10 Jahre Klopfers Web
Man sagt, in der Computerszene vergingen für ein Jahr drei. Wenn das stimmt, sollte ich wohl den 30. Jahrestag von Klopfers Web feiern. Allerdings würde es dann so klingen, als wäre die Seite älter als ich, und das wäre wohl etwas zuviel des Guten. Ich habe eine Weile überlegt, ob ich den 15. September 2009 tatsächlich als zehnten Jahrestag bezeichnen soll, denn die Seite bekam den Namen erst 2002. Außerdem nahm man erst 2004 richtig Notiz von ihr. Trotzdem: Ihren Anfang nahm die Seite im September 1999 und wurde seitdem kontinuierlich zu dem erweitert, was heute als Klopfers Web bekannt ist. Damit ist die Seite älter als mein Liebesleben, allerdings auch deutlich älter als Youtube, Facebook, MySpace und StudiVz, die ihre Gründer inzwischen im Geld schwimmen lassen. Deswegen gehe ich jetzt ein bisschen weinen, bevor ich den nächsten Absatz schreibe.
Der Beginn der Seite, die ich zunächst in einem Anfall überschäumender Kreativität die „Christian-Schmidt-Homepage“ nannte, war wenig aufregend. Ich habe sie damals erstellt, weil es einen ganzen Megabyte Speicherplatz zu meinem Internettarif dazu gab und ich das zwecks Bekämpfung meiner Langeweile ausnutzen wollte. Der Tarif betrug, soweit ich mich erinnerte, übrigens 4,5 Pfennig pro Minute (plus Telefongebühren) und war von Metronet. Metronet war der Versuch des Mutterkonzerns von Saturn und Media Markt, einen Internetprovider aufzuziehen. Man wählte sich damals noch mit Modem ein, und Metronet war nicht unbedingt der zuverlässigste Anbieter – nicht selten meldete sich schlicht das Besetztzeichen. Später benannte man sich in Primus-Online um und wurde schließlich zu Debitel.net. Die Tarife blieben erhalten, und so auch mein Anspruch auf den opulenten Megabyte Webspace. (Den Begriff „Webspace“ verwendete man damals allerdings lieber nicht, da ein gewisser Anwalt zu der Zeit haufenweise Abmahnungen verschickte, weil irgendeine Betrügerfirma sich das Wort als Markenzeichen schützen ließ.)
Der Browserkrieg zwischen Netscape und Microsoft war zu der Zeit auch gerade im Gange, und der Freigiebigkeit der Browserhersteller verdankt auch diese Seite ihre Geburt. Beide Softwarefirmen legten ihren Gratisbrowsern nämlich auch noch leicht zu bedienende Editoren bei. Deswegen spielte ich mit Frontpage Express (dem MS-Editor) herum und bastelte die erste Version der Webseite zusammen. Der Code war nicht hübsch, aber von HTML hatte ich so gut wie gar keinen Schimmer. Einen Teil davon tippte mein Bruder Michael ein, weil Frontpage auch nicht alles konnte. (Eigentlich konnte es fast alles nicht.) Ganz clever war das Hintergrundbild: Ich hatte dafür ein leeres Blatt Papier eingescannt und das Papiermuster benutzt. Inhaltlich war die Seite (wie damals für private Seiten üblich) eine einzige Selbstdarstellung. Die Freiheit dieser Anfangszeit war allerdings schön. Auf einer Seite hatte ich diverse Zeichnungen mit durchaus pornografischen Inhalten, die ich lustig fand und selbst im Netz gefunden hatte. Hat keine Sau interessiert, der Jugendschutz hatte sich noch nicht ins Internet vorgewagt, da war die Jugend unter sich.
Schon kurz nach dem Hochladen der Webseite hatte ich keine Lust mehr auf die tollen Editoren der Browserhersteller und machte mich selbst mit HTML vertraut. Die HTML-Bücher der Zeit waren geradezu rührend besorgt um die Modemnutzer, da der Download eines Megabytes gerne mal zwanzig Minuten dauern konnte. So gab es nicht nur die üblichen Ermahnungen, immer das korrekte Bildformat zu benutzen und die Bilder schon so klein abzuspeichern, wie sie später auch angezeigt werden sollen, sondern gar den Hinweis, man möge bitte soviel wie möglich klein schreiben, da die Packverfahren in den Modems darauf optimiert wären, Reihen von Kleinbuchstaben zusammenzufassen.
