We love Lloret
Seitdem man mit „Big Brother“ anfing, für das Fernsehen Vertreter des gemeinen Volkes zusammenzusperren und sie mit einer Kamera zu beobachten, war die Rechtfertigung „Wir wollen sehen, wie Menschen ungeschönt mit neuen, ungewohnten Situationen umgehen“ eine Metapher für „Wir hoffen, sie beim Ficken zu erwischen“. Im Laufe der Zeit optimierte man sowohl die Konzepte als auch das Casting der Kandidaten immer mehr, um dieses Ziel zu erreichen. Die ProSieben-Sendung „We love Lloret“ ist daher ein quasi unvermeidlicher Höhepunkt in diesem Bestreben, fremde koitale Freuden einem voyeuristischen Publikum unter dem Deckmantel des Reality-Fernsehens zu präsentieren. Das Konzept ist daher extrem simpel: Man schickt ein paar notgeile Partyhengste mit ein paar exhibitionistisch veranlagten Hoppelschnitten vom Pott in eine Villa im spanischen Urlaubsort Lloret de Mar und spendiert noch Taschengeld, damit die Damen und Herren sich auch den Alkohol leisten können, der die letzten Hemmungen auslöscht.
Wer die Sendung gesehen hat, der weiß, dass auch für passive Betrachter der Alkoholgenuss dringend anzuraten ist, wenn man nicht nach spätestens der Hälfte der ersten Folge komplett das Vertrauen in die Menschheit verlieren und die Nuklearmächte dieser Erde auf den Knien um Atomschläge auf den Ruhrpott betteln möchte. In diesem Sinne: Haltet den Wodka bereit!
Zunächst muss natürlich erst einmal die entsprechende Stimmung aufgebaut werden. Lloret de Mar liegt in Spanien und besteht im Wesentlichen aus Discos und Partysüchtigen aus aller Welt. Passt ja. Die Finca Fiesta, die zeitweilige Bleibe der Prolls, wird natürlich auch entsprechend vorgestellt und sorgt schon mal für das entsprechende Neidgefühl: Wer keine Blamage für Deutschland ist, kriegt von ProSieben keinen Aufenthalt in einer spanischen Luxusvilla mit allem Komfort spendiert. Die Welt ist so ungerecht.
Jetzt ist aber mal Zeit für den ersten Kandidaten. Jerôme ist 22 Jahre alt, Industriemechaniker, ist zu blöd, seine Mütze richtig aufzusetzen, und auch sonst ein Vollpfosten: „Ich bin Jerôme, und wie geht deine Hose auf?“, stellt er sich vor. Fängt ja gut an, noch keine zwei Minuten vergangen, und ich möchte jemandem schon eine klatschen. Zudem zeigt er bereits beim Wienern seines Autos, dass er ein eher lockeres Verhältnis zur Oberbekleidung hat. Er selbst scheint auch kein allzu großes Vertrauen in seine geistigen Fähigkeiten zu haben: Auf seiner rechten Brust prangt sein eigener Name, vermutlich, falls er ihn mal vergisst oder nicht mehr weiß, wie man ihn schreibt. Oh, und in die Muckibude geht er auch, weil Frauen drauf stehen. Der selbsternannte König von Duisburg marschiert also als Erster in die Villa ein, okkupiert schon mal ein Doppelbett und zischt die erste Hopfenkaltschale am Pool.
Gerade rechtzeitig, denn auch Kandidat 2 steht kurz davor, das Areal der künftigen Unzucht zu betreten. Er heißt Matthias, aber den Namen muss man sich nicht merken, denn der Spitzname des 22-jährigen Bauarbeiters ist „der Pole“. Auch der Pole geht regelmäßig ins Fitnessstudio, weil die Bräute so auf Muskeln stehen. Mehr Lebensinhalt als Fitness und Partys scheint er allerdings nicht zu haben. Also Schluss mit der Vorstellung, jetzt muss auch er eine Entdeckungstour durchs Haus machen, bis er am Pool auf Jerôme trifft. Natürlich müssen sie nach einer freundschaftlichen Begrüßung erst einmal metaphorisch die Dicke ihrer Eier vergleichen: „Ey, du bist keine Konkurrenz.“ „Ich bin besser!“
So viel Testosteron ist nicht auszuhalten, also muss endlich mal eine Frau präsentiert werden: Friseuse Laura alias Lory Glory. Lory Glory!? Wer sich so nennt, ist normalerweise entweder eine Transe oder nur in jedem siebten Überraschungsei.
