Kann man heute nicht mehr machen
Nuff! Ich grüße das Volk.
Eine Möglichkeit, relativ leicht Videos für Youtube zu produzieren, ist, einfach auf Dinge zu reagieren, die andere gemacht haben und die man selbst noch nicht kennt, somit also ungeschönte, aber authentische Gefühlsregungen zeigt. Ich glaube, die erste Blüte dieser Reaktionsvideos kam damals auf, als „Two Girls, One Cup“ die kulinarischen sowie sexuellen Horizonte der arglosen Betrachter schlagartig erweiterte.
Eine beträchtliche Zahl von Youtube-Kanälen konzentriert sich hierbei auf Filme (und riskiert dabei natürlich immer, was wegen Urheberrechtsverletzungen auf den Deckel zu kriegen, falls zu viel vom Film gezeigt wird oder die Youtube-KI auf die verwendete Musik anspringt). Ich habe den Verdacht, dass die Zuschauer solche Reaktionsvideos gerne gucken, weil sie sehen wollen, wie andere ihre Lieblingsfilme finden, um so noch einmal die Aufregung aufleben zu lassen, als sie selbst die Filme zum ersten Mal schauten. Und wenn man halt keine Freunde dafür findet oder die nicht wie erhofft reagieren, ist man umso dankbarer, wenn wenigstens jemand auf einer Videoseite das tut.
Ich bin zufällig auf ein paar dieser Kanäle gestoßen und habe mal einige Reaktionen verschiedenster Leute auf eine Reihe von Filmen angeschaut, auch weil ich neugierig war, ob sich je nach Land die Reaktionen auf recht erfolgreiche Komödien unterscheiden oder ob der Humor in diesen Filmen nahezu universell verständlich ist. Aber das rückte bei einigen Filmen rasch in den Hintergrund, weil ich eine andere Reaktion relativ oft bemerkte.
Zuerst fiel es mir bei Videos auf, in denen die Leute sich „Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug“ („Airplane!“) anschauten. Fast ausnahmslos haben sich alle köstlich amüsiert und herzhaft gelacht – unabhängig von Geschlecht, Nationalität oder Hautfarbe. Mehrmals kam nach einem Lacher oder am Ende des Films dann aber ein fast entschuldigendes „Natürlich könnte man so einen Film heute nicht mehr machen“.
Damit war nicht gemeint, dass ein weiterer Film dieser Art heute zu altmodisch wirken würde oder als Abklatsch gelten könnte, sondern dass sich Leute an den Witzen stören würden. Keiner der Reagierenden fühlte sich gestört (selbst wenn sie bei den Fragen des Flugkapitäns an den kleinen Jungen kurz nach Luft schnappen mussten), aber nicht wenige waren überzeugt davon, dass andere das tun würden und man deswegen darauf verzichten müsste, heutzutage noch solche Gags zu machen.
Noch häufiger passierte das beim Film „Die Glücksritter“ („Trading Places“), der ebenfalls übergreifend sehr gut ankam. In dem Film mit Eddie Murphy, Dan Aykroyd und Jamie Lee Curtis kommen Rassisten vor, werden aber auch klar als unsympathisch dargestellt. Was ist also der Stein des Anstoßes, der allerlei Leute dazu brachte zu sagen, dass man das heute nicht mehr machen könne? Dan Aykroyd verkleidet sich an einer Stelle im Film als Afrikaner. Uh, Blackfacing, voll böse. Das hat damals, als der Film in die Kinos kam, keine Sau interessiert, selbst die Schwarzen in den USA nicht (die hatten noch richtige Probleme). Und auch den Schwarzen, die heute auf Youtube bei dieser Szene sagen: „Das geht heute natürlich nicht mehr“, merkt man an, dass sie sich selbst gar nicht wirklich angegriffen fühlen, sondern das eher sagen, weil man ihnen halt dauernd gesagt hat, wie böse das ist. Warum sollten sie sich aber auch beleidigt fühlen: Der Film macht sich nicht über Schwarze lustig, sondern über Rassisten; Assoziationen mit Minstrel-Shows von vor hundert Jahren sind arg bemüht, weil abgesehen von „Man schminkt sich das Gesicht schwarz“ keine inhaltlichen Parallelen da sind.
Fast vollständig von der Kritik verschont war „Ghostbusters“ – da gerade erst ein echter dritter Teil in den Kinos lief, ist „Kann man nicht mehr machen“ hier eher eingeschränkt plausibel. Aber ganz kam der Film nicht davon: Ein junges Mädel auf Youtube war sichtlich angepisst davon, dass Dana Barrett (Sigourney Weaver) nicht zur Polizei rennt und Peter Venkman (Bill Murray) und Louis Tully (Rick Moranis) wegen ganz doll böser sexueller Belästigung anzeigt, was insbesondere bei Moranis‘ Charakter sehr übertrieben wäre, weil der ja nichts anderes macht als ein bisschen unbeholfenen Smalltalk mit Dana inklusive Einladung zu seiner Party. Venkman ist wiederum ein typischer Bill-Murray-Charakter: ein Arschloch, das die Zuschauer im Laufe des Films auf seine Seite zieht, indem es zeigt, dass es dazulernt und doch ein Herz aus Gold hat.
