Klopfers Jahresrückblick 2022
Nuff! Ich grüße das Volk.
Es kommt mir so vor, als hätte ich den letzten Jahresrückblick erst vor zwei, drei Monaten geschrieben, und gleichzeitig wirkt 2021 sehr weit entfernt. Wieder einmal gibt es ein großes Thema, das alles andere in den Schatten stellt, was sonst noch passierte, und diesmal war es nicht Corona. Doch auch Corona war immer noch präsent, wenn auch mehr durch die Diskussion darüber, ob man nicht endlich wieder zur Normalität zurückkehren könne, weil die Krankheit inzwischen endemisch und so ziemlich jeder zumindest damit in Berührung gekommen ist, oder ob man nicht allerlei Beschränkungen und Maskenpflichten beibehalten sollte, weil die Gesundheitssysteme überlastet sind. Gut, sie sind nicht direkt überlastet, weil so viele Leute wegen Corona im Krankenhaus wären, sondern weil so viel Personal wegen Corona zu Hause bleiben muss, aber egal. Ich hoffe, 2023 können wir das Thema endlich abhaken.
Was sonst noch geschah, sehen wir im Monatsüberblick:
Januar
Der Vulkan Hunga Tonga-Hunga Haʻapai in Tonga bricht mit einer Stärke aus, die mit der der Vulkanausbrüche von Krakatau 1883 und Pinatubo 1991 vergleichbar ist. Die Druckwelle geht mehrmals um die ganze Welt, die Eruptionssäule ragt fast 60 Kilometer in den Himmel. Die Explosion ist selbst in Alaska noch zu hören. Zweifellos wird dieses Jahrhundertereignis die Berichterstattung des ganzen Jahres dominieren und von nichts überstrahlt werden können.
Ein 18-jähriger Student der Biowissenschaften läuft an der Universität Heidelberg Amok, tötet eine Studentin und verletzt drei weitere Kommilitonen, bevor er sich selbst erschießt. Eine Narzisstische Persönlichkeitsstörung wird schließlich als Hauptursache für den Amoklauf identifiziert.
In New York wird Filippo Bernardini, ein Mitarbeiter des Verlags Simon & Schuster, vom FBI festgenommen. Bernardini hatte sich (ohne Wissen seines Arbeitgebers) seit 2016 mit gefälschten Identitäten unveröffentlichte Manuskripte von Autoren und Literaturagenten ergaunert, weil er die Ideen selbst verwerten wollte, was ihm mangels Talent aber wohl nicht gelang. Unter den so Betrogenen soll auch ein Pulitzer-Preisträger sein, offenbar wurde aber auch versucht, bei Margaret Atwood und Schauspieler Ethan Hawke Manuskripte zu kriegen.
Yokohama wird am 21. Januar Zeuge einer Unfallserie wie aus einem Slapstick-Film: Gegen 16 Uhr fällt ein Mann vom Dach eines fünfstöckigen Gebäudes und landet in einer engen Gasse zwischen den Häusern. Eine Frau im gleichen Haus hört das und schaut aus ihrem Fenster im dritten Stock. Dabei verliert sie das Gleichgewicht und fällt ebenfalls – auf den Kopf eines Nachbarn im Stock darunter, der auch aus dem Fenster schaut. Das reicht natürlich nicht aus, um den Sturz aufzuhalten, und so fällt die Frau zusätzlich auf einen Passanten vor dem Haus. Zum Glück überleben alle Beteiligten. Wie viele Menschen vor Lachen sterben, als sie davon lesen, ist allerdings nicht bekannt.
Toter des Monats: Meat Loaf (Sänger und Schauspieler)
Februar
In Peking finden die Olympischen Winterspiele statt – zum ersten Mal an einem Ort, der schon vorher mal die Olympischen Sommerspiele ausgerichtet hat. Dank der Null-Covid-Strategie der chinesischen Regierung werden aber auch hier (wie schon bei den Sommerspielen in Tokio im Vorjahr) die Wettkämpfe unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgetragen. Nach etwas trägem Start landet Deutschland am Ende immerhin auf Platz zwei des Medaillenspiegels vor China, aber hinter Norwegen.