Schließlich diente die Seite mehr oder weniger als Spielwiese für Experimente. Mal baute ich ein bisschen Javascript ein (eine Laufschrift, aber nicht diese damals wahnsinnig beliebten Wörter, die dem Mauszeiger folgten), mal veränderte ich behutsam das Layout… Inhaltlich lebte ich mich mit neuen Einleitungstexten und einem kleinen trotzigen Zeichenkurs aus, den ich eigentlich nur verfasste, weil ich von denen genervt war, die selbst Zeichenkurse auf ihren Seiten anboten, obwohl ihre Zeichnungen wie mundgemalt aussahen und keinerlei Ahnung von Perspektive oder Proportionen offenbarten.
Die Besucherzahlen schwankten so zwischen 20 Besuchern am Tag und 10 Besuchern in der Woche, und so verspürte ich keine rechte Verpflichtung, mich wirklich darum zu kümmern, zumal ich mit meiner Manga-/Animeseite gut beschäftigt war. Es gab einen Wechsel der Privatseite (und meines Zugangsproviders) von Debitel zu Freenet, und ab und zu veröffentlichte ich seit 2001 kleine Kolumnen als logische Weiterentwicklung zu den Einleitungstexten, die ich bis dahin zu jedem Update schrieb und in denen ich im Wesentlichen über Dinge motzte, die ich scheiße fand. Das läuft heute immer noch so, obwohl die Kolumnen nicht mehr ganz so klein sind.
Ich werde oft gefragt, wie ich die Ideen zu den Kolumnen bekomme. Ganz einfach: Etwas ärgert mich – ich schreib dann darüber. Es ist eine gute Methode, ein bisschen Dampf abzulassen. Das Schreiben ist heutzutage allerdings komplizierter. Früher habe ich eine Kolumne noch an einem Abend heruntergeschrieben, heute vergehen zwischen dem ersten Tastendruck und dem letzten Punkt gerne mal einige Wochen, in denen der Text dann gewalkt und geschändet wird, um seine Eignung für die Seite zu verbessern. Ich greife aber vor – noch lag die Seite in einem Dornröschenschlaf.
Inzwischen hatte ich mir mit meinem Spitznamen Klopfer, der eigentlich schon aus Schulzeiten stammte und komplett nichtvirtuelle Wurzeln hat, eine kleine Reputation im Internet aufgebaut – ich schrieb unter dem Namen in Foren, baute auch eigene Foren damit auf und fand unter diesem Namen liebe neue Freunde; nur auf meiner kleinen Privatseite merkte man nichts davon. Die Seite gefiel mir im September 2002 optisch auch nicht mehr, also baute ich sie spontan um und nannte sie „Klopfers Web“, komplett mit einem kleinen Klopferhasen (noch original von Disney) in der oberen linken Ecke. Auch das war noch kein wirklicher Weckruf für die Seite – der kam schließlich weit über ein Jahr später aus einer ganz unerwarteten Ecke. Im nächsten Jahr startete ich noch ein Blog, aber bei Freenet gab’s nur vorgegebene Designs, und ich kriege immer noch das Grausen, wenn ich an die Sonnenblumen denke, die mein Online-Tagebuch zierten. Ich verlor dann aber auch zwischendurch wieder schnell das Interesse daran, alle an meinem Alltag teilhaben zu lassen.
Ich weiß bis heute nicht genau, wem ich den plötzlichen Ruhm der „Leute mit Durchblick“ zu verdanken habe. Ein Chat war vermutlich beteiligt, außerdem irgendwie auch die Webseite der Computerspielezeitschrift GameStar. Ich saß Ende Mai 2004 im Land der aufgehenden Sonne und genoss meinen Urlaub mit meiner Freundin. Die Fragen und Antworten von „Leute mit Durchblick“ lungerten in meinem Mangaforum herum, wo sie seit Jahren für die wenigen Eingeweihten ein bisschen harmlosen Spaß bedeuteten. Und plötzlich brach eine wilde Meute über sie herein, die sie lesen wollte. Eine Freundin, die auf das Forum aufpasste, musste es schließlich für Gäste schließen, um mich vor dem Ruin zu bewahren. (Der Datenverkehr, der durch diesen Ansturm hervorgerufen wurde, war weit über dem Inklusivtarif und musste extra bezahlt werden.)
Ich bekam das eher zufällig mit, als ich im Tokioter Rathaus einen Internet-PC der Touristeninformation kurz missbrauchen wollte, um einen kleinen Gruß an meine Freunde im Forum loszuwerden und mich plötzlich schon anmelden musste, um es nur betreten zu können. Quasi sofort nach meiner Rückkehr stellte ich die „Leute mit Durchblick“ auf Klopfers Web, da die Seite anders als Animestreet auf kostenlosem Webspace platziert war und mir das Datenaufkommen vollkommen latte sein konnte. Das Aufwecken aus dem Dornröschenschlaf? Das war es. Plötzlich bekam die Seite jede Menge Besucher, und es lasen sogar einige Leute den Kram, der da sonst lagerte – insbesondere meine Kolumnen, die zwar bis heute nicht gerade der beliebteste Teil der Seite sind, aber es schmeichelte meinem Ego. (Bei den „Leuten mit Durchblick“ schreibe ich schließlich nur die Antworten.)
