Was Youtube für werbefeindlich hält
Nuff! Ich grüße das Volk.
Daten sind was Wundervolles, und ganz besonders dann, wenn sie bestehende Vermutungen bestätigen.
Wer sich viel auf Youtube bewegt, wird es sicherlich schon häufiger gehört haben: Beschwerden von Youtubern, dass ihre Videos demonetarisiert werden, also keine Werbung mehr eingeblendet wird. Oft sind diese Werbesperren nur temporär und werden nach einem manuellen Review-Prozess wieder für Werbung freigegeben, aber erst dann, wenn der große Ansturm der Abonnenten schon wieder vorbei ist.
Google gibt sich keine Mühe, die Youtuber über die Demonetarisierung zu informieren oder konkrete Angaben zu machen, was denn jetzt genau zu dem Urteil geführt haben soll, dass das Video nicht geeignet für Werbetreibende sei. Somit können betroffene Videomacher nur raten, woran es lag.
(Kleiner Einschub: Als ich noch Google-Werbung auf der Seite hatte, bekam ich mehrere Male eine Mail von Google, dass eine bestimmte Seite auf Klopfers Web nicht für Werbung geeignet sei und deswegen dort keine Werbebanner mehr eingeblendet würden. Aber welche Seiten das waren und was das konkrete Problem bei denen wäre, das hat Google mir nicht verraten, was natürlich ungefähr so hilfreich ist wie ein Hammer aus Zuckerwatte, aber weniger energiereich. Die ganze Problematik betrifft also nicht nur Youtube.)
Es liegt die Vermutung nahe, dass bestimmte Wörter in den Videotiteln oder der Videobeschreibung eine Demonetarisierung automatisch nach sich ziehen. (Youtube setzt im Wesentlichen Bots zur Moderation ein, anders wäre das nicht zu schaffen. Jede Minute werden auf Youtube 400 Stunden Video hochgeladen, das kann man mit Menschen nicht überprüfen.) Manche munkeln zwar auch, dass die Videos selbst analysiert werden, aber ich bezweifle das. Nun haben einige Youtuber mal ganz systematisch über 15.000 Wörter geprüft, ob deren Erwähnung im Umfeld des Videos eine unverzügliche Demonetarisierung nach sich zieht. Und der Verdacht wurde für viele Wörter bestätigt.
Wie viele erwartet haben, sind Wörter wie „gays“ oder „lesbians“ Gift für die Werbung, was viele Sexualaufklärer sowie schwule und lesbische Interessenvertretungen auf Youtube schwer empört hat. Ebenso naheliegend ist, dass Wörter wie „fuck“ oder „blowjob“ ebenso tabu sind wie „drugs“, „killer“, „nigger“ oder „Jihad“. „ISIS“ wird offenbar ganz gesperrt, was nicht so ideal ist, wenn man ein Video über ägyptische Mythologie machen möchte.
Daneben gibt es aber Wörter auf dem Index, bei denen man nur staunen kann. So sind zwar „deutsch“ und „deutschland“ erlaubt, aber „deutsche“ führt zum Ausschluss der Werbung. Medizinische Begriffe wie „chest infection“, „Dental abscess“, „Bladder cancer“, „Arthritis“ oder auch einfach „cure“ sind tabu, so wie auch die Erwähnung von Ohrenschmalz („Earwax“). Videos über eine mögliche „coalition“ der „democrats“ in „Missouri“ werden den Bots nach keine Werbeeinnahmen generieren dürfen, und man möge sich auch verkneifen, in einem Videotitel seinen „Dank“ an „janet“, „Gabriel“ oder „Vivian“ auszusprechen.