Nachdem schon im Vormonat die Konzentrierung russischer Truppen an der ukrainischen Grenze für Unruhe sorgte, warnen die USA nun vor konkreten Angriffsplänen. Während Russland das abstreitet, schickt Deutschland seine Außenministerin Annalena Baerbock, um an einer friedlichen Lösung zu arbeiten. Kurze Zeit später verkündet Baerbock den Sieg der Diplomatie, weil Putin verspricht, die Truppen zu reduzieren, die nur wegen eines Manövers dort gewesen wären. Dennoch kündigt Putin an, die abtrünnigen Gebiete in der Ostukraine als eigene Staaten anerkennen zu wollen, was an das Vorgehen bei der Annexion der Krim 2014 erinnert. In Deutschland erzählen angebliche Militärexperten, dass ein russischer Angriff absurd wäre und sich bei den Amerikanern bloß eine Art neuer Kalter-Kriegs-Paranoia einstellen würde. Noch bevor die Druckerschwärze richtig trocken ist, greift Russland (auch von Stellungen in Weißrussland aus) am 24. Februar die Ukraine an und erzielt zunächst schnelle Gewinne. Offenbar hat man im Kreml erwartet, von der ukrainischen Bevölkerung als Befreier begrüßt zu werden, und den Feldzug schlecht vorbereitet. Das geht jedoch in die Hose: Die Ukrainer wehren sich vehement gegen den Feind und schaffen es, die Offensive zu stoppen. Putins Begründung für den Krieg (die angeblich notwenige Entnazifizierung) klingt ziemlich hohl, da die Russen selbst eine Nazi-Söldnertruppe einsetzen, aber scheint gerade bei der russischen Bevölkerung auf offene Ohren zu stoßen. Der Krieg löst die größte Flüchtlingsbewegung in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs aus. Anders als bei den Flüchtlingswellen der letzten Jahre kommen aber tatsächlich vornehmlich Frauen und Kinder bei uns an.
In Deutschland wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für eine zweite Amtszeit gewählt. Das Ergebnis ist komplett vorhersehbar, für ein bisschen Aufregung sorgt lediglich die Kandidatur des CDU-Politikers Max Otte, der aber von der AfD vorgeschlagen wird und deswegen anschließend aus der CDU rausfliegt.
In Rotterdam und darüber hinaus regt sich Empörung, als bekanntgegeben wird, dass eine historische Brücke (die Koningshavenbrug, meist „De Hef“ genannt) teilweise abgebaut werden soll, damit eine im Bau befindliche Superyacht für Jeff Bezos durch den Kanal passt. Nach heftigen Protesten werden die Pläne auf Eis gelegt; wie das Schiff dann am Ende zum Meer gelangen soll, ist allerdings unklar.
Tote des Monats: Ivan Reitman (Regisseur und Filmproduzent)
März
Der Krieg in der Ukraine geht weiter. Russland wird mit Sanktionen belegt, internationale Unternehmen ziehen sich aus dem Land zurück (wobei manche von ihnen dank juristischer Winkelzüge doch irgendwie an den Nachfolgeunternehmen beteiligt sind), an vielen Sportwettbewerben dürfen russische (und auch weißrussische) Teams nicht mehr teilnehmen. Die EU beschließt allerlei Sanktionen, allerdings hadert man mit der Abhängigkeit von russischem Öl und Gas. Man will die Abhängigkeit reduzieren, aber es wird noch lange dauern, bis man sich dazu durchringt, komplett auf diese Rohstoffe aus Russland verzichten zu wollen. In Deutschland entsteht eine seltsame inoffizielle Allianz zwischen AfD und den Linken, da viele Politiker beider Parteien als 5. Kolonne Russlands die russische Propaganda vertreten und die Schuld am russischen Angriffskrieg der Nato geben, wobei die Begründungen immer abstruser werden und Vorwürfe an die Ukraine oder den Westen, selbst wenn sie stimmen würden, nie im Leben einen Krieg rechtfertigen würden. (Das Internet ist da auch sehr ergiebig. Mein Liebling war „Selenskyj will die Weltherrschaft.“ Ja nee, is klar.)
Turkmenistan bekommt einen neuen Staatspräsidenten, und der hat den gleichen Nachnamen wie der alte, denn es ist sein Sohn. Mit dem Antritt von Serdar Berdimuhamedow scheint sich herauszukristallisieren, dass hier nach Nordkorea wieder eine Dynastie von Diktatoren aus einem kommunistischen Regime entstanden ist.
Die öffentlichen Schulen in Tokio beschließen eine drastische Lockerung ihrer Regeln: Schüler mit nicht-schwarzer Naturhaarfarbe werden in Zukunft nicht mehr dazu gezwungen, sich ihre Haarpracht schwarz zu färben. (Das heißt allerdings nicht, dass Schüler, die von Natur aus schwarze Haare haben, ihre Haare färben dürfen. So viel Anarchie ist dann doch nicht zumutbar.) Zudem wird das Verbot eines beliebten Jungenhaarschnitts (an den Seiten kurz und oben lang) abgeschafft. Zusätzlich streichen die Schulen eventuell vorhandene Regeln zur Unterwäschefarbe ihrer Schüler. Hoffentlich wird Japan nun nicht zu einem Höllenloch der Kriminalität und Zügellosigkeit.
