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Experten

Vielleicht kennt der geneigte Leser das Paradoxon auch: Je weniger jemand Ahnung von einer Sache hat, desto größer ist sein Verlangen, sich auf genau diesem Gebiet als allwissender Experte zu präsentieren. Dieser Anspruch wird auch dann vehement verteidigt, wenn sich eine wirklich informierte Person zu Wort meldet, weil sie den Blödsinn nicht mehr ertragen kann, der dort verbreitet wird. Bar jeglichen Realitätsbezuges wird alles, aber auch wirklich alles, was man an Faktenwissen einbringt, von den selbsternannten Koryphäen als absolute Fehlinformation gebrandmarkt.
Wenn man es dann doch geschafft hat, mittels tonnenschwerer Enzyklopädien, persönlichen Mitteilungen berühmter Nobelpreisträger und amtlichen Bescheinigungen des Bundesministeriums für Allgemeinbildung seine Darstellung wasserdicht gegen alle Gegenbehauptungen zu sichern, und der "Experte" dazu gezwungen wird, seinen Irrtum einzugestehen, dann ist das natürlich niemals der Fehler beim "Experten" selbst zu suchen.
Nein, vielmehr hat man sich überaus unklar ausgedrückt, ihn in einer schweren Stunde erwischt, in der sein Hirn gerade mit anderen Dingen gefüllt war, was ihn zu Tippfehlern verführt hat, oder ein Riss im Raum-Zeit-Gefüge sorgte dafür, dass die gegenseitige Informationsübertragung verfälscht wurde. Der "Experte" selbst ist unfehlbar.

"Adolf Hitler hieß eigentlich Schicklgruber!"
"Nein, das ist nur ein Gerücht, was seine politischen Gegner damals in Umlauf gesetzt haben."
"GAR NICHT WAHR!!!!" (Man beachte: Der "Experte" neigt zu lautstarker Untermauerung seiner Meinung.)
"Schau hier: Geschichtsbücher, Lexika der populären Irrtümer, Wissenssammlungen im Internet - alle entlarven die Behauptung als unwahr."
"Das hab ich doch von Anfang an gesagt! Aber du musstest dich ja so schräg ausdrücken!!"
Nur ein kleines Beispiel, was für viele derartige Ereignisse steht. Bekannt, nicht wahr?

Nach meinen Beobachtungen wird die Plage der Möchtegern-Experten in den letzten Jahren immer enervierender, und die Altersgrenze der Plagenden verschiebt sich immer weiter nach unten. Früher wurde den Kindern noch eingetrichtert, ein gewisses Maß an Bescheidenheit zu wahren, heute wird den Blagen anscheinend beigebracht, sich für das größte, beste, tollste und unfehlbarste Wesen unter der Sonne zu halten. "Du kannst alles schaffen, wenn du nur an dich und deine Großartigkeit glaubst" - Diese naive Weltsicht gepaart mit der unheilvollen Übermensch-Philosophie ist keine Erziehungsgrundlage, sie ist einfach nur blöd. Natürlich kann man stolz auf das sein, was man leisten kann. Aber bitte nicht auf Sachen, bei denen man sich nur einbildet, sie leisten zu können. Wer das nicht unterscheiden kann, ist eigentlich nur noch für eine Karriere in der Politik geeignet (ja, das ist wirklich das einzige, Zlatko will auch niemand mehr sehen). Und Politiker haben wir mehr als genug, da stimmt mir wohl jeder zu.

PS: Natürlich gehört der Leser dieses Textes nicht zu den Möchtegern-Experten. Ich weiß schließlich, wie viel Schleimerei ich den Besuchern meiner Seite schuldig bin.

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