Nun setzt sich bei Youtube natürlich auch kein Mensch hin und sagt: „Ich mach eine Liste mit verbotenen Wörtern und setze da Jared drauf, das blöde Arschloch.“ Auch das macht wieder ein Programm, das sich anschaut, welche Wörter bei beanstandeten Videos besonders häufig vorkommen, die dann ab einer gewissen Schwelle auf diese Liste gesetzt werden, aber auch wieder davon verschwinden können, falls andere Wörter in neu dazukommenden Videos häufiger sind. So kommt es, dass einige Wörter auf der Liste bei einem Test mal zur Demonetarisierung führten, danach aber wieder nicht (und umgekehrt). „mistakes“, „education“ und „cockfucker“ waren mal erlaubt und mal nicht. In dem Moment, in dem ich das schreibe, sind sie erlaubt, das kann morgen aber gleich ganz anders aussehen. So erklärt sich vermutlich auch, warum Videos, die nach einem manuellen Review wieder für die Monetarisierung freigeschaltet werden, gelegentlich nach einiger Zeit erneut einem Werbeverbot unterliegen, weil wieder irgendeine Software ein Wort im Titel erkannt hat, welches neu auf den Index rutschte.
Der Kontext ist für so ein Programm natürlich nicht zu erfassen, und darin liegt auch die Grundschwäche des ganzen Systems. Wenn jemand Youtube mit Tausenden Videos mit dem Titel „Juden sollten vergast werden“ flutet, diese alle gesperrt werden und das System merkt, dass bei den gesperrten Videos sehr häufig das Wort „Juden“ im Titel auftaucht, wird es selbstverständlich auch anschlagen, wenn jemand ein komplett harmloses Interview mit dem aktuellen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden hochlädt. Wie beim Copyright-System ist es aber fatal, wenn die Entscheidung eines Bots ohne vorherige Prüfung zu einer Aktion führt, umso mehr, als dass keine Begründung an den Uploader gegeben wird.
Nun macht Youtube den ganzen Quatsch nicht aus Langeweile. Das wird auch in dem oben verlinkten Video erklärt und ist nicht neu, aber ich will es hier auch der Vollständigkeit halber erwähnt haben. Alle paar Wochen machen irgendwelche Normies einen Aufstand, weil Videos auf Youtube sind, die ihnen nicht gefallen, mal berechtigt, mal unberechtigt. Und noch größer wird der Aufstand, wenn bei den betreffenden Videos Werbung eingeblendet wird. Dann beschweren sich die Leute gerne mal direkt bei den Unternehmen, die die Werbung gebucht haben, und drohen dort mit Boykott, wenn diese Unternehmen nicht diese Werbung unterlassen und sich demütig entschuldigen. Was die Normies nicht kapieren: Die Werbekunden buchen keine Werbung bei bestimmten Videos. Zwischen den Videos und der Werbung besteht überhaupt keine Verbindung. Wenn mir bei einem Video von den Autodoktoren ein Werbeclip für eine private Krankenversicherung eingeblendet wird, hat sich nicht bei der Werbeagentur des Versicherers jemand gedacht: „Mensch, unser Produkt passt so richtig zu Autoreparaturen.“ Es ist nur so, dass Youtube meint, dass ich aufgrund meiner Daten genau zu der Zielgruppe gehöre, die für diesen Werbeclip angepeilt wurde. Die Auswahl, welche Werbung wem gezeigt wird, hängt von dem Zuschauer selbst und von Youtube ab, nicht von dem Unternehmen, das die Werbung bucht. Das Unternehmen kriegt keine meiner Daten, um mich gezielt anzusprechen, sondern muss auch einfach mit der Entscheidung leben, die Youtube trifft.
Wenn also der Islamische Staat ein Video von der Enthauptung Ungläubiger hochlädt, um seinen Sympathisanten zu zeigen, wie dufte der Islam so ist, und dann irgendein Kuffar dieses Video anklickt und dabei zum Beispiel eine Werbung von Volkswagen zu sehen kriegt, ist es gut möglich, dass er von all den Zuschauern der Einzige war, der VW-Werbung zu Gesicht bekommen hat. Aber er wird mit großer Wahrscheinlichkeit trotzdem zetern und sich darüber beschweren, dass seinem Eindruck nach der IS von VW unterstützt wird, obwohl das Quatsch ist.