Tote des Monats: Mia Ikumi (Mangazeichnerin, u.a. „Tokyo Mew Mew“)
April
In Frankreich gewinnt Emmanuel Macron nach zwei Durchgängen seine Wiederwahl zum Staatspräsidenten gegen die rechte Kandidatin Marine Le Pen. Der Abstand und die Wahlbeteiligung in der Stichwahl am 24. April sind jedoch kleiner als bei der letzten Wahl 2017. Und die größte Enttäuschung für Macron bleibt halt: Er ist immer noch bloß Staatspräsident von Frankreich, und die Franzosen machen eh nie, was man ihnen sagt.
Die Führung von Twitter gibt nach einigem Hin und Her bekannt, dass sie das Kaufangebot von Elon Musk akzeptieren wird. Das löst in Teilen von Politik und Gesellschaft großes Wehklagen aus, denn Musk will doch tatsächlich die Redefreiheit stärken. Unerhört. Wie soll man denn dann gegen andere Meinungen, die man nicht teilt, ankommen? Etwa durch Diskussionen und Argumente? Demnächst erzählt man noch, dass man versuchen sollte zu verstehen, wieso die andere Seite so denkt, um besser darauf reagieren zu können. Was für ein Humbug, nicht wahr?
Der britische Parlamentsabgeordnete Neil Parish wird beschuldigt, während einer Debatte im Unterhaus Pornos auf seinem Handy angeguckt zu haben. Nach einigen Tagen gibt der Mann die Vorwürfe zu, wobei er erklärt, dass er zweimal Pornos geschaut hätte, einmal aus Versehen und einmal aus Absicht. (Beim ersten Mal wollte er wohl auf seinem Handy eigentlich Erntemaschinen der Marke „Claas Dominator“ recherchieren.) Da es juristisch eigentlich für einen Unterhausabgeordneten nicht möglich ist, sein Mandat aufzugeben, wird ihm im Folgemonat wie in diesen Fällen üblich ein Pseudo-Amt verliehen, welches ihn gleichzeitig für das Parlament disqualifiziert.
Toter des Monats: Fujiko A. Fujio (Mangazeichner, u.a. „Doraemon“)
Mai
In Afghanistan wird durch die Taliban die Burkapflicht für Frauen (wieder) eingeführt, obwohl nach dem Abzug der Nato-Truppen im letzten Jahr noch Leute hierzulande schrieben, dass die Taliban ja gar nicht mehr so radikalislamisch regieren könne, nun wo die Bevölkerung den Geschmack der Freiheit gekostet hätte und das gar nicht mehr zulassen würde.
Die finnische Regierung erklärt, dass das Land schnellstmöglich der Nato beitreten will. Im Januar wurde Putins Forderung, dass Finnland sich verpflichten sollte, nie in die Nato einzutreten, noch mit einem höflichen „Geht dich ja wohl nichts an“ beantwortet; der russische Krieg dürfte aber die Entscheidung zu einem Beitritt wesentlich beschleunigt haben. Wenige Tage später erklärt auch Schweden, dass es der Nato beitreten wolle.
Zum ersten Mal machen Klima-Aktivisten weltweit mit Kunstvandalismus auf sich aufmerksam, als ein Typ, verkleidet als Oma im Rollstuhl, eine Torte auf die Mona Lisa im Louvre schmeißt. Schon damals ist das Verständnis eher gering, aber selbst zum Jahresende kapieren die Vollpfosten nicht, dass es nicht an mangelnder Aufmerksamkeit liegt, dass man nicht bis morgen die CO2-Emissionen stoppen kann.
Weil wir in den letzten Jahren noch nicht genug mit Infektionskrankheiten zu tun haben, kommt noch eine dazu: Die Affenpocken breiten sich zunächst in Afrika, später weltweit aus. Trotz größter Anstrengung, einen gewissen Aspekt herunterzuspielen, fällt den meisten Leuten doch auf, dass die Infizierten zu über 95 Prozent Männer sind, die sexuellen Kontakt mit anderen Männern hatten, und die Gefahr für die allgemeine Bevölkerung dann wohl doch nicht ganz so groß ist, um eine Reaktion wie bei Covid zu rechtfertigen. Trotzdem gibt’s Konsequenzen: Die WHO benennt die Krankheit in Mpox um, weil man vermeiden will, dass sich gewisse Gruppen beleidigt fühlen könnten. In den sozialen Medien zeigen sich schwule Männer stolz mit ihren Pocken und nennen sie „Pridepox“.
