4 wissenschaftliche Belege für eine unfaire Welt
Nuff! Ich grüße das Volk.
Bevor wir zum eigentlichen Thema kommen, möchte ich noch mal alle interessierten Leser, die bei der Umfrage noch nicht mitgemacht haben, bitten, hier abzustimmen:
Wie erwähnt: Das Buch wird voraussichtlich 12 Euro kosten (7,49 Euro als E-Book), und ich bitte alle abzustimmen, die vorhaben, das Buch in absehbarer Zeit (also bis Ende 2021) zu kaufen. Ist wirklich sehr wichtig, damit ich ungefähr abschätzen kann, wie viele Exemplare ich drucken lassen sollte.
Jetzt aber weiter im Programm.
Eine der liebsten Vorstellungen vieler Menschen ist, dass wir doch irgendwie in einer gerechten Welt leben würden. Wer lieb und nett ist, der wird die Früchte dafür ernten, Bösewichte werden ihre Strafe schon irgendwann bekommen, und selbst relativ rationale Leute mögen die Vorstellung von Karma, das sich irgendwann auszahlt. Nicht zuletzt versucht man so, auch Kinder zu erziehen, damit die keine ekelhaften Stinkstiefel werden. Aber stimmt das denn auch so? Ich habe mal vier (plus ein paar mehr) wissenschaftliche Publikationen herausgesucht, die ganz stark andeuten, dass die Welt doch ziemlich unfair ist.
Mobbing
Als Mobbingopfer wurde es mir oft gesagt, und ich wette, andere haben es auch immer gehört: Eigentlich ist doch der, der mich auf dem Kieker hatte, ein armes Würstchen, das seine eigene Unzulänglichkeit überspielen muss und sich deswegen an anderen vergreift. Die Leute, die mir das sagten, zeichneten wortreich fantasievolle Bilder davon, wie dreckig und armselig das Leben desjenigen wohl wäre, und am Ende hatte ich Schuldgefühle, weil ich dennoch mehr Wut als Mitleid empfand.
Tja, dank der Wissenschaft kann ich jetzt getrost sagen: Die Leute, die mich damit vollgequatscht haben, sind Idioten. Mobber sind recht beliebt, körperlich und geistig gesünder als ihre Opfer, beruflich erfolgreicher, ihnen werden mehr Führungsqualitäten zugeschrieben und sie wirken attraktiver auf andere, wodurch sie auch mehr Sex und mehr Sexualpartner haben. Für die Gemobbten ist das ungefähr so, als wenn ihre Peiniger sie noch dann verspotten, wenn sich die Lebenswege schon längst getrennt haben. (Einer von denen, die mich getriezt haben, hat trotz Schulversagens ein gut laufendes Unternehmen von seinem Vater übernommen und ist Erzählungen zufolge immer noch ein arrogantes Arschloch.)
Damit ist die Sache klar: Wenn ihr gemobbt werdet, tretet dem Übeltäter kräftig in den Schritt. Dem Sackgesicht wird im restlichen Leben trotzdem noch die Sonne aus dem Hintern scheinen.
Organisierte Kriminalität
Eine oft vertretene Theorie zur Entstehung von Kriminalität ist: „Die Armut treibt die Leute dazu.“ Dass diese Erklärung zumindest unzureichend ist, lässt sich allerdings schwer bestreiten. Die meisten Leute in Armut werden nicht kriminell, in Wirtschaftskrisen, wenn es mehr Arme gibt, steigt die Kriminalität nicht, obwohl man es erwarten würde, auch Wohlhabende sind kriminell und so weiter und so fort. Dennoch glaubt man allgemein, dass ein fester Arbeitsplatz und eine geordnete, strukturierte Lebensführung dabei helfen, Menschen wieder auf den Pfad der Tugend zurückzuführen. Ob das tatsächlich klappt oder ob die Besserung eintritt, weil ein großer Teil der betreffenden Leute einfach älter und reifer wird, ist immer noch nicht abschließend geklärt.
Bei einer bestimmten Art von Verbrechen wissen wir allerdings, dass ein fester Arbeitsplatz oder gar ein eigenes Geschäft eher die Kriminalität verstärkt. Wer im organisierten Verbrechen tätig ist, also zum Beispiel Drogen dealt, Menschen schmuggelt, Schutzgeld erpresst oder Schwarzgeld wäscht, der wird durch eine feste Anstellung oder Selbständigkeit nicht etwa zurück auf die Seite der Gesetzestreuen geleitet, sondern bekommt so mehr Gelegenheiten und Fähigkeiten, seine kriminellen Machenschaften weiterzuführen und erfolgreicher zu agieren. In vielen Fällen wird sich ein Mafia- oder Clanmitglied mit einem festen Job nicht von der Organisation entfernen, sondern sie mächtiger machen.