Schon kurze Zeit danach gab es den Besucherrekord, der bis heute nicht gebrochen wurde: Das bekannte Raubkopierportal „Bockwurst“ linkte auf die LmD-Antworten, und der nicht sehr robuste Besucherzähler verzeichnete (trotz gelegentlicher Ausfälle bei dem Ansturm) ganze 80000 Besucher an einem Tag. Also falls ihr mal die Chance habt, von bekannten Raubkopierern beworben zu werden… (Instabile Besucherzähler waren übrigens lange Zeit sowohl für Klopfers Web als auch für Animestreet ein Fluch; schließlich programmierte ich selbst einen, der seitdem auf beiden Seiten gute Dienste leistet.)
Mit dem neu erwachten Interesse an der Seite spendierte ich ihr auch ein neues Design, einerseits leicht angelehnt an Star Trek (allerdings blau auf weißem Hintergrund statt gelb auf schwarz), andererseits mit einem anderen Klopferhasen (immer noch von Disney) und dem Motto „Denn Hasen dürfen das…“ – frei nach einem Spruch einer lieben Redakteurin beim Verlag Egmont Manga & Anime, der seit 2002 für die Bezahlung so einiger meiner Brötchen sorgte. Außerdem schlug die Stunde des „Totenklopfers“ – ein so einfaches Logo, dass selbst ich es in Adobe Illustrator zusammenbasteln konnte, und noch wichtiger: Es verletzt keine Markenrechte und ist demnach hervorragend für Werbung und Merchandise geeignet.
Freenet selbst war allerdings vermutlich nicht so ganz begeistert vom Ansturm auf Klopfers Web, denn der Server schwächelte oft, nicht nur zu den mehr oder weniger regelmäßigen Updates. Auf die wurde inzwischen sogar per Newsletter hingewiesen – und ich bekam dann Mails von Leuten, die sich zu unrecht zu den Empfängern gezählt fühlten. Leider kam ich erst relativ spät darauf, den Fanmail-Bereich einzurichten, und somit sind viele der schönsten Morddrohungen unwiederbringlich verloren.
Mit dem Gedanken, der Seite endlich eine (oder mehrere) richtige de-Domains zu spendieren, spielte ich schon seit geraumer Zeit. Die endgültige Entscheidung drängte mir Freenet allerdings selbst auf. Im April 2005 war Klopfers Web einfach weg. Der Server war nicht etwa nicht erreichbar, die Seite wurde einfach als nicht existent angezeigt. Auch als ich beim Einloggen nachschaute, war das Verzeichnis komplett leer. Das war der Tropfen, der dem Fass die Krone ins Gesicht schlug. Ich bestellte Speicherplatz, ein paar Domains – und meine Freundin Lenka und ich knüppelten innerhalb von wenigen Stunden ein ganz neues Design zusammen (diesmal eher schwarz-weiß gehalten mit einem Funken rot), mit einem ganz neuen Klopfer, der diesmal nicht von Disney stammte, sondern von Lenka. Einige Zeit später machte ich auch ein neues Blog auf.
Einiges hält ewig (wie zum Beispiel fast das Design), anderes nicht. Meine Beziehung zerbrach, Klopfers Web aber entwickelte sich weiter. Das Blog führte ich diesmal fleißiger, und Klopfers Web bekam sogar ein eigenes Forum, welches inzwischen schon mehrere Babys zu verantworten hat und dessen Gemeinschaft rauschende Feste feiert. (Ähem… ja. Ich hab die Hoffnung aufgegeben, irgendwo die Erinnerung an die fehlenden Stunden wiederzubekommen.) Außerdem kriegen die meisten Mitglieder mehr Sex als ich.
Eines der inhaltlichen Standbeine von Klopfers Web seit dieser Zeit sind die Lästereien, zunächst als Versuchsballon in den Kolumnen mit der Besprechung von „Lost in Translation“ gestartet. Ich las zu der Zeit gerne die Filmbesprechungen auf Seiten wie Agonybooth oder I-Mockery, und „Lost in Translation“ war einer der Filme, die zwar groß gefeiert wurden, mich aber ziemlich langweilten, und so war es eine gute Gelegenheit, Rache zu nehmen (und wenigstens das Geld für die DVD anzulegen). Am meisten habe ich mich übrigens bei der Matrix-Besprechung gequält; relativ einfach waren die Lästereien über „Daniel der Zauberer“ und „Anal-Kommando“. Letztere Besprechung ist ja leider hier nicht mehr zu sehen dank eines eifrigen Denunzianten, der es nicht ertragen konnte, dass hier Mädchen so zu sehen sind wie am Strand. Als sich das alarmierte Jugendschutz.net Ende 2007 die Seite anschaute, zensierten sie gleich noch das Anal-Kommando und das Video mit den lehrreichen Pornodialogen aus den 70er Jahren mit weg. Und genau wegen solcher Dinge mag niemand eine Petze.
