Die Abenteuer des Stefón Rudel
Ich neige selten zu Superlativen, es sei denn, ich beschreibe mich selbst oder meine sexuellen Leistungen, weil ich selbst dann noch an der Grenze zur Bescheidenheit stehe. Selbst wenn ich etwas extrem negativ bewerte, braucht es schon eine gehörige Portion Grässlichkeit, bevor ich es als schlimmstes Produkt seiner Klasse in diesem Jahr bezeichne. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass ich in meinem Leben weit über tausend Bücher gelesen habe. In diesem Sinne möge der geneigte Leser folgende Einschätzung nicht für eine satirische Überzeichnung halten, sondern als ernsthafte Qualitätsangabe begreifen: „Die Abenteuer des Stefón Rudel“ ist das schlechteste Buch, was ich je gelesen habe, und ich bezweifle ernsthaft, dass ich in meinem Leben noch ein schlechteres zu Gesicht bekommen werde.
Dass es dieses Buch überhaupt im Handel gibt, verdankt man der Existenz von Dienstleistern, die für wenig (oder in diesem Fall gar kein) Geld für Layout, Druck und Vertrieb sorgen, ganz unabhängig von der Güte des Geschreibsels. Ich hoffe, dass meine Bücher als Beweis gelten können, dass dabei nicht immer nur Grütze herauskommt, aber „Die Abenteuer des Stefón Rudel“ tut alles, um die schlimmsten Befürchtungen gegenüber Selbstverlegern zu bestätigen.
Das fängt schon bei der Optik an. Die Schrift ist riesengroß, was jedem Käufer ziemlich sauer aufstoßen müsste, der über 22 Euro für ein 450-Seiten-Buch hingeblättert hat, obwohl 230 Seiten im Prinzip ausgereicht hätten. Das Irre: Die große Schrift ist noch ein Vorteil, denn Autor Stefan Knapp weiß offenbar nicht, was Kapitel oder auch nur Absätze sind. Das gesamte Buch ist ein durchgehender Text, nur ein paar Mal unterbrochen vom Wahlspruch des Protagonisten und einer Aufstellung des Ehrenkodex der Fremdenlegion. Ab Seite 93 hat der Autor immerhin entdeckt, dass man Texte auch im Blocksatz formatieren kann, was den Eindruck aber nicht retten kann. Dass die Seitenzahlen immer rechts unten stehen (auch wenn es sich um eine linke Seite handelt), fällt da gar nicht mehr ins Gewicht.
Der schon preisverdächtige Klappentext prahlt mit „mehr als 83000 Wörtern“. Grob geschätzt sind 50000 davon falsch geschrieben, der Rest wird verwendet, um die Grammatik zu vergeigen oder Stellen zu bieten, an denen falsche Kommas, Anführungszeichen oder Punkte gesetzt werden können. Wenn der Klappentext nicht ebenso wirr wie das Buch wäre, könnte man ihn schon als bösartige Täuschung bezeichnen, denn im Buch ist die Fehlerquote weitaus höher, als man sowieso schon nach der Lektüre der Inhaltsangabe erwarten würde. Ich werde im Laufe dieser Rezensionen die schlimmsten Entgleisungen zitieren, aber ansonsten versuchen, die korrekten Schreibungen zu verwenden, soweit ich sie ergründen kann. Wer sich selbst davon überzeugen möchte, wie wenig sich der Autor von den Konventionen unserer Schriftsprache einschränken ließ, sollte sich unbedingt die Leseprobe auf Amazon geben.
Kommen wir zum Inhalt: Kurz vor der Zerstörung ihres Heimatplaneten schicken die Eltern eines kleinen Kindes ihr Würmchen in einer Rettungskapsel in die Tiefen des Weltalls. Die Kapsel landet in den vereinigten Staaten, wo der Junge fortan aufwächst, den Namen Clark Kent trägt und als Superman Bösewichte zur Strecke bringt, Lois Lane schwängert und in Unterwäsche herumläuft. Das ist nicht die Story dieses Buches. Dieses Buch beginnt auf dem von Menschen besiedelten Mars, welcher von „einer bösartigen Großraum Centauri“ angegriffen wird, was immer das sein soll. Zum Glück haben die Eltern von Protagonist Stefan sich und ihren Fratz schon in das „Erdverteidigungskampfraumschiff 5“ gesetzt, welches den Mars evakuieren soll, aber dann dummerweise auch angegriffen wird. Eigentlich wollten sie ja ein ganz normales „Schattelraumschiff“ nehmen, aber dafür war die Kacke doch zu sehr am Dampfen. Der Dreijährige wird aus unerfindlichen Gründen allein in eine Rettungskapsel gesetzt und ins Vakuum des Alls geschossen. Und wenn er dort auch geblieben wäre, gäbe es dieses Buch nicht, was wieder einmal zeigt, dass Rettungssysteme nicht unbedingt positiv sein müssen. Jedenfalls landet er an der Westküste der Vereinigten Staaten und wird nach Washington D.C. (also mal eben auf die andere Seite des Landes) geflogen, und weil das „Erderteidigungskampfraumschiff 5“ (sic!) in der Nähe des Neumonds zerschossen wurde, kommt der Kleine in eine Pflegefamilie, die Kennedys. Wie man leicht erkennen kann, ist es das Jahr 1971.