Das ist natürlich ein ganz besonderes Dilemma: Wie soll eine Resozialisierung einzelner Mitglieder funktionieren, wenn ein fester Job die Kriminellen eher tiefer in den Sumpf der Kriminalität führt? Wer nicht die ganze Organisation zerschlägt, kämpft anscheinend auf verlorenem Posten.
Kriminell und fruchtbar
Ganz naiv könnte man sich mit dem Gedanken beruhigen, dass Schurken immerhin mit ihrer Schuftigkeit eine Genugtuung nicht erfahren würden: die Weitergabe ihrer Gene an eine kommende Generation. Denn Frauen würden ja nie im Leben ihren fruchtbaren Mutterschoß für solche Subjekte öffnen, oder?
Ha, klar würden sie. In der psychologischen Forschung beschäftigt man sich sehr oft mit der Frage, was Männer und Frauen eigentlich bei der Partnerwahl attraktiv finden. Ein Teil dieser Erkenntnisse ist auch relevant für die Frage, die wir hier gerade erörtern. Tasten wir uns aber erst einmal ganz sachte heran.
Sowohl Männer als auch Frauen bevorzugen bei der Partnerwahl Nonkonformisten. Man braucht einen gewissen Status, um gegen den Strom zu schwimmen und damit durchzukommen, und das ist offenbar ganz attraktiv.
Und worauf stehen Frauen noch? Eine Studie vor einigen Jahren ergab, dass Frauen diejenigen Männer attraktiver finden, bei denen die Dunkle Triade der Persönlichkeitsmerkmale ausgeprägt ist. Mit der Dunklen Triade bezeichnet man die Charaktereigenschaften Narzissmus, Psychopathie und Machiavellismus. Narzissmus bezeichnet dabei ein überhöhtes Selbstwertgefühl, Abwertung anderer, der Drang nach Anerkennung und eine Unwilligkeit zur Empathie. Psychopathen gibt es in mehreren Formen; die stabile Form zeichnet sich durch eine gewisse Gefühlskälte (und mangelndes Gewissen) aus, ein manipulatives Wesen, oft charmant und eloquent. Solche Psychopathen erkennen sehr gut die Gefühle anderer (anders als Autisten), was ihnen besser ermöglicht, andere zu manipulieren. Bei der anderen Form der Psychopathie (die oft eher eine Phase ist) ist der Betroffene sehr impulsiv, unkontrolliert und erlebnishungrig, will keine Verantwortung für sein Leben übernehmen und hat auch keine langfristigen Ziele. Machiavellismus wiederum ist geprägt von rücksichtslosem Egoismus, geringer Empathie und kaum vorhandenen Bindungen an andere Menschen, Moralvorstellungen oder Ideologien. Es gibt gewisse Unschärfen und Überschneidungen bei allen drei Persönlichkeitsmerkmalen, aber ich denke, ihr habt jetzt eine ungefähre Vorstellung. Jedenfalls: Offenbar kommen Männer, die bei Tests für diese Eigenschaften höhere Punktzahlen erreichen, bei Frauen überdurchschnittlich gut an. Und eine andere Studie besagt, dass Leute, die sich schnell verlieben, sich dabei auch eher in DT-Menschen verlieben.
Neuere Studien haben das konkretisiert: Machiavellismus ist für die Attraktivität offenbar unwichtig, aber Narzissmus und Psychopathie spielen für die sexuelle Anziehung durchaus eine Rolle, sodass solche Menschen mehr Sexualpartner haben. Und gerade Frauen, die selbst kaum psychopathisch sind, stehen auf Psychopathen. Frauen, die viel Dating-Erfahrung haben, und auch Frauen, die gerne heiraten wollen, finden Narzissten überaus attraktiv.
Jetzt sind wir aber noch nicht konkret bei Kriminellen. Wie sieht’s denn da aus? Eine schwedische Studie gibt Aufschluss: Kriminelle Männer haben im Durchschnitt mehr Kinder als nichtkriminelle Männer. In erster Linie lässt sich das darauf zurückführen, dass die kriminellen Männer mehr Sexualpartner haben und schwängern. Sprich: Sie haben mehr Kinder bei mehr Frauen.
Da soll noch mal jemand sagen, dass sich Verbrechen nicht auszahlt. (Viele Verbrecher wie der Boston-Bomber, Anders Breivik, Charles Manson und Ted Bundy kriegen bzw. kriegten in der Haft übrigens auch jede Menge Liebesbriefe. Ted Bundy heiratete sogar ein Groupie im Gerichtssaal und zeugte mit der Frau ein Kind.)