Ebenfalls wichtig: das Aktuelle. Eigentlich auch eine Art Blog, wurde es von mir eingerichtet, um Leute dazu zu bringen, häufiger auf die Seite zu schauen als nur nach einem Update. Kurz vorher hatte ich mich noch bei Google AdSense angemeldet, höhere Besucherzahlen erhöhten also auch die Wahrscheinlichkeit auf ein bisschen mehr Geld. Google schmiss mich allerdings nach zwei Monaten wegen angeblichem Klickbetrug raus, obwohl ich gar nichts in der Richtung getan hatte. Ich hab mehrere Theorien dazu: Google schmeißt einfach zufällig irgendwelche Seiten raus; der Ansturm nach einem Update und das sprunghafte Ansteigen der Klickzahlen brachte Google durcheinander, oder meine Besucher meinten es einfach besonders gut mit mir. Das Aktuelle behielt ich aber trotzdem bei, zunächst parallel zu meinem Blog, später verschmolz das alles, als mein Blogdienstleister sich eine Serverstabilität angewöhnte, die etwa auf der gleichen Stufe wie die Stabilität Somalias lag. Man könnte das Gefühl bekommen, dass viele Änderungen deswegen geschehen, weil jemand anderes patzt.
Ein Abkömmling des Blogs ist übrigens „Frag den Hasen“ – ich hatte ursprünglich um „Interviewfragen“ gebeten, um daraus ohne viel Mühe ein paar Blogeinträge zu gewinnen. Nach langsamem Start kamen aber immer mehr Fragen, und so programmierte ich „Frag den Hasen“ als eigenen Bereich, inspiriert von „Ask-Me“ im Blog der lieben Asu. Mittlerweile gibt es auch nicht mehr so viele Wiederholungen der Fragen, was es auch ein bisschen spannender macht, sie zu beantworten.
Ganz wichtig für mich ist natürlich der Griff in die nichtdigitale Welt mit dem Buch „Böses Hasi!“ Ich habe schon seit meiner Kindheit davon geträumt, ein Buch zu schreiben. Es dann auch in den Händen zu halten und gar zu verkaufen, war ein großer (und dringend notwendiger) Schub für mein Selbstvertrauen, so wie es der Erfolg der Seite selbst auch ist. Viele glauben es nicht, aber ich bin eigentlich ruhig, schüchtern und kein bisschen arrogant, und ich darf mir das bei Treffen mit Fans auch oft anhören. Ich arbeite an mir, und auch wenn ich vielleicht manchmal den richtigen Ton nicht treffe, so meine ich es eigentlich doch ganz lieb. Was der richtige Ton ist, ist allerdings auch eine Streitfrage. Einerseits krieg ich immer wieder Forderungen, dass ich (wieder) böser werden soll, und wenn ich dann mal böse bin, ist es auch nicht recht. Vielleicht können es Leute nicht nachvollziehen, die keine halbwegs beliebte Internetseite aufziehen, aber wenn man schon Schwierigkeiten hat, die eigenen Ansprüche immer zu erfüllen, steht man oft ratlos vor den Ansprüchen der Fans, die einen in tausend verschiedene Richtungen schicken wollen und sich beschweren, wenn man nicht in die eine Richtung geht, die sie sich vorgestellt haben, aber seltener loben, wenn man sich in die richtige Richtung bewegt. Ist nicht böse gemeint, aber ein kleiner Denkanstoß für die Leute, die sich über manche Inhalte aufregen.
Klopfers Web ist weit gekommen in den zehn Jahren, und die Programmierarbeit, die gerade hinter den Kulissen stattfindet, macht die Seite hoffentlich fit für die nächste Dekade. Eigene Mitgliedsbereiche, mehr Möglichkeiten, sich einzubringen und Kontakte mit anderen Fans zu knüpfen – ich hoffe, damit nicht ganz in die Kacke zu greifen. Ich hoffe aber, dass die meisten sich darauf freuen werden, den Relaunch irgendwann mitzuerleben und Klopfers Web auch danach treu zu bleiben. Auf die nächsten zehn Jahre!