Velma - Die meistgehasste Animationsserie?
Nuff! Ich grüße das Volk.
Im englischsprachigen Internet ist es (nach der Biografie von Prinz Harry und vor der Story über die verheiratete Polizistin, die mit Kollegen eine Orgie gefeiert hat) gerade ein großes Thema: die neue Animationsserie „Velma“ über den besagten Charakter aus der Scooby-Doo-Serie, wobei der Hund selbst gar nicht in der Serie auftaucht. Das ist wohl auch ein Glück für ihn. Ich habe mir die bisher veröffentlichten Episoden angeschaut, um meinen Senf dazuzugeben. Und ohne spoilern zu wollen: Ich habe nach der ersten Folge so eine Abscheu dagegen gehabt, die zweite anzuschauen, dass in der Zwischenzeit zwei weitere Folgen erschienen sind. Ich habe also durch meine Trödelei mein Leiden noch vergrößert. Ich Idiot.
Die Produzentin und Sprecherin der Titelfigur ist Mindy Kaling, eine indischstämmige Schauspielerin und TV-Autorin. Warum das wichtig ist? Weil das erklärt, warum Velma plötzlich so dunkel ist: Sie sieht aus wie ihre Sprecherin. Auch Shaggy hat eine ähnliche Wandlung erfahren: Er ist jetzt schwarz und nennt sich auch nicht mehr Shaggy, sondern Norville. Daphne ist jetzt Asiatin, Fred durfte seine Hautfarbe behalten, aber das ist auch kein Segen. Die Serie soll erzählen, wie aus den vier Charakteren ein Team wurde, das rätselhaften Vorkommnissen auf den Grund geht.
Die Story: Velma ist Schülerin der Crystal Cove Highschool (wie auch Daphne, Norville und Fred). Velmas Mutter, eine Krimiautorin, ist vor zwei Jahren spurlos verschwunden, seitdem löst Velma keine Rätsel mehr und hat gruselige Halluzinationen, wenn sie versucht, ein Geheimnis zu ergründen. Eines Tages fällt aus ihrem Spind in der Mädchen-Umkleide eine tote Schulkameradin, bei der das Gehirn entfernt wurde. Sie ist zunächst verdächtig, dann aber stellt sich (nach einer weiteren ermordeten Schülerin) heraus, dass Fred noch verdächtiger ist. Er wird verhaftet und als Mörder verurteilt, aber dann findet man eine weitere Leiche, wodurch Fred entlastet ist und freikommt. Doch es ist weiterhin unklar, wer die Mädchen wirklich umgebracht und ihre Gehirne entfernt hat. Nur eine Sache ist sicher: Der Mörder sucht sich nur die heißen Mädels. Deswegen wird Velma gebeten, eine Liste der fünf heißesten Schülerinnen der Highschool zu erstellen, damit diese Mädchen Polizeischutz bekommen können.
Ich habe versucht, die Inhaltsangabe dieser vier Folgen möglichst neutral und kurz zu formulieren, aber dabei könnte der Eindruck entstehen, dass die Serie ja eigentlich doch ganz spannend wäre. Mitnichten. Das erste Problem sind die Charaktere: Alle sind unausstehlich.
Das beginnt mit Velma. Sie ist ein narzisstisches Arschloch. Bei ihrem ersten Auftritt in der Serie prügelt sie Daphne mit einem Hockeyschläger, sie behandelt andere herablassend, die neue (und schwangere) Partnerin ihres Vaters wird von ihr als „Basic Bitch, die nicht weiß, wie man Hashtags benutzt“ beleidigt und als minderwertig angesehen, weil sie nur eine Kellnerin wäre (obwohl sie die Besitzerin des Lokals ist). Norville ist verknallt in sie, aber zu ihm ist sie regelrecht grausam. Sie motzt ihn an, weil er mit ihr zusammen die Mathehausaufgaben machen wollte, anstatt ihr einfach die Lösungen zu mailen. Als sie wieder eine Halluzination hat, gesteht Norville ihr seine Gefühle, um sie abzulenken, und sie lacht sich total kaputt darüber. In Kindertagen war Daphne Velmas beste Freundin, das ging dann auseinander, und es ist Velma, die mit fiesen Graffiti und dem öffentlichen Vorlesen von Daphnes Tagebuch versucht, sie zu erniedrigen. (Ab der zweiten Folge wird dann klar, dass die beiden zusätzlich auch lesbische Gefühle füreinander hegen, obwohl Velma zunächst auch auf Fred steht.)