In Japan sucht die Stadt Abu verzweifelt nach einem bestimmten Mann. Der hatte nämlich aus Versehen die Covid-Hilfsgelder für 463 Haushalte aufs Konto bekommen, insgesamt 46,3 Millionen Yen (etwa 330.000 Euro). Die hob er nach und nach ab. Als dann aber die Stadt bei ihm anklopfte, erklärte er, das Geld sei weg und er würde die Verantwortung übernehmen, allerdings war nicht ganz klar, ob es wirklich als Diebstahl gilt, wenn man jemandem das Geld versehentlich gibt. Im Mai ringt sich die Stadt endlich dazu durch, ihn auf Rückgabe des Geldes plus Anwaltsgebühren zu verklagen, doch inzwischen ist der Mann spurlos verschwunden.
Toter des Monats: Vangelis (Komponist)
Juni
Damit der Bundesbürger bei den stark gestiegenen Ölpreisen nicht mehr so viel Sprit verbraucht, gibt’s ab Juni für einige Monate das 9-Euro-Ticket, mit dem man deutschlandweit die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen kann. Das Ticket wird außerordentlich gut angenommen, ob es ein Erfolg ist, ist zweifelhafter: Statt einfach geplante Fahrten vom privaten Auto auf die öffentlichen Verkehrsmittel umzulegen, machen viele Ticketinhaber Fahrten, die sie sonst gar nicht unternommen hätten. Viele Züge sind überfüllt. Leute, die zwischen Berlin und der Ostseeküste leben und auf die Regionalzüge angewiesen sind, kommen wegen der Überlastung nicht mehr zur Arbeit, weil sie auf der Strecke nicht mehr zusteigen können.
In Großbritannien starten die Feierlichkeiten zum 70. Thronjubiläum von Queen Elizabeth II., die mehrere Tage andauern. Für die Königin gibt’s noch mehr zu feiern: Am Ende des Monats treten Gabun und Togo, die nie Teil des britischen Kolonialreichs waren, dem Commonwealth of Nations bei, um endlich von der gütigen Hand der ewigen Monarchin gestreichelt zu werden, zweifellos noch für sehr lange Zeit.
In Berlin rast ein Mann mit seinem Auto und voller Absicht über den Gehweg des Kurfürstendamms, durch eine hessische Schulklasse auf Klassenfahrt und schließlich in eine Douglas-Filiale. Anschließend will er fliehen, wird aber von Passanten festgehalten. Eine Lehrerin stirbt, 32 Menschen werden zum Teil schwer verletzt. Der Amokfahrer leidet offenbar unter einer paranoiden Schizophrenie und wird in einer psychiatrischen Klinik untergebracht, während die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Eine Frau in Indien muss es sich extrem mit einem Elefanten verscherzt haben: Als sie gerade Wasser holt, greift der Elefant sie an. Schwer verletzt wird sie ins Krankenhaus gebracht, wo sie ihren Verletzungen erliegt. Doch damit ist die Geschichte nicht vorbei: Als sie bei der Beerdigungsfeier verbrannt werden soll, taucht der Elefant wieder auf, greift den Leichnam, trampelt auf ihm herum und schmeißt ihn schließlich in die Gegend, bevor er sich wieder verdrückt. Warum der Elefant so schlecht auf die Frau zu sprechen war, lässt sich wohl nicht mehr herausfinden.
Toter des Monats: William Cohn (Sprecher und Schauspieler)
Juli
Die Welt blickt wieder auf die Briten: Dort findet im Juli die Fußball-Europameisterschaft der Frauen statt. Die deutschen Fußballdamen schlagen sich sehr gut und unterliegen erst im Finale gegen England. Allerdings ist den deutschen Fußballfans wohl auch klar, dass sie von den Männern ähnliche Erfolge bei der noch kommenden Fußball-WM in Katar eher nicht zu erwarten haben.
Ebenfalls in England: Boris Johnson kündigt seinen Rücktritt als Premierminister an. Ein Parteifreund von ihm, Chris Pincher, wurde von ihm zum Whip (Einpeitscher, der die Fraktionsdisziplin seiner Partei im Parlament sicherstellen soll) befördert, obwohl Johnson wusste, dass es gegen Pincher Vorwürfe gibt, dass er Männer sexuell belästigt haben soll. Nachdem Kabinettsmitglieder ihre Ämter niederlegen, da sie das Vertrauen in Johnson verloren haben, ist auch Johnson selbst nicht mehr zu halten. Er bleibt aber als Premier bis zur Wahl eines Nachfolgers im Amt.
