Schwiegertochter gesucht - Staffel 5 Episode 1
Was im Römischen Reich die Arena war, ist heute das Fernsehen. Damals wie heute werden Leute vorgeführt, gequält zum Vergnügen der Masse, welches sich in wohliger Sicherheit suhlen kann, weil es ihr besser geht als dem armen Teufel, auf den alle Augen gerichtet sind und der kaum ohne Schaden aus dem Spektakel herauskommen wird. Eine beliebte Nummer in der Fernseharena suggeriert geistig nicht ganz überragenden Kandidaten, man würde ihnen helfen, endlich den Partner fürs Leben zu finden. So gibt es eigens Sendungen für Landwirte und Dicke, die ihnen helfen sollen, endlich mal (wieder) einen wegzustecken, womöglich sogar regelmäßig. Eine weitere Sendung bedient nämlich ein anderes Klientel. „Schwiegertochter gesucht“ kümmert sich um Männer, die eine starke Bindung an ihre Mutter haben.
Ja, da ist schon der erste Kunstgriff, um dem Zuschauer zu ermöglichen, sich dem Menschen auf der Mattscheibe überlegen zu fühlen. Das Klischee des Muttersöhnchens ist erfüllt von allerlei bizarren Vorstellungen über die Unselbstständigkeit der so Kategorisierten; ob diese tatsächlich stimmen oder nicht, ist dabei nebensächlich. Auf diesem Fundament werden all die anderen Makel der Kandidaten ausgebreitet und ergeben so ein Gesamtbild, welches im Zusammenspiel mit den (natürlich zum großen Teil inszenierten) Begebenheiten in der Serie den Eindruck vermittelt, dass es sich bei den Teilnehmern um Leute handele, die gerade so an einer Einweisung in ein Heim für geistig Behinderte vorbeigeschrammt sind. Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen verdient diese Sendung eine Lästerei. Möge diese Abhandlung über die erste Folge der fünften Staffel anderen zur Warnung dienen.
Vera Int-Veen, die vor Urzeiten schon als Daily-Talk-Moderatorin bei Sat.1 ihre Trashfernsehkompetenz schulte, läuft durch einen Garten, wedelt mit den Händen und erzählt heuchelnd, dass sie mal wieder die schöne Aufgabe hat, ein paar einsamen Herzen zur Liebe des Lebens zu verhelfen. Zu diesem Zweck hatte man ein halbes Jahr früher schon einen Aufruf gestartet, bei dem man die Männer präsentierte, damit sich willige oder verzweifelte Frauen melden und bei der Sendung mitmachen wollen. Und es hätten sich ja auch sooo viele gemeldet, sagt Vera. Aber zunächst möchte man die Junggesellen noch einmal vorstellen.
Der erste Junggeselle in dieser Folge ist Markus, Feuerwehrmann aus Westfalen. Markus möchte gerne eine Gefährtin haben, „wo mit der ich was unternehmen könnte, weil zu zweit ist immer das Leben besser als wie alleine“. Die Einsamkeit vertreibt sich der eloquente Single beim Kartenspielen mit seiner Mutter. Und natürlich muss das auch gezeigt werden, und Mutti Sigrid muss währenddessen auf Anweisung des RTL-Teams davon reden, wie schön das wäre, wenn ihr Sohn eine Freundin hätte, die mitspielen könnte. (Nein, ehrlich. Man merkt andauernd, dass immer wieder Szenen kommen, in denen die Protagonisten etwas sagen, weil sie das aus dramaturgischen Gründen tun müssen, nicht weil ihnen das tatsächlich auf der Zunge liegen würde.)
Im Einzelinterview erläutert Mama Sigrid auch ihre Motivation, bei dem Schwachsinn mitzumachen. Der Markus wird langsam alt und ranzig, deswegen muss er mal hinmachen, damit er überhaupt noch eine abkriegt. Gut, sie sagt das schöner, aber der Sinn ist getroffen.