Lory ist natürlich eine selbsternannte Styling-Queen. Ich hab ja weder von Mode noch von Innenarchitektur eine Ahnung, aber bei ihrem Homevideo dürfte es jedem schwerfallen, ihr in beiden Gebieten eine wie auch immer ausgeprägte Kompetenz zuzugestehen. Außerdem verstehe ich nicht, warum sie sich keinen Schuhschrank leisten kann, wenn sie schon zig Botten in ihrem Zimmer zu stehen hat. Immerhin hat sie ein Hobby: Sie liebt es, mit ihren Freundinnen zu feiern, mit ihnen über doofe Sachen zu lachen, zu quatschen und zu lästern. Tststs, lästern tut man doch nicht. *hust*
Lory schafft es wider Erwarten, trotz ihrer mörderischen Absätze den Abhang zum Hauseingang zu bewältigen. Gut, vermutlich hätte sie sich sonst die Knöchel so gebrochen, dass man wie bei Pferden nur noch einen Gnadenschuss hätte setzen können. Jedenfalls steht sie dann auf dem Balkon und erblickt die beiden Hodenträger, die die holde Maid mit einer unterirdischen Interpretation von Rex Gildos „Fiesta Mexicana“ begrüßen. Sie ist allerdings total begeistert von den Prolls: „War halt n schönes Gefühl, auf so netten Leuten zu stoßen.“ Ja, was mit Stoßen haben die Kerle auch im Sinn, schätze ich mal. Weil Lory kein Bier trinkt, gießen die Kavaliere ihr und auch sich selbst ein paar Becher Puffbrause ein. Und das Getränk lockert bei Jerôme die Zunge: „Sei froh und munter, holt der Jerôme sich einen runter!“ Mit jedem Wort aus seinem Mund sinkt meine Einschätzung seines Intelligenzquotienten, das muss man auch erst einmal nachmachen. Lory meint, dass er so ein kleiner Checker wäre. Ich sollte mir ein neues Englisch-Wörterbuch beschaffen, in meinem steht bei „Checker“ jedenfalls weder „Knalltüte“ noch „Vollhonk“.
Na kommt, wen haben wir jetzt, um das Niveau wenigstens wieder ein bisschen zu erhöhen?
Maikiboy. Jetzt mal ganz ehrlich: Wer auch nur irgendwie zu einer Form neuronaler Aktivität im Kopf fähig ist, der versucht zu vermeiden, Maikiboy genannt zu werden, erst recht als Erwachsener. Und der Typ nennt sich selbst so. Wenn ich den kennen würde, und irgendwer würde mich fragen: „Ey, was ist denn der Maik für ein Mensch?“, dann bräuchte ich bloß zu antworten: „Er nennt sich Maikiboy“, und damit wäre alles gesagt, was man über ihn und seinen Geisteszustand wissen muss. Gut, war sicher von Vorteil für den Sender, als man ihn für die Show angeworben hat, aber im Prinzip fragt man sich, ob der Kerl wenigstens hinter der Kamera einen entsprechend ausgebildeten Betreuer hat. Und dann tanzt der Kerl auch noch mit einem Ghettoblaster auf der Schulter an, was ungefähr zur gleichen Zeit aus der Mode kam, als dieser Mensch aus seiner Mama gezogen wurde. Immerhin Lory findet ihn gut: „Der Maikiboy, der ist n ganz Süßen.“
Dafür soll es jetzt mit der nächsten Kandidatin heiß werden. Die blonde Leo(nie) ist Büroaushilfe, also offenbar so etwas wie diese Plastikständer, in die man Büroklammern und Bleistifte hineintut. Nach eigener Aussage verschlingt sie die Männer zum Frühstück, allerdings ist das wohl eher eine sexuelle Metapher und nicht auf eine arachnide Art zu verstehen. Endlich sieht man jedenfalls mal nackte Titten, denn Leo geht nur oben ohne auf die Sonnenbank. Und reiten tut sie gerne, was ihrer Meinung nach durchaus Vorteile beim Sex hat, weil der Rhythmus ganz ähnlich wäre. Gut, mit einem Trabi über eine unsanierte ostdeutsche Autobahn (aka „die längste Treppe der Welt“) zu fahren, erzeugt einen ähnlichen Rhythmus, aber aus unerfindlichen Gründen wurde die Erotik dieser Aktivität bisher noch nie näher erforscht.
Leo gesellt sich jedenfalls recht schnell zu den anderen am Pool und stößt an. Wenn die bei jedem Neuankömmling so ein Fass aufmachen, ist der Jerôme schon hackevoll, bevor er alle begrüßt hat. Egal: Leo fordert alle heraus, doch in den Pool zu springen. Von den Jungs traut sich allerdings nur Jerôme, sich bis auf die Badehose auszupellen und ins kühle Nass zu tauchen, gefolgt von den beiden Mädels – die allerdings in voller Kleidung. Macht nix, die sieht man sicher noch in knapperen Outfits.