Der evolutionäre Vorteil von Vergewaltigungen
Vergewaltigungen sind (bzw. waren) lange Zeit ein Rätsel: Warum gibt es Vergewaltigungen, und zwar schon seit Urzeiten? Warum überlebt diese unmenschliche Praxis so lange und taucht immer wieder auf? Welchen evolutionären Grund könnte es geben, dass Menschen (meistens Männer) andere Menschen (meistens Frauen) immer wieder in der Menschheitsgeschichte zum Sex zwingen? Wäre es nicht einleuchtender, wenn Männer sich Frauen suchen, die den Verkehr auch wollen? Vergewaltigungen gibt es nicht nur bei Menschen, sondern auch anderswo im Tierreich, und offenbar hat die Evolution auch gewisse Verteidigungsstrategien der Frauen hervorgebracht, um die Gefahr von Vergewaltigungen zu reduzieren. So gibt es etwa die Hypothese, dass Frauen deswegen auf starke und dominante Männer stehen, weil die ihre Frauen eher gegen sexuelle Aggressionen anderer Männer verteidigen können.
Aber was könnte denn nun ein Grund sein, warum die Vergewaltigung nicht im Laufe der menschlichen Evolution verschwunden ist? Die Antwort wirkt wie ein zynischer Streich der Natur: Offenbar führt erzwungener Sex deutlich häufiger zu Schwangerschaften als einvernehmlicher Geschlechtsverkehr. Die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft scheint etwa doppelt so hoch zu sein wie normal. Damit „lohnte“ sich diese „Strategie“ für Männer, die möglichst großen Fortpflanzungserfolg erzielen wollten. Ob das jetzt auch dazu führte, dass die besten Gene weitergegeben wurden, ist natürlich eine andere Frage.
Aber was sind das für Leute, die andere zum Sex zwingen? Sicher irgendwelche frustrierten Incels, oder? Menschen, die sonst keine Chance zum Vögeln haben. Diejenigen, die eh niemand leiden kann.
Nein, ganz im Gegenteil. (Darauf könnte man auch kommen, wenn man überlegt, wie oft man von Pornodarstellern, Schauspielern oder Filmproduzenten hört, die mit sexuellen Übergriffen Schlagzeilen machen und ganz sicher nicht an mangelnder Unterleibsbetätigung leiden.) Es sind Leute, die auch sonst viele Sexualpartner und viel unverbindlichen Sex haben. Und relativ viele Frauen, die sich beim erzwungenen Sex nicht gewehrt haben, haben auch danach noch Geschlechtsverkehr mit ihrem Vergewaltiger, und das offenbar in vielen Fällen gar nicht unfreiwillig.
Mit diesen deprimierenden Erkenntnissen passt der Blogeintrag so richtig schön in den verregneten Herbst. Ich glaube, ich habe seit dem Erscheinen von „Sexpanzer und Babytod“ zum ersten Mal wieder einen längeren Text über psychologische und gesellschaftliche Erkenntnisse geschrieben und muss sagen: Es macht zumindest mir immer noch Spaß. Euch vermutlich nicht so. Ich werde vermutlich im nächsten Jahr versuchen, doch noch ein weiteres Psycho-Buch zu veröffentlichen. Meine Quellensammlung beträgt mittlerweile 115 Seiten (für „Sexpanzer und Babytod“ hatte ich drei – weniger, als ich selbst in Erinnerung hatte), da müsste es doch mit dem Teufel zugehen, wenn sich da drin nicht ein oder gar zwei schöne Werke verstecken würden. Bevor ich damit aber überhaupt anfange, werde ich aber sicherlich irgendwann noch einen Blogeintrag verfassen, in dem ich einige ermutigende Erkenntnisse unserer Wissenschaft präsentiere, um diesen Eintrag hier etwas abzumildern.
Ich hoffe, ich habe eure Laune nicht zu sehr heruntergezogen. Bis dann!
Mitglied
Ich weiß nicht, ob man das alles deprimierend finden muss. Ein Stück weit kann man daraus ja auch ableiten, wie man ggf selbst auftreten kann, um diesen oder jenen Effekt zu erreichen, OHNE zugleich jegliche Empathie mit über Bord zu werfen.
Was die Vergewaltigungen angeht: Ergibt durchaus Sinn, und gerade der Hinweis, dass es oft nicht die stereotypen Untervögelten sind, die nie eine abkriegen würden, passt ja dazu, dass Vergewaltigungen oft in Beziehungen oder wenigstens durch bereits bekannte Menschen geschehen, nicht durch den komischen Fremden im Park (den es natürlich auch gibt). Wobei für den Begriff "Vergewaltigung" mE gerade in diesen Situationen die Trennschärfe nicht immer ausreicht.