Tierisch
Es dürfte eines der am wenigsten gehüteten Geheimnisse sein, dass ich von Esoterik so ziemlich gar nichts halte. Erst recht halte ich nichts davon, wenn irgendwelche skrupellosen Beutelschneider angeblich magische Steine verkaufen oder wundersame Essenzen verscherbeln, die angeblich kosmische Quantenenergie aufgenommen haben und so Gesundheit, Erfolg und Glück ins Leben bringen sollen. Aber immerhin bekommt man noch ein bisschen was für sein Geld. Auch wenn der geschliffene Glasklumpen überteuert ist, man kann ihn wenigstens noch in die Schrankwand stellen und als Mahnung für die Zukunft benutzen, zumindest bis Tine Wittler einmarschiert und ihn mitsamt Mobiliar entsorgt.
Allerdings gibt es auch Leute, die sich denken: Ich bin zu geizig, irgendwelche Requisiten zu kaufen, ich will den Menschen einfach so Geld aus der Tasche ziehen. Und die bieten dann zum Beispiel ihre Dienste in Sachen Tierkommunikation an. Und dabei geht es nicht etwa darum, die Körpersprache seiner Hauskatze interpretieren zu können. Nein, es geht um Telepathie!
Und was das Telepathische angeht, sind unsere Haustiere echte Quasseltaschen, wenn man der Tierkommunikatorin Christine Tetau glauben möchte. Die stellt auf ihrer Website zuallererst die Frage: „Weißt du, dass Tiere sprechen?“ Und dann beantwortet sie die Frage selbst. Angeblich sprechen die Viecher mit den Bäumen, dem Mond, der Sonne, der Erde, dem Wind, ihrem Essen, mit Engeln, Feen und Elfen, und wenn sie dann noch was zu erzählen haben, sprechen sie auch mit dem Menschen. Das heißt dann wohl, wenn die Katze mich um Futter anbettelt, dann konnten sich Bäume, Himmelskörper, Engel, Feen und Elfen wohl einfach nicht dazu überwinden, ihr ein paar Leckerchen zuzuwerfen.
Das Schöne an telepathischer Kommunikation mit dem Haustier ist, dass das Tier nicht einmal in der Nähe sein muss. Selbst Herrchen oder Frauchen müssen nicht wirklich da sein, denn die freundliche Tierkommunikatorin bietet ihre Dienste fernmündlich an. Die ersten 20 Minuten kosten schlappe 60 Euro, danach 15 Euro für je 10 Minuten, aber auch nur bis zu einer Höchstdauer von 50 Minuten. Wenn der Köter danach immer noch was auf dem Herzen hat, scheiß drauf. Bei den Preisen sollte man aber sowieso darauf hoffen, dass die Olle nebenbei noch ordentlich in den Hörer stöhnt, damit man wenigstens ein bisschen was Handfestes dabei herausbekommt.
Nachtrag 2016: Inzwischen hat die Frau ihre Website überarbeitet und präsentiert neue Preise. Billiger ist es nicht geworden.
Wer sich jetzt aber denkt: „Scheiß die Wand an, so ein Hund wird um die 15 Jahre alt, das kann ich mir doch gar nicht leisten, jedes Mal die Alte anzurufen, wenn ich glaube, dass der Hund ein seelisches Problem hat“, für den gibt es Abhilfe. Denn Christine Tetau bietet auch Seminare an, in denen man selbst die Kunst der Tierkommunikation nach der Methode von Penelope Smith lernen kann. Die Ausbildung besteht aus dem Basiskurs und den Aufbaukursen I, II, III und VI, weil die Frau keine römischen Zahlen kann. Erst nach dem zweiten Aufbaukurs darf man sich aber selbst Tierkommunikatorin nennen – entweder rechnet die Frau gar nicht damit, dass sich auch Männer melden könnten, oder es ist eine Geschlechtsumwandlung im Preis enthalten.
Bei den geforderten Preisen wäre das allerdings auch angebracht. Der Basiskurs dauert anderthalb Tage und kostet zwischen 220 und 260 Euro. Für den dreitägigen Aufbaukurs I muss man schon 420 Euro oder mehr hinblättern, der fünftägige Aufbaukurs II hinterlässt schon ein Loch von über 800 Euro auf dem Konto – und da ist (evtl. abgesehen von einem „vegetarischen Bio-Mittagessen“) Verpflegung und Übernachtung noch nicht einmal inbegriffen. Was die weiteren Kurse kosten, weiß ich nicht, momentan werden die nämlich nicht angeboten. Angesichts dieser Verdienstspannen müsste sich jeder verarscht vorkommen, der einem ehrlichen Beruf nachgeht und mit seiner tatsächlich vorhandenen Fachkompetenz deutlich weniger in dieser Zeit verdient.