Daher wird den Unternehmen die Hölle heiß gemacht, wenn ihre Werbung in einem Umfeld auftritt, das andere nicht mögen. Und weil man Normies auf einem Kreuzzug nichts beibringen kann (vermutlich verstopft die Rage die Synapsen oder so etwas), schimpfen ihrerseits die Unternehmen mit Youtube, weil es die Werbung bei solchen Videos einblendet, und drohen mit einem Boykott. Nun ist Youtube selbst für Google kaum profitabel und kann sich nicht leisten, Werbekunden zu verlieren. Also implementiert man solche beknackten Systeme wie oben beschrieben, weniger, weil man von der Wirksamkeit überzeugt wäre, sondern weil man so sagen kann: Guckt, wir haben was gemacht, jetzt bleibt bitte unsere Werbekunden, ja?!
Um das ganze Problem aufzulösen, muss erst mal diese Empörungskultur aufhören, die von Boykotts und Prangern geprägt ist. Ich weiß, die Zahl der Menschen, die gerne für freie Rede eintreten, wird immer kleiner, aber ich bin jemand, der sich nicht die Zeiten zurückwünscht, in der man viel Geld oder die Gunst irgendwelcher Torwächter haben musste, um seine Meinung oder die Früchte seiner Kreativität in der ganzen Welt zu verbreiten. Ich will keine Vorzensur und ich will nicht, dass nur Leute, die auf einer bestimmten Linie sind, mit ihren Sachen Geld verdienen können. Natürlich gibt es Inhalte, die nicht erlaubt sein sollten, aber das mit klaren, nachvollziehbaren Regeln – und eben auch ohne Vorzensur. Wir müssen damit leben, dass bei einer freien Rede immer das Risiko dabei ist, dass jemand was Böses sagt. Aber dieses Risiko ist es auch wert, und es macht mir wirklich Sorgen, wenn gerade auch Schüler und Studenten (die zu meiner Zeit noch sehr aggressiv dagegen waren, dass die Redefreiheit beschränkt wird – meist von Konservativen) sich nun mehr und mehr für Sprech- und Auftrittsverbote aussprechen, weil sie etwas hören, was ihren eigenen Überzeugungen widerspricht. Viele Journalisten sind genauso drauf, was noch mehr unterstreicht, wie wichtig es ist, auch ohne ihre Unterstützung seine Meinung offen verbreiten zu können.
Sollten die Leute, die etwas Verbotenes veröffentlichen, finanziell davon profitieren? Nein, aber das ließe sich auch lösen, indem diese Werbeeinnahmen erst mal auf eine Art Treuhandkonto gehen und die Auszahlung gesperrt wird, bis die Sache einigermaßen rechtssicher geklärt ist. (Das wäre auch meine Lösung für den Missbrauch von Copyright-Claims bei Youtube, wo Werbeeinnahmen nach einem Copyright-Claim oft sofort umgeleitet werden zu dem, der behauptet, dass das Video sein Urheberrecht verletzen würde. Selbst wenn sich das als falsch herausstellt, das Geld ist für den Uploader verloren.)
Es wäre natürlich auch wünschenswert, wenn es eine praktikable Alternative zu Youtube gäbe. Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Wie bereits erwähnt, ist Youtube selbst ja keine sprudelnde Geldquelle für Google, die Kosten für Server und Traffic können enorm sein und die Bedenken der potenziellen Werbekunden sind unabhängig von der Plattform. Eine staatlich finanzierte, freie Plattform (nicht in Deutschland, dafür sind hier die Voraussetzungen nicht vorhanden, angefangen beim Strompreis) müsste sich aber einerseits gegen den Verdacht wehren, nur genehme Videos zu erlauben, andererseits aber auch Vorwürfe abwehren, staatsfeindliche Videos mit Steuergeldern zu verbreiten.
Es gibt kleinere Konkurrenten, die aber alle ihre Hemmschuhe haben. Vimeo will Abogebühren, wenn man selbst mit seinen Videos Geld verdienen will, Bitchute hat fast nur Videos von rechtsextremen Verschwörungstheoretikern auf der Startseite, und mit diesem Umfeld wollen viele nicht assoziiert werden (wodurch Bitchute keine anderen Videos hat, die es auf der Startseite zeigen könnte), Nebula ist nicht offen für jeden, Twitch ist eher fürs Livestreaming und behält die Videos nur für kurze Zeit, TikTok ist nur für kurze Videos (und chinesisch, also nix mit freier Meinungsäußerung), Sevenload und Clipfish sind tot, LiveLeak ist für Katastrophentouristen, die nicht aus dem Haus wollen, und Dailymotion siezt die Besucher (und konzentriert sich mehr darauf, große Kanäle zu promoten). Am ehesten könnte wohl MindGeek (Eigentümer von Pornhub, RedTube, YouPorn, MyDirtyHobby und vielen weiteren Seiten) eine Youtube-Alternative aufbauen.