Mit Norville könnte man eigentlich Mitleid haben, aber mit seiner Besessenheit von Velma ist er einfach nur abschreckend. Er textet ihr dauernd, er ist bereit, eine Niere zu verkaufen, damit Velma an die Polizeiakte zum Verschwinden ihrer Mutter kommt, und gibt offen zu, sie damit erpressen zu wollen, damit sie mit ihm ausgeht – und als er das zwischen Velma und Daphne mitbekommt, ist er erst stinksauer, dann aber klammert er sich an Daphne und analysiert sie, damit er das an ihr nachahmen kann, was Velma mag, damit sie ihn auch so attraktiv findet. Und diesmal hat er nicht mal einen Hund, um zu zeigen, dass er doch liebenswerte Facetten besitzt oder Velma nicht total hörig ist, weil er nach Zuneigung lechzt wie Dagobert Duck nach Gold.
Daphne ist sauer, weil Velma sich so von ihr abgekapselt hat, aber man muss auch sagen: Daphne ist oft wirklich eine Zicke. Sie legt sich körperlich mit anderen Mädchen an, schmeißt Velma um, als die nicht ihre Gefühle gestehen will, verkauft Drogen und will Velma dazu zwingen, das auch zu tun. (Sie braucht nämlich Geld, um nach ihren leiblichen Eltern zu suchen, denn sie wurde als ausgesetztes Baby im Wald entdeckt.)
Was man mit Fred gemacht hat, ist so ein extremer Fall von Charaktermord, dass man sich kaum vorstellen kann, wie er am Ende in das Team passen soll: Fred ist ein verwöhntes Kind reicher Eltern. Er ist so verwöhnt, dass er zu dumm ist, selbst Pancakes oder Steaks in mundgerechte Happen zu schneiden. Weil er ständig von Dienern und seinen Eltern umsorgt wird, hat er keine Pubertät durchgemacht und deswegen einen kleinen Schwanz. Ein Beispiel für seine Infantilität: Wenn er schmutzig ist, ruft er „Bathies!“, reckt seine Arme in die Luft und erwartet wie ein kleiner Junge, gewaschen zu werden. Außerdem ist er ein kleiner Rassist und neigt zu Jähzorn. Und die Serie gibt sich ständig Mühe zu betonen, dass er ein reicher weißer Typ mit kleinem Penis ist. Haha. Body Positivity ist total richtig und wichtig, aber haben wir schon erwähnt, dass er einen kleinen Penis hat? Knaller. Komischerweise steht Velma auf ihn – jedenfalls bis zum Ende der vierten Episode, als Fred schließlich Interesse an ihr hat (nachdem er ein feministisches Buch über innere Schönheit lesen musste), woraufhin er für Velma uninteressant wird.
Damit ist schon eine der wichtigsten Grundlagen für eine gute Show total vergeigt worden, und wenn man sich in Erinnerung ruft, wie die Charaktere in den vorherigen Scooby-Doo-Shows waren, wirken die Gerüchte gar nicht so abwegig, dass Mindy Kaling eigentlich eine komplett eigenständige Show machen wollte, aber die Warner-Bros/HBO-Bosse kein Vertrauen darin hatten, dass die erfolgreich sein könnte, und deswegen verlangten, das Konzept an ein bekanntes Franchise zu tackern. Dummerweise funktioniert die Sendung immer noch nicht, und das liegt nicht nur an den Charakteren, sondern auch am Humor.
Gleich ganz am Anfang erklärt Velma, dass dies ihre (also Velmas) Ursprungsgeschichte wäre und das was Besonderes wäre, weil solche Geschichten ja sonst meistens von gutaussehenden, großen Männern handeln, die noch mehr Macht kriegen, und wenn es um Frauen geht, dann nur darum, wie sie verrückt wurden. (Entbehrt nicht einer gewissen Ironie, wenn man dann erfährt, dass sie heftige Halluzinationen kriegt, bei denen sie sich panisch auf dem Boden wälzt, aber das scheint den Machern gar nicht aufgefallen zu sein.) In der nächsten Szene sind Daphne und ihre Clique nackt in der Dusche der Schul-Umkleidekabine und Daphne stößt eine Diskussion darüber an, wieso Pilotfolgen immer überaus viel Nacktheit zeigen. Kurze Zeit später beim Zanken schauen sich Daphne und ein anderes Mädel in die Augen, und ein drittes Mädchen bemerkt, dass wenn das hier eine Fernsehsendung wäre, es ganz schön heiß wäre, wenn die beiden sich jetzt küssen würden. Als Velma wenige Minuten später verhaftet und von den lesbischen Adoptiveltern von Daphne verhört wird, beschwert sie sich, dass lesbische Polizistinnen doch gut sein sollten beim Lösen von Kriminalfällen, schließlich wäre das das einzige positive Klischee, das Cop-Shows verbreiteten. Als sie später bei Norville im Auto fährt, erwähnt er nebenbei, dass er Drogen hasst, und guckt dabei lange direkt den Zuschauer an, eine Anspielung darauf, dass Shaggy in der Popkultur so oft als Kiffer eingeordnet wird. Auf die Idee, Velma mit einem großen Gefallen zu erpressen, damit sie mit ihm ausgeht, kommt er, weil es in Fernsehsendungen so funktioniert.