Japan wird durch ein Attentat erschüttert: Bei einem Wahlkampfauftritt wird der ehemalige Premierminister Shinzo Abe von einem Mann mit einer selbstgebauten Waffe erschossen. Der Attentäter, ein arbeitsloser Ex-Soldat, begründet seine Tat damit, dass Abe die aus Korea stammende christliche Vereinigungskirche unterstützt haben soll, an die die Mutter des Attentäters das Familienvermögen gespendet und somit die Familie zu einem Leben in Armut verdammt haben soll.
Eine brasilianische Influenzerin sorgt für große Sorge bei ihren Fans, als sie ein Foto postet, das sie am Lissaboner Flughafen im Rollstuhl zeigt. Später erklärt sie, dass sie an extremen Bauchschmerzen litt. Im Krankenhaus findet man relativ rasch die Ursache: In ihren Gedärmen hatte sich Gas gesammelt, das nicht raus konnte. Nach der Befreiung der gefangenen Fürze war der Bauchschmerz aber weg. Ich nehme aber an, dass es ein ziemliches heftiges Brennen in den Augen gab.
Tote des Monats: Nichelle Nichols (Schauspielerin, u.a. „Star Trek“)
August
In der Oder kommt es im August zu einem rätselhaften Massensterben, Hunderte Tonnen Fisch und anderes Getier werden sowohl in Deutschland als auch in Polen tot aus dem Fluss geborgen. Die Aufklärung der Ursache geht von polnischer Seite aus etwas schleppend los, ein polnischer Politiker behauptet gar, dass Deutschland den Fluss vergiftet hätte, obwohl sich dafür mal eben die Fließrichtung der Oder hätte umkehren müssen. Wahrscheinlich ist nun, dass salzhaltige Abwässer in den Fluss geleitet wurden, die eine giftige Algenblüte auslösten.
Ein Schulbezirk in Missouri führt die Prügelstrafe wieder ein. Dem Vernehmen nach stammt die Idee eigentlich von den Eltern, die öfter mal nachfragten, warum die Lehrer den verzogenen Blagen nicht einfach mal den Hintern versohlen, wenn sie nicht spuren. Ob nun den Schülern geraten wird, bei den Schlägen ekstatisch zu stöhnen, ist allerdings nicht bekannt.
Schauspielerin Anne Heche rast unter Drogeneinfluss mit ihrem Auto in ein Einfamilienhaus in Los Angeles. Das Auto gerät dabei in Brand, als man sie herausholt, hat sie neben Verbrennungen auch Knochenbrüche und ein Hirntrauma. Wenige Tage später wird sie für tot erklärt.
Der Umpqua National Forest in Oregon ist fast 4000 Quadratkilometer groß und gesetzlich geschützt, daher ist es wohl nicht ungewöhnlich, wenn nicht jeder Ort in dem Gebiet allgemein bekannt ist. Erst recht gilt das für den Swastika Mountain (Hakenkreuzberg), der diesen ungewöhnlichen Namen unbehelligt seit über hundert Jahren trägt. Doch nachdem der Name in Medienberichten auftauchte, als im Januar zwei Wanderer dort gerettet werden mussten, hat sich eine 81-jährige Frau zur Aufgabe gemacht, diesen Namen zu ändern, und entsprechende Unterlagen bei den Behörden eingereicht. Wie sich herausstellt, trug auch eine inzwischen verlassene Siedlung in der Nähe diesen Namen, nach einer Ranch, die dieses Symbol als Brandzeichen für ihr Vieh verwendete. Neue mögliche Namen sind „Mount Umpqua“ oder „Mount Halo“ (nach einem Indianerhäuptling).
Toter des Monats: Michail Gorbatschow
September
Liz Truss wird zur neuen Premierministerin des Vereinigten Königreichs ernannt, nachdem sie die Wahl zum Parteivorsitz der Konservativen gewonnen hat. Einen Tag später wird sie von Queen Elizabeth II. auf Schloss Balmoral in Schottland empfangen, doch das gibt der alten Dame den Rest. Am 8. September stirbt die Monarchin im Alter von 96 Jahren. Eine Ära geht damit zu Ende, im Englischen musste man nur „Queen“ sagen, und es war klar, dass sie damit gemeint war, wenn nicht ein anderer Name danach genannt wurde. Es wird auch eine Weile dauern, bis man sich daran gewöhnt hat, ihren ältesten Sohn nicht mehr als Prince Charles, sondern als Charles III. zu bezeichnen.
