Willkommen im Gottesstaat
Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber ist mal wieder auf einem Kreuzzug. Seit dem Theater um die (ziemlich lausige) Zeichentrickserie "Popetown" setzt er sich dafür ein, dass Gotteslästerung strenger bestraft wird. Nach der augenblicklichen Gesetzeslage ist die Verletzung religiöser Gefühle nur dann strafbar, wenn sich daraus eine Gefahr für die öffentliche Ordnung ergibt. Der CSU geht das nicht weit genug, und sie sind sich nicht zu schade, hier auch mal wieder auf die Mohammed-Karikaturen zu verweisen, obwohl hier so ziemlich jeder verständnislos auf die Gewalt reagierte, die aus der Empörung darüber erwuchs, und zur Respektierung von Meinungs- und Pressefreiheit aufrief.
Nun soll also laut den Bayern jeder in den Knast, der die religiösen Gefühle eines anderen verletzt. Jetzt wissen wir ja alle, dass Religionen meistens auf ziemlich albernen Geschichten basieren, die einfach herrliche Vorlagen für Witze bieten. Und jetzt soll alles vorbei sein, nur weil sich irgendein Sensibelchen persönlich angegriffen fühlt? Ist es denn dann schon verboten, eine Religionsgeschichte auch nur als lächerlich zu bezeichnen?
Nehmen wir zum Beispiel Scientology. Ich möchte mal eine kleine Zusammenfassung zum religiösen Glauben der Scientologen geben. Vor 75 Millionen Jahren hatte Xenu, der Herrscher einer galaktischen Föderation, die Nase voll von der Überbevölkerung seines Sektors. Außerdem war sein Posten an der Spitze wohl nicht allzu sicher. Also lud er die seiner Meinung nach überflüssige Bevölkerung unter dem Vorwand einer Einkommenssteuerüberprüfung vor und lähmte sie, um sie dann in Raumschiffen, die so aussahen wie DC-8-Flugzeuge (nur ohne die Triebwerke), auf die Erde zu bringen. Dort häufte er sie um eine Reihe von Vulkanen auf und sprengte diese Vulkane mit Wasserstoffbomben in die Luft.
Die Seelen der Aliens, so genannte Thetane, wurden dann in ein Kino gelockt, in dem sie sich 36 Tage lang einen 3D-Film anschauten, der ihr Gehirn wusch und lauter irreführende Informationen implantierte. Die Seelen sammelten sich dann zu Tausenden in den Körpern der wenigen Menschen, die noch auf der Erde existierten. Einige oppositionelle Beamte stürzten Xenu schließlich und sperrten ihn ein, die Erde wurde aus der galaktischen Föderation ausgeschlossen und gilt als Gefängnisplanet.
Ich möchte darauf hinweisen, dass ich mir diese Geschichte nicht ausgedacht habe, sie ist wirklich die religiöse Grundlage von Scientology, welche auf einer Science-Fiction-Geschichte von L. Ron Hubbard aus dem Jahr 1958 basiert. Stellt euch jetzt mal ein Deutschland vor, in dem man über diesen hanebüchenen Quatsch keine Witze machen kann, weil man die religiösen Gefühle der Scientologen verletzt.
Und wie steht es außerdem um die so genannten Spaßreligionen rund um das Fliegende Spaghettimonster oder das unsichtbare fliegende Einhorn*? Kann man jemandem nachweisen, dass er gar nicht wirklich an diese "Gottheiten" glaubt? Eigentlich könnte schon der Versuch eines solchen Nachweises eine Kränkung darstellen und eine Fahrkarte ins Gefängnis bedeuten.
Doch auch fanatische Vertreter der echten Religionen könnten ein solches Gesetz prima für ihre Zwecke missbrauchen. Für viele Christen stellt die Bibel eine heilige Schrift dar, welche unbedingt wörtlich interpretiert werden müsse. Wie sieht es dann mit der Schulbildung aus? Kann jemand darauf plädieren, seine religiösen Gefühle würden verletzt, wenn im Biologieunterricht statt der biblischen Schöpfungsgeschichte die Evolutionstheorie gelehrt wird? Natürlich ist die Vorstellung, dass ein höheres Wesen die Menschen aus Erde und geklauten Knochen zusammen gebacken hat, ziemlicher Blödsinn, und so ziemlich alles auf der Erde spricht gegen diese wörtliche Deutung der Genesis - aber wird man das im bayerischen Innenministerium zugeben? Das ist wohl nicht zu erwarten. Und so wie Salman Rushdie wegen seiner "Satanischen Verse" Ärger mit islamischen Fundamentalisten bekam, so wird Walter Moers für seinen "Es ist ein Arschloch, Maria"-Comic Ärger mit christlichen Fundamentalisten im bayerischen Innenministerium bekommen. Dabei wird der Lattenjupp selbst immer als nicht nachtragende Person beschrieben, die ein Symbol für Liebe, Toleranz und Verständnis sein soll. Offenbar tut man das nur, weil man als Christ zumindest in Bayern selbst diese Tugenden nicht pflegt und lieber alles, was einem nicht gefällt, in den Kerker wirft.
Die Trennung von Kirche und Staat war trotz aller Beteuerungen in der Bundesrepublik Deutschland noch nie wirklich vollzogen worden. Religionsunterricht an den Schulen, konfessionelle Kindergärten, die Kirchensteuer - all das sind Beweise dafür, dass Religionen immer ihren Fuß in staatlichen Angelegenheiten hatten und damit sowohl finanziell als auch im Hinblick auf die Nachwuchsgewinnung nicht schlecht lebten. Jetzt allerdings geht es darum, zu Lasten der Meinungs- und Pressefreiheit ideologische Schranken wieder aufzubauen. Und das nur, weil ein paar Menschen ihre Meinung viel zu wichtig nehmen und nicht in der Lage sind, einfach mal wegzuhören. Danke, Stoiber. Dank dir weiß ich, wie viel Arschloch man sein kann, wenn man Ministerpräsident ist. Eine Grenze nach oben existiert offenbar nicht.
* Ja, es müsste eigentlich das rosafarbene unsichtbare Einhorn sein. Aber es ist allmächtig, also kann es bestimmt auch fliegen. Und bevor ihr mir nicht das Gegenteil beweisen könnt, schickt mir keine Mails mehr deswegen!