Im Endeffekt haben wir also ganz schön viele Leute, die etwas in der Art, die ihnen wahnsinnig viel Vergnügen bereitet hat, derzeit selbst gar nicht produzieren würden, nicht wegen fehlender Mittel oder mangelnder Kreativität, sondern weil sie Bammel davor hätten, dass irgendwer dabei jammern könnte, wie furchtbar traumatisierend das für ihn wäre. Und dummerweise betrifft das nicht nur Zuschauer, die Filmemacher und Studios sehen sich diesem Druck ja selbst ausgesetzt und haben auch die Schere im Kopf. Ob dann die Konsequenzen tatsächlich so eintreten würden wie befürchtet, ist zwar äußerst zweifelhaft, aber wenige werden das Risiko eingehen und es einfach mal wagen, weil niemand Millionen von Dollar oder Euro in den Sand setzen will, weil man sich einen Shitstorm samt Boykott eingehandelt hat.
Bei all dem Quatsch ist es auch kein Rätsel mehr, dass gerade jüngere Menschen mental deutlich belasteter sind als die vorherigen Generationen in dem Alter, selbst ohne den Einfluss der Covid-Pandemie. Das liegt wohl kaum daran, dass es früher viel weniger Probleme gegeben hätte. Man hatte einen Kalten Krieg, No-Future-Fatalismus und mehr Verbrechen, und die Umweltbewegung ist auch nicht erst von Greta Thunberg erfunden worden.
Ich kann mir vorstellen, dass wenigstens ein kleiner Teil der psychischen Probleme heute auch daher kommt, dass den Leuten nicht gegönnt wird, irgendwas einfach mal zu genießen. Ständig erinnert man sie daran, dass diese Sache ganz furchtbar diskriminierend wäre und jene Sache total steinzeitliches Denken verkörpern würde, und am besten sollte man alles hinterfragen, weil ein paar Narzissten sich in einem Opferkult suhlen und alle anderen darauf gepolt sind, sich für sie mitzusorgen, anstatt ihnen einen Klapps hinter die Löffel zu geben. Manche Beschwerden sind berechtigt, ja. Aber nicht jede, und dass wir uns von Menschen, die aus der Trotzphase nie rausgekommen sind, so treiben lassen, ist vermutlich schädlicher für unsere Gesellschaft als vieles, was die vorgeblich bekämpfen.
Was ich damit sagen will: Wenn was schöne Gefühle verursacht und niemandem unmittelbar schadet, genießt es einfach. Und wenn euch das jemand madigmachen will, sagt ihm, dass er sich seine Belehrungen dreifach gefaltet in den Hintern schieben kann.
Nach diesem guten Ratschlag möchte ich die Aufmerksamkeit auch auf etwas Vergnüglicheres lenken: Für Premium-Mitglieder habe ich vor ein paar Tagen eine Foto-Lovestory mit dem etwas spannungstötenden Titel "Gefangen in der Zeitschleife!" hervorgekramt, die zumindest in der Grundidee auch deutlich von einem Komödienklassiker inspiriert zu sein scheint.
Vor über zehn Jahren schrieb ich ein paar Kolumnen für die Website GamersUnity. Eine davon hatte ich später in "Mein Weg zur Weltherrschaft - Phase 2" zweitverwertet, die anderen waren nach einem Relaunch dieser (inzwischen gänzlich abgekratzten) Gaming-Seite schlicht verschollen (wenn man sie nicht über Archive.org gesucht hat). Angeregt von mischka habe ich diese Texte nun alle wieder hervorgekramt und auf Klopfers Web als Premium-Inhalt reingestellt, weil die (obwohl manche eine gewisse Aktualität bis heute haben mögen) eben doch sehr alt sind und daher am ehesten für Enthusiasten und Komplettisten interessant sein dürften.
- VerAPPLEt - Das neue iPad
- Abschied von Azeroth (auch im zweiten Kolumnensammelband enthalten)
- Planet der Pimmel?
- Der Spartakus der Spieleszene
So, ich versuche jetzt, meine Nicht-Covid-Erkältung auszukurieren. 🤒 Bleibt gesund, seid lieb zu Tieren und wir lesen uns beim nächsten Mal. Bis dann!
Premiummitglied
Ich wurde in deinem Blog erwähnt, mehr kann ich im Leben nicht erreichen.