Zeit für den nächsten Hengst: der „schüchterne Minigolf-Spieler Marco“. Regel 1 aus dem Schwiegertochter-gesucht-Moderatorenhandbuch: Jedes beschreibende Substantiv muss mit einem Adjektiv vermählt werden, egal ob es passt oder nicht. Aber momentan scheint es noch zu passen. So wie Marco durch den Forst schreitet, glaubt man ihm, dass er schüchtern ist. Marco möchte gerne eine Frau, mit der er zwei Kinder in die Welt setzen kann. Beim Fernsehbingo fragt seine Mama Ingrid dann auch unverblümt, wie seine Traumfrau sein müsste. Aussehen ist zweitrangig, aber sie soll unternehmungslustig sein und verdammt noch mal akzeptieren, dass er Minigolf spielt. Hat Minigolf so ein Akzeptanzproblem? Gibt es irgendwo Frauen, die entsetzt ihren Typen angucken und empört keuchen: „Minigolf!? Also wenn du in den Puff gehen würdest, könnte ich das verstehen, aber Minigolf!? Wir sind geschiedene Leute, du… du Schwein!“
Als nächstes ist Christian im bezaubernden Berlin dran. *seufz* Ja, ich weiß, und ich war es trotzdem nicht. Christian ist 27 Jahre alt, seine Frisur hat offenbar schon 30 Jahre Vorsprung, und außerdem ist er noch Altenpfleger. Sein großes Hobby ist sein Leierkasten, mit dem er nebst Plüschaffen gerne mal durch Berlin zieht und fremde Frauen zum Heulen bringt, indem er darauf spielt und nebenbei singt.
Christian hat aber auch schon eine eigene Wohnung, allerdings kommt seine Mama Marlies oft vorbei und kocht ihm Königsberger Klopse. Und gemeinsam stoßen sie mit Apfelschorle und Selters darauf an, dass sie was zu essen haben. Wow. Apfelschorle und Selters, die beiden sind ja echt harte Säue. Immerhin will die Mutti den Sekt rausholen, sobald ihr Christian endlich jemanden zum Liebhaben gefunden hat, weil sie sich dann freut, ihn nicht mehr an der Backe zu haben. (Sie sagt, dass sie froh ist, dass sie ihn in gute Hände abgeben kann, aber das kommt doch so in etwa hin, nicht wahr?)
Genug der Vorstellungen, in der ersten Folge kommen schließlich noch nicht alle Männer ran. Jetzt ist Vera mit „viel Post“ in einem kleinen Körbchen auf dem Weg zu Handelsfachpacker Marco. Freudig begrüßt er sie, weil er es kaum erwarten kann, die ganzen heißen Hühnchen zu bewerten, die sich ihm willig zu Füßen werfen wollen. Zunächst ist aber noch etwas Smalltalk an der Reihe, und Marco betont noch einmal, dass seine Freundin unbedingt sein Hobby Minigolf akzeptieren sollte. (Sagt mal, ist Minigolf nur ein Codewort? Könnte das ein Euphemismus für Heroinsucht oder aktive FDP-Mitgliedschaft sein?) Außerdem muss Marco gestehen, dass er sich sehr um sein Äußeres kümmert, insbesondere um seine Haare. Und ich muss zugeben, die Frisur hat er bestimmt seit den 80er Jahren gut gepflegt, als sie noch modern war. (Ich kümmere mich ja gar nicht um meine Haare und sehe fast immer wie ein Triebtäter aus, also darf ich selbst ruhig sticheln.)
Endlich geht’s ans Auspacken der Handvoll Briefe in dem Körbchen. Eine Übersicht über alle Kandidatinnen gibt es nicht, aber man kriegt einen kleinen Einblick in die Lebenswelt der beiden Frauen, die ausgewählt werden. Die Sabrina hat zum Beispiel „Hunde, Dackel, Dalmatiner, Meerschweinchen und Ponys“. Hunde UND Dackel UND Dalmatiner, wow. Die zweite Frau heißt Nicole, ist ebenfalls Handelsfachpacker und will auch eine Familie gründen. Das passt doch wie der Arsch aufn Eimer! Prompt steht fest: Die beiden sollen für eine Woche zu Besuch kommen.
Post gibt es auch für den „fröhlichen Feuerwehrmann“ Markus, aber diesmal bequemt sich Vera nicht selbst zu Mama und Sohn. Deswegen sitzen die allein am Gartentisch und gehen die spärliche Post durch; mehr als vier Briefe scheinen es nicht zu sein. Markus nimmt dann auch einen Brief in die Hand und versucht ihn vorzulesen. Und ich möchte nicht gehässig sein, aber spätestens ab der 5. Klasse sollte das flüssiger klappen als hier. Mama Sigrid guckt dabei auch so, als würde sie sich schämen oder zumindest übermäßigen Alkoholkonsum in der Schwangerschaft bereuen. Nicht dass es sich bei den Briefen um literarische Meisterwerke handeln würde: „Habe mittellange blonde Haare und blauäugige Augen.“ Eine andere Kandidatin fällt dagegen durch, weil sie ihm offenbar zu fett ist, wie sein „Auf keinen Fall!“ nach dem Blick auf ihr Foto vermuten lässt.