Auch in Kasachstan muss man sich wieder umgewöhnen: Nachdem die Hauptstadt drei Jahre lang Nur-Sultan hieß (nach dem langjährigen Staatschef Nursultan Nasarbajew), heißt sie nun wieder Astana (was einfach das kasachische Wort für „Hauptstadt“ ist). Bis 1998 hieß sie übrigens Aqmola, bis 1991 Zelinograd und bis 1961 Akmolinsk.
An den Gaspipelines Nord Stream 1 und 2, die Erdgas aus Russland nach Deutschland liefern sollten, kommt es zu Explosionen, die die Röhren zerstören. Das Schadensbild lässt vermuten, dass es sich hier um staatliche Sabotage handelt, die verdächtige Funkstille nach mehrmonatiger Untersuchung lässt aber vermuten, dass hier die Schuld mal nicht bei den Russen liegt.
Russland erklärt nach Scheinreferenden derweil offiziell einige Oblaste in der Ukraine sowie die Separatistengebiete Donezk und Luhansk zu russischem Staatsgebiet – obwohl die russische Armee die besagten Oblaste gar nicht vollständig unter Kontrolle hat. In den Folgemonaten werden die Russen gezwungen sein, weitere zuvor eroberte Gebiete aufzugeben.
Im Iran wird eine junge Kurdin von der Sittenpolizei festgenommen, weil sie ihren Hidschab nicht korrekt getragen haben soll. Wenige Stunden später ist sie tot, Zeugen zufolge wurde sie von den Polizisten schwer misshandelt. Ihr Tod löst große Proteste aus, insbesondere die junge Bevölkerung hat die Nase voll vom religiösen Regime. In den Folgemonaten gibt es tägliche Demonstrationen, bei denen das Regime viele Teilnehmer festnimmt und teilweise zu Todesstrafen verurteilt, die auch vollstreckt werden.
Tote des Monats: Elizabeth II. (Königin)
Oktober
Bei einem Anschlag auf die Infrastruktur der Deutschen Bahn werden Kabel in Herne und Berlin durchtrennt, was zum Ausfall des Zugfunknetzes im Norden Deutschlands führt und großflächige Störungen im Zugverkehr auslöst. Wer hinter dem Anschlag steckt, ist auch Monate später unklar. Umso klarer ist jedoch, dass die sensible Infrastruktur in Deutschland so gut wie gar nicht gegen Angriffe geschützt ist und der vorhandene Schutz im Wesentlichen darauf beruht, nicht mit Schildern auf die besonders empfindlichen Angriffspunkte hinzuweisen.
In Belarus verbietet Präsident Lukaschenka Preissteigerungen, um die Inflation einzudämmen. Angesichts von Inflationsraten von 10 Prozent (bzw. mehr, wenn man nur den Energiebereich anschaut) wünschen sich auch in Deutschland viele Menschen ähnliche Maßnahmen, auch wenn stark bezweifelt werden kann, dass solche Schritte wirklich helfen würden.
In Großbritannien versucht Liz Truss, mit Steuersenkungen und hoher Staatsverschuldung den Preisanstieg zu mildern, aber die durch den Plan hervorgerufene finanzielle Instabilität führt dazu, dass die meisten Maßnahmen wieder zurückgenommen werden müssen. Forderungen nach einem Rücktritt schmettert Truss mit „I am a fighter, not a quitter“ ab. Einen Tag später verkündet sie ihren Rücktritt. Weniger als zwei Monate hatte noch kein Premierminister vor ihr und sie hat eine Queen im Amt überlebt, das können immerhin nicht viele sagen.
In den USA läuft noch der Wahlkampf für die Midterm Elections, und der Kandidat Mike Itkis macht mit einem besonderen Wahlkampfvideo auf sich aufmerksam: Er lädt auf Pornhub den Streifen „Bucket List Bonanza“ hoch, einen selbstgedrehten Porno mit der Darstellerin Nicole Sage. Er tritt für die Legalisierung von Sexarbeit ein, aber man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er einfach die Möglichkeit wahrnehmen wollte, Wahlkampfspenden für einen ordentlichen Aufhüpfer ausgeben zu dürfen. Geholfen hat’s allerdings nicht: Der in der Ukraine geborene Lokalpolitiker verliert bei der Wahl gegen den Kandidaten der Demokraten.