Kurz gesagt: Der Meta-Humor wird so dick aufgetragen, dass er schon in den Kilometa-Bereich geht. Ich hab normalerweise nichts gegen Meta-Humor, aber er sollte eine zusätzliche Würze sein, nicht die Hauptmahlzeit. Bei „Velma“ hat man den Eindruck, dass ganze Szenen nur deswegen existieren, um so einen Kommentar abzulassen, und die sowieso schon ziemlich spärliche Story wird dann auch für den Zuschauer nicht spannender und die Charaktere noch unausstehlicher. Die Autoren scheinen nicht viel drauf zu haben, zumal sehr oft Sachen einfach gesagt werden, anstatt sie zu zeigen, was gerade bei einer animierten Show nicht mal sachliche Gründe außerhalb mangelnder Kompetenz der Autoren hätte. Allerdings scheint man die eigentliche Story sowieso eher als Nebensächlichkeit zu behandeln. Nicht, dass die alten Scooby-Doo-Shows ausgefeilte Geschichten erzählt hätten, aber wenigstens wurden die damals nicht komplett vergessen, weil man unbedingt zeigen wollte, wie sich Daphne und Velma im Schulsport prügeln.
Ist die Show „woke“, wie so viele beklagen? Ja, aber auf eine sehr seltsame Weise, die sich manchmal ins Gegenteil verkehrt. Es gibt immer wieder böse Bemerkungen über das Patriarchat und Weiße (gerne verpackt in diesen Meta-Humor), zusätzlich wirkt Velma meist wie ein Musterbeispiel für herablassenden Feminismus. Abgesehen von Freds Eltern sind alle Elternpaare gemischt: Daphnes lesbische Adoptiveltern sind schwarz und weiß, Velmas Vater ist schwarz, aber seine aktuelle Freundin nur leicht angedunkelt (keine Ahnung, was sie ethnisch sein soll), Norville ist schwarz, aber sein Vater ist weiß. Auch die Schülerschaft selbst ist unrealistisch bunt.
Und trotzdem vergleicht sich Velma an einer Stelle mit Comedians vor #MeToo, es wird auf den Widerspruch zwischen „Jede Frau soll sich frei entfalten dürfen“ und Slutshaming durch neidische Geschlechtsgenossinnen hingewiesen, und als in einer Szene Fred versucht, sich als unschuldiges Kind darzustellen, um den Mordverdacht loszuwerden, regnet es und ein paar seiner künstlichen Wimpern werden über seine Oberlippe gespült, worauf ein Zuschauer ruft: „Er sieht aus wie Hitler! Und diesmal nicht nur, weil wir jeden mit Hitler vergleichen!“, was eine Selbstreflexion wäre, die man selten in den Kreisen bemerkt, die an der Speerspitze der „woken“ Bewegung stehen.
Im Endeffekt sorgt das dafür, dass Leute auf der rechten Seite kritisieren, dass die Show zu „woke“ wäre, während die Leute auf der linken Seite die Show kritisieren, weil sie eine rechte Parodie auf die neulinken Überzeugungen wäre und diese lächerlich machen würde. Allerdings ist auch ziemlich egal, auf welcher Seite man steht, es gibt genug andere Kritikpunkte, um die Serie zu verreißen.
Obwohl so ziemlich jeder die Serie hasst, hat HBO schon angekündigt, dass es eine zweite Staffel geben wird. Im Netz hieß es dann, dass die Hatewatcher daran schuld wären, weil sie mit ihrem Verhalten für brillante Abrufzahlen bei HBO gesorgt hätten. Das glaube ich nicht. Ich denke, dass die zweite Staffel schon vor dem Start der Serie ausgemacht war, denn niemand wäre so dumm zu glauben, dass all die Leute, die die ersten Folgen der Serie nur aus morbider Neugier mit wachsender Abscheu geguckt haben, auch noch bei der nächsten Staffel dabei wären. (Außerdem dürften viele Leute die Serienfolgen nicht legal geguckt haben, sondern über illegale Streaming- und Torrentwebsites an die Episoden gekommen sein.)
Habt ihr schon was von der Serie mitbekommen? Wenn ja, wie gefällt sie euch? Wenn nicht, hättet ihr jetzt total Bock, die zu sehen? Was haltet ihr von den alten Scooby-Doo-Serien? Fandet ihr Scrappy-Doo auch so nervig? Und wie sind eigentlich diese Kinofilme gewesen? (Die hatte ich nie gesehen.) Schreibt’s in die Kommentare!
Bis dann!
Premiummitglied
Irgendeine masochistische Ader will sich hier selbst davon überzeugen, dass es wirklich so mies ist. Aber am Ende sag' ich lieber... ne lass mal.
Ich habe die alten Scooby Doo Serien geliebt. Ein steter Begleiter meiner Kindheit und Jugend. Auch Scrappy hab' ich damals gemocht. *steinigt mich ruhig*
Die Filme habe ich aber auch nie gesehen.