Wer jetzt aber glaubt, dass das der Gipfel der Frechheit wäre, der hat sich geschnitten. Frau Tetau hat nämlich noch eine zweite Website, und dort wird auch derjenige bedient, der überhaupt kein Haustier hat.
Bei ihren „Bildungsreisen“ zu allerlei Schamanen hat die Frau nämlich gelernt, dass jeder Mensch ein Krafttier hätte, eine Art spirituellen Kraftspender. Wenn es einem dreckig geht, dann liegt das oft daran, dass das Krafttier schwächelt oder irgendwelche Probleme hat. Und was kann da besser helfen als Krafttierkommunikation? Was eine Konsultation des eigenen Krafttieres kostet, weiß ich nicht, weil das Krafttier der Website offenbar nicht genug Saft hat, die entsprechende Seite auf dieser Ebene der Existenz zu halten, aber die Frau bietet daneben auch schamanische Reisen an, bei denen sie für ihre Klienten bei ihren eigenen Krafttieren, Hilfsgeistern und sonstigen Hirngespinsten um Rat fragt. Und es ist auch wahnsinnig entspannend für den Kunden, der diese Reise nicht etwa durch persönliche Anwesenheit oder telefonischen Kontakt unterstützen muss. Die Frau legt sich am Abend einfach ein paar Stunden hin, man selbst sollte zu der Zeit auch gammeln und sich nicht ablenken lassen, und wie durch Zauberhand ist man in den nächsten Tagen um 190 Euro ärmer.
Natürlich kann man auch selbst die Kunst der Krafttierkommunikation lernen. Der erste Kurs dauert etwas über zwei Tage und kostet schlappe 250 bis 370 Euro. Die Kurse II bis IV sollen insgesamt etwa 970 Euro kosten und vier Tage dauern. Das variiert anscheinend je nach Einfluss der kosmischen Strahlung auf die Wassergeister im Lokus der esoterischen Dame, denn ein Blick auf die anstehenden Termine verrät, dass sie eher 1170 Euro verlangt. Und wer gleich alle vier Kurse machen will, darf gleich 1570 Euro latzen, was auch wieder deutlich mehr ist als die Einzelpreise und einen Hinweis darauf gibt, welchen Intelligenzgrad man bei der Zielgruppe für diese Angebote im Auge hat. Im Extremfall heißt das also, man gibt über 1500 Euro (plus Übernachtungskosten) aus, damit man so tun kann, als ob man mit einem Tier kommuniziert, was gar nicht da ist.
Im Prinzip müsste man von der Frau eine Liste aller ihrer Kursteilnehmer verlangen, um diese Menschen in psychiatrische Behandlung zu schicken oder ihnen zumindest das Wahlrecht zu entziehen. Wenn man ein Schweinegeld dafür versenkt, telepathisch mit seinem Haustier reden zu können, ist das schon ein guter Hinweis darauf, dass man diesem Haustier geistig deutlich unterlegen ist. Wenn man es tut, um mit seinem Krafttier zu reden, dann ist das erst recht ein Hinweis darauf, dass man ihm geistig unterlegen ist. Und das wohlgemerkt, obwohl es rein imaginär ist.
Eigentlich könnte mir die ganze Scheiße ja egal sein. Idioten geben skrupellosen Leuten freiwillig ihr Geld, was soll’s? Aber eigentlich ist das ein dicker Schlag in die Fresse für all diejenigen, die versuchen, mit ehrlicher Arbeit über die Runden zu kommen und dies eher schlecht als recht schaffen. Es ist auch ein Schlag in die Fresse für all die, die versuchen, ihre Kinder ordentlich zu erziehen und ihnen ein Sinn für moralisches und ethisches Verhalten beizubringen. Einen richtigen Schlag in die Fresse haben allerdings all die Medienvertreter verdient, die mit ihren kritiklosen Berichten über solche Bauernfängereien neue Opfer anwerben und so dafür sorgen, dass so ein Beschiss lukrativ bleibt. Ob es Politiker, Investmentbanker, Versicherungsmakler oder Esoterikschwindler – wer Leute übers Ohr haut, sollte nie als Vorbild dargestellt werden, denn sonst sind wir echt auf dem Weg in eine Welt voller Arschlöcher.