Eigentlich wollte Elon Musk Twitter doch nicht kaufen, nun jedoch tut er es, bevor er gerichtlich dazu gezwungen werden kann. Fragwürdige Entscheidungen sorgen für ein bisschen Chaos; wenn man den Medien und der linken Blase glaubt, wird der Dritte Weltkrieg von Twitter ausgelöst. Viele Twitter-Angestellte werden rausgeschmissen, und man merkt keinen Unterschied in der technischen Verfügbarkeit. In den kommenden Monaten veröffentlicht Musk interne Twitter-Dokumente, die belegen, dass ein Großteil der Verschwörungstheorien um Twitter stimmte: Ja, es gibt Shadowbanning, ja, Regierungen und politische Gruppen hatten direkten Einfluss auf Moderationsentscheidungen, ja, die Mitarbeiter haben gezielt Regeln gebeugt, um (hauptsächlich konservative) Meinungen zu zensieren, die ihnen persönlich gegen den Strich gingen. Ein bisschen erstaunt kann man durchaus sein über die Zahl der Ex-FBI-Mitarbeiter, die bei Twitter auf der Gehaltsliste standen. Viele der Leute, die groß ankündigen, Twitter zu verlassen, bleiben klammheimlich und machen sich höchstens einen Zweitaccount bei Mastodon. (Ist eh seltsam, dass all die Leute sich nie daran gestört haben, dass Taliban und Co. bei Twitter posten, aber eine Wutlatte bekommen, wenn die Möglichkeit besteht, dass Donald Trump entsperrt wird.)
Tote des Monats: Angela Lansbury (Schauspielerin, u.a. „Mord ist ihr Hobby“)
November
Ätsch, wir Berliner dürfen häufiger Demokratie machen als die anderen: Der Bundestag beschließt die teilweise Wiederholung der Bundestagswahl in einigen Wahlbezirken Berlins; der Verfassungsgerichtshof in Berlin ordnet die Wiederholung der kompletten Abgeordnetenhauswahl und der Bezirksverordnetenwahlen an. Alle bemängelten Wahlen fanden 2021 zur gleichen Zeit statt und waren organisatorisch eine Katastrophe: falsche oder zu wenige Stimmzettel, dank Corona zu wenig Wahlkabinen, viele Wahllokale mussten zwischenzeitlich geschlossen und/oder viel länger offengehalten werden. Aufgrund der nötigen Fristen kann die Bundestagswahl nicht am gleichen Tag wiederholt werden wie die Abgeordnetenhauswahl, aber immerhin kann man jetzt die Hoffnung haben, dass die Sache besser funktioniert. Immerhin werden schon im Dezember Bürgerämter komplett geschlossen, um die Abgeordnetenhauswahl im Februar 2023 ordentlich vorzubereiten.
Bei den Midterm Elections in den USA bleibt der erwartete Erdrutschsieg der Republikaner aus: Sie gewinnen zwar knapp die Mehrheit im Repräsentantenhaus, aber die Demokraten verteidigen ihre Mehrheit im Senat. Gerade Kandidaten aus dem Trump-Lager können nicht überzeugen. Dass Donald Trump eine Woche später ankündigt, wieder für die Präsidentschaftswahl 2024 kandidieren zu wollen, führt bei den Republikanern also nicht zu Jubelstürmen, zumal sich abzeichnet, dass die Verwicklung von Trump in die Geschehnisse vom 6. Januar 2021 auch noch juristische Konsequenzen haben wird.
Die Weltbevölkerung überschreitet offiziell die 8-Milliarden-Marke. Kein Wunder, dass man keine Wohnungen kriegt. Und Parkplätze werden auch immer weniger. Da wirkt die Weite des Weltalls doch etwas verlockender als sonst. Die NASA startet nach vielen Verzögerungen endlich die Artemis-1-Mission, bei der das neue Trägersystem SLS und das Orion-Raumschiff unbemannt getestet werden sollen, indem man die Orion um den Mond schickt. Die Mission wird im Dezember erfolgreich abgeschlossen und weckt in nicht wenigen Menschen wieder eine Mond-Begeisterung, wie es sie in den 60er Jahren gab.
Wo wir bei Wahlen waren: Auch in Taiwan gibt’s welche. Und offenbar ist Bestechung und Stimmenkauf bei solchen Wahlen in der Republik China ein ernsthaftes Problem. So ernsthaft, dass die Polizei vor Regionalwahlen durch die Nachbarschaften fährt und mit Lautsprecherdurchsagen dazu aufruft, doch bitte nicht zu bescheißen. Bei einer solchen Rundfahrt kam auch ein Polizeiwagen an einem Friedhof vorbei, und der nette Polizist improvisierte gleich einen augenzwinkernden Appell an die Verstorbenen, ihre überlebenden Nachfahren doch bitte im Traum heimzusuchen und ihnen zu sagen, dass sie gefälligst keine krummen Dinger drehen sollen. Allerdings weiß ich nicht, ob das geholfen hat. Das Video davon geht jedenfalls in Taiwan viral. Vielleicht hilft ja wenigstens das.