Den nächsten Brief nimmt Sigrid ihrem Sohn aber aus der Hand, weil sie vermutlich seine Vorlesekünste nicht ertragen kann. Aber der Apfel fällt nicht weit vom Pferd, und so ist auch ihre Leseleistung eher eine Beleidigung der Rezitationskunst. Immerhin findet dieser Brief Gefallen, und die Schreiberin Claudia wird (neben der Bianca mit den blauäugigen Augen) ausgewählt, eine Woche beim Feuerwehrmann verbringen zu müssen.
Bei Marco ist es indes soweit: Schnell noch ein frisches Jeanshemd angezogen und die Matte mit Haarspray und Bürste gebändigt, und fertig ist das Verführeroutfit des Minigolfers. Fehlt nur noch eine letzte Inspektion des Schlafzimmers für die Damen. Mutter und Sohn schreiten also durch den Flur, und RTL legt das Addams-Family-Titellied unter diese Aufnahmen, wofür zweifellos noch irgendwer mal in der Hölle schmoren sollte. Mama Ingrid ist aber nicht zufrieden und verdonnert ihre Leibesfrucht zum Polieren des Spiegels am Kleiderschrank. Folgsam fragt ihr Sohn anschließend, ob er ihr beim Decken des Kaffeetisches helfen soll. „Natürlich sollst du!“, kommt es giftig aus ihrem Mund, ein leichtes Omen, wenn ich mal (in Kenntnis der gesamten Staffel) anmerken darf.
Auch bei Markus macht man sich für den Besuch bereit und stellt die Gartenmöbel auf. Zum Schlemmen gibt es kleine Hackbällchen aus dem Kühlregal und einen Salat, als romantisches Geschenk gibt es kleine Teufel. Feuerwehrteufel angeblich, aber was diese mit der Feuerwehr zu tun haben, bleibt schleierhaft. Aber vielleicht sind Kirschen für die RTL-Redaktion ja auch Feuerwehrkirschen, weil sie rot sind. Mama Sigrid ist auch etwas skeptisch: „Bist du sicher, dass das passt? Mit ‚LOVE‘?“ Aber ihr Sohn hat natürlich eine passende Begründung parat: „Es passt oder es passt nicht. Feuerwehrteufel halt.“ Aha. Danke, jetzt sind wir alle schlauer. Gut, nicht wirklich, aber ich fürchte, ein weiterer Erklärungsversuch wäre verschwendete Lebenszeit.
Markus macht sich jetzt mit einer etwas vertrockneten Rose in der Hand auf den Weg zum Bahnhof, um Claudia abzuholen. Die Begrüßung ist freundlich, aber distanziert, und Claudia hat natürlich später was zu meckern: Markus, dieser unsensible Typ, hat nicht mal ihren Koffer gezogen. Übrigens merkt man hier schon etwas, was einem spätestens nach zehn Minuten tierisch auf den Zeiger geht: Claudia spricht mit angezogener Handbremse. Würde sie normal schnell reden, hätte man die ganze Staffel vermutlich um zwei Folgen verkürzen können.
Ansonsten ist sie aber voll intellektuell, glaub ich. Denn nach der Begrüßung durch die Mama stellt sie die große Frage: „Was hast du dir dabei gedacht, diese Feuerteufel hinzustellen? Was war die Idee?“ Vermutlich ist ihr die Antwort „Ich dachte, es wäre nett“ zu simpel. Oder zu hoch, man weiß es nicht. Markus begründet seine Auswahl allerdings damit, dass er in der Freiwilligen Feuerwehr ist. Jetzt ist aber mal Mama Sigrid dran mit Fragen: Hatte Claudia schon mal eine Beziehung? Und erstaunlicherweise ist die letzte Beziehung gar nicht mal so lange her, dauerte aber auch nur ein halbes Jahr, also bei ihrem Sprechtempo etwa drei Sätze lang. Auch Markus‘ Liebesleben kommt zur Sprache. Offenbar war seine letzte Freundin nicht treu. Und ehrlich auch nicht. Bevor man sich aber weiter in den seelischen Wunden von Markus suhlen kann, muss er auch schon wieder los, Bianca abholen. Ihr wisst schon, die mit den blauäugigen Augen.