Da das wohl nicht passieren wird, hoffe ich vorerst darauf, dass Youtube sein übereifriges System in den Griff kriegt, alle anderen mal etwas entspannter werden, anstatt immer gleich alle zu bestrafen, denen man eine Kontaktschuld unterstellt, und all die Youtuber, die ich mag (und das sind eine Menge) genug Einnahmen kriegen, um mich weiter unterhalten zu können.
Werbung: Einnahmen sind natürlich auch für mich wichtig. Und deswegen hoffe ich, dass ihr mich über den besten Geekversand GetDigital.de, Amazon.de oder AliExpress.com unterstützen könnt.
Werbung Ende
Puh, das war eine lange Werbepause. Sorry.
Zum Schluss noch ein paar Sachen: Vielen Dank an alle, die immer so fleißig meine Texte anklicken! Die Zahlung der VG Wort für die Klicks im Jahr 2018 ist angekommen und hilft mir riesig weiter. Dieses Jahr geht noch ein paar Monate, also schaut euch gerne bei den Kolumnen, Lästereien und Erklärtexten um und lest einige der Texte, die noch keinen Blitz haben und somit noch nicht genug Klicks, um für die kommende VG-Wort-Ausschüttung gezählt zu werden. (Und ihr dürft auch gerne diesen Blogeintrag weiterverbreiten, der hat auch einen VG-Wort-Zählpixel drin.)
Ich habe gestern die Buchverträge für "Böses Hasi!" und "Mein Weg zur Weltherrschaft - Phase 2" zum 31. Januar 2020 gekündigt. Ab diesem Datum werden die beiden Kolumnensammelbände also nicht mehr im Handel erhältlich sein. Bei mir werden sie dann auch nur so lange zu haben sein, wie ich noch Vorräte habe. (Bei "Mein Weg zur Weltherrschaft" sind nur noch 6 Exemplare da.) Dieses Weihnachten wäre also die letzte Gelegenheit, sie noch mit Sicherheit zu kriegen.
Ich hatte ja eigentlich vor, die beiden Bücher noch so lange verfügbar zu halten, bis mein neues Buch fertig ist, aber es ist finanziell ein Minusgeschäft, die noch weiter zu pflegen. Von 2016 bis Ende 2018 wurden 17 Exemplare von "Böses Hasi" im Buchhandel verkauft, dieses Jahr noch keins. Bei "Mein Weg zur Weltherrschaft" waren es zwischen 2016 und 2018 acht Exemplare und eins in diesem Jahr. Beide Bücher kosten mich jeweils knapp 2 Euro im Monat, und 2 Euro sind ungefähr meine Gewinnspanne pro Buch beim Verkauf im Buchhandel, also ist da ein dickes Defizit. ("Sexpanzer und Babytod" ist dank der E-Book-Verkäufe gerade so bei einer schwarzen Null.)
Ob ich die Bände später selbst noch mal als E-Book anbieten werde, wird sich dann im nächsten Jahr entscheiden. Die E-Book-Versionen von BoD werden zur gleichen Zeit aus dem Handel genommen wie die Printversionen, also Ende Januar.
Ich denke, damit wären wir erst einmal fertig. Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit, schaut auch gerne mal in die Link- und Lichtbild-Deponie rein - und ich bin gespannt auf eure Kommentare!
Premiummitglied
Ich vertrete auch eher die Meinung, dass man lieber riskieren sollte ein Video, das verboten gehört, online zu lassen als tausende auf Verdacht zu sperren, die ok sind. Meinungs- und Redefreiheit sind in meinen Augen einfach zu wichtig, als das man sie leichtfertig dem Zensurtrieb opfern sollte.