Toter des Monats: Jan Spitzer (Schauspieler und Synchronsprecher, z.B. Brain aus „Pinky und der Brain“)
Dezember
Pünktlich zum Monatsanfang scheidet Deutschland kläglich in der Gruppenphase der Fußball-WM in Katar aus, obwohl man das letzte Spiel gegen Costa Rica noch gewinnt. Überraschend ist es nicht: Wirklicher Kampfgeist ist nicht zu erkennen, teilweise fehlt auch die Qualität. Dafür muss ganz unbedingt viel Haltung gezeigt werden. Kritisieren kann man an Katar viel, aber weil tote Arbeiter und unterdrückte Frauen keine eigene Fahne haben, schießt man sich auf den Umgang mit Homosexuellen ein. Doof: Die FIFA verbietet die Regenbogenfahne, also malt man sich rasch ein Plagiat und will das tragen, doch dann droht die FIFA auch dabei mit Gelben Karten und Geldstrafen, sollten Spieler diese Binde tragen. Am Ende hält man sich beim Gruppenfoto die Hand vor dem Mund. Nach der WM kommt raus, dass die meisten Spieler das ganze Theater doof fanden. Den Gesamtsieg erzielt schließlich Argentinien, mit einem versöhnlichen Karriereende in der Nationalmannschaft für Messi und etwas Trost für die von wirtschaftlicher Not gebeutelten Argentinier.
Bei einer Großrazzia in der Reichsbürgerszene werden 25 Menschen festgenommen. Den Leuten wird vorgeworfen, einen Staatsstreich geplant zu haben. Das Vorgehen wirkt auf nicht wenige Menschen etwas inszeniert, um die Entschlossenheit der Staatsgewalt zu demonstrieren: Zur Razzia standen Journalisten gleich mit der Kamera im Anschlag bereit, die gefundenen Waffen wären vermutlich nicht mal genug gewesen, um in den Reichstag reinzukommen, die Mitglieder waren zum großen Teil alt und die beteiligten (Ex-)KSK-Soldaten waren keine mit Eliteausbildung, sondern Papierschänder im Stabsdienst.
Eine Vizepräsidentin des Europaparlaments wird am Welt-Anti-Korruptions-Tag wegen Korruptionsverdachts festgenommen, und alle fragen sich: „Wie, nur die? Was ist mit dem ganzen Rest?“ Die griechische Politikerin Eva Kaili soll Bestechungsgelder aus Marokko und Katar angenommen haben. Neben ihr sind auch noch ihr italienischer Freund Francesco Giorgi, der ehemalige italienische Europaabgeordnete Pier Antonio Panzeri und zwei weitere Italiener verdächtig, was so ziemlich alle Vorurteile gegenüber südeuropäischen Politikern bestätigt, die man sich an den Stammtischen so herumerzählt. Aber ich muss zugeben: Die Erzählungen von prall gefüllten Bargeldsäcken machen mich selber auch schon ein bisschen geil.
Im Foyer des Radisson Hotels in Berlin-Mitte platzt kurz vor 6 Uhr das größte zylindrische Aquarium der Welt. Rund eine Million Liter Wasser strömt auf die Straße, fast alle der 1500 Fische in dem Aquarium erfrieren in der nächtlichen Kälte. Im Foyer sieht es aus wie nach einem Bombeneinschlag. Der AquaDom war 2003 für fast 13 Millionen Euro von der amerikanischen Firma Reynolds Polymer Technology gebaut worden, die große Erfahrung mit derartigen Aquarien hat. Gegen Geld konnte man mit einem Aufzug in der Mitte des Zylinders fahren und die Fische aus der Nähe bewundern, nun ist die ganze Pracht dahin, obwohl das Aquarium erst im Sommer nach zwei Jahren Sanierung wiedereröffnet worden war. Die Kommentare im Internet bestätigen mal wieder, was für einen miesen Ruf Berlin bei vielen hat – was aber die in diesen Kommentaren viel gescholtene Berliner Politik für das Bersten des Aquariums kann, bleibt komplett offen.
Toter des Monats: Benedikt XVI. (Papst)
Uff. Das reicht jetzt aber auch. Einerseits ist es wohl gut, dass das Jahr jetzt um ist, andererseits: Sollte man sich Gedanken machen, wenn jemand, der angeblich einen besonders guten Draht zu Gott hat, lieber noch schnell stirbt, als auch nur einen Tag in 2023 verbringen zu müssen?
So, jetzt noch schnell die Neujahrsansprache, dann kann ich mich auch endlich zurücklehnen. Bis gleich!
Premiummitglied
Vielen Dank für den unterhaltsamen Rückblick und hoffentlich wird 2023 ein besseres Jahr für dich!