäsche, die ich gruselig finde.

Viele Menschen fühlen sich eingeengt durch diese beiden Geschlechterkategorien. Sie können sich nicht damit identifizieren, sie fühlen sich falsch wahrgenommen und nicht respektvoll behandelt, wenn sie als Frau oder Mann bezeichnet werden.

Und warum soll deren Problem meins werden? Das ist genauso absurd, als wenn sich jemand nicht als Ohrenbesitzer identifizieren kann, obwohl er keine Schwierigkeiten damit hat, Ohren zu besitzen. Wenn jemand zu viel in die Geschlechtskategorien reinliest und sich davon einengen lässt, ist das sein eigenes Problem, nicht das von anderen.

Die Autoren führen dann diverse „Kritikpunkte“ an, die sie mit ihrem Sprachaktivismus beheben wollen.

Es gibt mehr als Frauen und Männer

Viele Menschen erleben, dass Weiblichkeit und Männlichkeit ausschließende Einteilungen, Kategorien, Identitäten sind, in denen sie sich nicht wiederfinden. Die Idee, dass es nur Frauen und Männer gibt, nennt sich Zweigenderung. Die Vorstellung, dass es Frauen und Männer gibt und sonst nichts, dass Menschen einem dieser zwei Gender zwangszugeordnet werden, heißt Zwangszweigenderung.

Gender ist keine körperliche Tatsache.

Viele Menschen kritisieren die weitverbreitete Vorstellung, dass das Geschlecht an dem Körper einer Person bei der Geburt ablesbar sein soll.

Das Geschlecht ist bei fast allen Menschen bei der Geburt ablesbar. „Gender“ wiederum ist ein Mischmasch an mehr oder weniger gut definierten Teilen, die sich zwischen Genderidentität, Genderexpression (wie feminin/maskulin man wirkt) und (damit verbunden) Genderrollen/-klischees bewegen, wobei letztere eher kulturell definiert sind. Glücklicherweise sind wir in der tolerantesten Gesellschaft, die es jemals gab, weswegen letztere kein Grund mehr sind, sich eingeengt zu fühlen. Frauen können Kampfpiloten werden, Männer können Hebamme werden. Ich habe Gerüchte gehört, dass es hier in Deutschland sogar ein paar Gegenden geben soll, in denen Frauen inzwischen Hosen tragen dürfen. Kurze Haare bei Frauen und lange Haare bei Männern sind auch seit über 50 Jahren kein Tabu mehr.

Zudem war es noch nie so, dass irgendjemand hundertprozentig dem Genderklischee entsprach. Manch ein Biker häkelt beispielsweise gerne oder guckt Soaps, und so manche Friseuse boxt in ihrer Freizeit, um fit zu bleiben. Irgendwas findet sich immer, wir passen nie ganz in die Schablonen. Was Genderidentität angeht, passiert es manchmal, dass das eigene Bewusstsein, welches Geschlecht man offenbar ist (und was meistens mit dem Geburtsgeschlecht übereinstimmt, selbst bei vielen Transgender-Personen), nicht unbedingt dem entspricht, was man sein will. Das Bewusstsein für das eigene Geschlecht (die Kern-Genderidentität, die wohl nur ein Teil der gesamten Genderidentität ist) scheint sich aber sehr früh zu entwickeln, bevor man irgendwas weiß über gesellschaftliche Erwartungen, Einteilungen oder irgendwas. Es ist nichts Komplexes.

Vergleichen wir es mit der Hautfarbe. Jeder kriegt früh das Gefühl: „Okay, das ist meine Haut.“ Irgendwann lange Zeit später kriegt man mit, dass Leute mit anderen Hautfarben aufgrund kultureller Gegebenheiten andere Erfahrungen machen. Das muss man nicht gut finden und man kann sich sagen: „Hautfarben sind egal.“ Aber nichts ändert sich daran, dass man weiß, wie die eigene Haut ist. Man weiß allerdings auch nur das. Man hat keine Ahnung, wie das Gefühl anderer Leute ist (egal ob gleicher oder anderer Hautfarbe). Man weiß halt nur, es ist Haut.

Auf die gleiche Weise werden fast alle Leute, die sehr darüber nachdenken, zu dem Schluss kommen müssen, dass sie in ihrem Kern keine Ahnung haben, ob ihr inneres Geschlechtsgefühl so ist wie das ihrer Geschlechtsgenossen oder das derjenigen, deren Geschlecht man sein will. (Deswegen ist es umstritten, ob Genderidentität als besondere Eigenschaft überhaupt existiert oder ob sie einfach ein Teil des Gefühls für die eigenen Gliedmaßen oder Sinnesorgane ist.) Sich als irgendwas außerhalb der Geschlechter zu fühlen, ist daher also unsinnig – als würde man sagen, die eigene Haut hätte keine Farbe.

Gender ist nicht unveränderbar und konstant für das ganze Leben.

Viele Menschen verabschieden sich von der Vorstellung, dass sie in ihrem gesamten Leben in eine von zwei Gendergruppen hineinpassen müssen und sollen. Die Einteilung von Außen passiert unter anderem dadurch, dass Menschen aufgrund ihres Aussehens, ihres Namens und/oder ihrer Stimme kontinuierlich einer der beiden Gruppen immer wieder neu (zwangs-)zugeordnet werden.

Oh nein, Leute benutzen ihre Sinne, um die Umwelt wahrzunehmen und zu verarbeiten, wie furchtbar! Mich sprechen Leute am Telefon oft als Frau an, diese schreckliche Zwangszuordnung muss natürlich mit einem Komplettumbau der deutschen Sprache beantwortet werden.

Anderen aufzuzwingen, dass sie einen so zu sehen haben, wie man sich selber sieht, ist ziemlich gruselig und würde in den meisten Fällen selbst von Genderaktivisten abgelehnt werden. Wenn ausschlaggebend wäre, wie man sich selbst identifiziert, wäre Donald Trump noch US-Präsident und ich reich und umgeben von willigen Models, weil … na ja, seien wir ehrlich, ich hätte es verdient. In Wirklichkeit haben sogar unsere besten Freunde ein anderes Bild von uns als wir selbst, und ausnahmslos jeder wird danach behandelt, was andere in ihm sehen. Das Recht, als das gesehen zu werden, als das man sich selbst identifiziert, gibt es für niemanden.

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