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Der Blick in die Röhre

Leser von Klopfers Web sind sicher nicht überrascht, dass ich einerseits gerne fernsehe, andererseits aber dem deutschen Fernsehen einige schwere Fehler ankreiden muss. Der erste Fehler ist der, dass mir die Sender immer noch keine Fernsehsendung angeboten haben. Der zweite Fehler besteht darin, welchen Leuten sie stattdessen Fernsehsendungen angeboten haben.
Natürlich dürfen sich damit Leute wie Heidi Klum angesprochen fühlen. Der Kleiderständer hat beispielsweise gestern den Kandidaten bei "Germany’s Next Topmodel" absolut sinnentleerte Phrasen beschert wie: "Geh in die Küche und suche alle Gewürze, die du finden kannst, denn ich will dich spicy sehen!" Wer geistig so untermotorisiert ist, dass er derartigen Mumpitz ohne Scham vortragen kann, sollte eigentlich von seiner Familie und den Medien davor geschützt werden, sich im Fernsehen zu blamieren, aber ProSieben und Papa Klum sind da offenbar schmerzfrei. Man kommt sowieso nicht um die Vermutung herum, die einzige Daseinsberechtigung der Sendung wäre der Beweis, dass Models am besten doch die Fresse halten sollten.

Allerdings möchte ich aus meiner Personalkritik nicht die ausklammern, die hinter den Kameras für den gesendeten Schwachsinn verantwortlich sind, die Redakteure. Irgendwann war der Begriff des Redakteurs verbunden mit einer gewissen journalistischen Sorgfaltspflicht, aber diese Zeiten sind offenbar lange vorbei. Schon bei der inzwischen nur noch in den letzten Zügen liegenden Talkshow-Ära stellte man offenbar vornehmlich Sadisten und Perverse als Redakteure ein. Letztere schafften in den Redaktionssitzungen relativ häufig, als Thema "Ich hab den abartigsten Fetischismus" durchzudrücken, weswegen man sich gegen Mittag im Fernsehen Leute anschauen konnte, die gern in Windeln kacken, beim Sex ihre Partner mit Kakteen auspeitschen wollen oder nur mit angelegter Gasmaske ejakulieren können. Da konnte man immerhin abschalten und es wurde kein Schaden angerichtet.
Die Sadisten hingegen suchten gezielt nach Menschen, die ihre Freunde oder Verwandte im Laufe der Zeit aus den Augen verloren haben. Diese lud man dann in die Talkshow ein, damit die Moderatorin mit viel geheucheltem Mitleid verkünden konnte, dass man die vermissten Personen nun per Satellit aus den USA oder einem anderen Entwicklungsland zuschalten würde. Dann fingierte man einen Ausfall der Verbindung und filmte dann fünf Minuten lang den nervlichen Zusammenbruch der hoffnungsfrohen Person im Studio, gerne noch mit den widerlichen Krokodilstränen der Moderatorin, die betonte, wie Leid ihr das tun würde. Aber kurz bevor es einen Selbstmord vor laufender Kamera gab, verkündete man die große Überraschung, dass der Gesprächspartner in Wirklichkeit nicht am anderen Ende der Welt war, sondern im Raum nebenan. Unter erleichterten Tränen mit vielen Umarmungen fand die frohe Vereinigung statt, und niemand von den Gästen oder im Publikum stellte noch die Frage, warum diese grausame Inszenierung sein musste. Welches Arschloch spielt so mit den Gefühlen seiner Gäste? Arabella Kiesbauer zum Beispiel. Die moderierte später noch "Die Abschlussklasse" (womit die sadistischen Redakteure bewiesen, dass sie allen Zuschauern ähnliche seelische Qualen zufügen wollen) und verpisste sich dann aus dem deutschen Fernsehen mit der Begründung, dass es immer niveauloser werde. Ich habe mich damals gewundert, dass sie nicht an einer Ironie-Überdosis gestorben ist, immerhin stellte sie die Speerspitze des niveaulosen Programms dar. Die V2 des Trashfernsehens sozusagen. Ihre Redakteure waren die Konstrukteure, ProSieben war Wernher von Braun, nur ohne das Happy End mit der Mondlandung.

Dummerweise gibt es immer noch genügend Beschäftigung für sadistische Redakteure in sogenannten Informationssendungen. Als Hülle für die teuflischen Unternehmungen gelten angebliche Tests, oft mit versteckter Kamera. An sich sollen Tests ja einen gewissen Informationswert für den Zuschauer haben. Er erfährt, ob sich ein Großteil der Köche am Sack kratzt während des Kochens, ob Automechaniker bescheißen, indem sie einen Motor auf die Rechnung setzen, obwohl sie nur mal den Reifendruck überprüfen sollten, oder ob Vermieter bei der Quadratmeterzahl ihrer Wohnungen flunkern. Derartige Tests sollen das Publikum vor schwarzen Schafen warnen und haben daher eine gewisse Existenzberechtigung. Seit über zehn Jahren allerdings häufen sich die "Tests" ohne Anlass, welche den Betroffenen auf den Sack gehen, ohne tatsächlich eine Lehre zu bieten. Da wird mal eben eine Tankstelle angemietet und der Spritpreis auf 15 Euro pro Liter gesetzt, um zu gucken, wer bei diesen Preisen noch tankt. Oder ein Arschloch in Lederjacke geht (begleitet von einem Kamerateam) in Privatwohnungen und verlangt als angeblicher Mitarbeiter des Ordnungsamtes 30 Euro von jedem Raucher. Was bringt uns das? Die Erkenntnis, dass Leute Geld zahlen, wenn sie keine Alternativen haben, ist jetzt nicht so abwegig, dass wir nicht auch ohne das Fernsehen darauf kämen.
Es gibt aber auch den alle paar Jahre neu aufgelegten Klassiker: Die Kerle schmeißen eine Geldbörse mit fünfhundert Euro auf die Straße und verfolgen jeden mit einer Kamera, der die Kohle nicht bei der Polizei oder im Fundbüro abliefert. Was soll die Lehre sein? Verliere kein Geld, weil das sowieso keiner zurückbringt? Liefere gefundenes Geld ab, weil dir sonst ein Lackaffe von Sat.1 am Hintern hängt und doofe Fragen stellt? Wenn jemand fünfhundert Euro mit sich herumträgt und nicht drauf aufpasst, hat er es nicht besser verdient. Die Realität zeigt einem doch deutlich, dass Ehrlichkeit nichts bringt. Wenn die Fernsehleute ehrlich wären, könnten sie ja auch nicht so tun, als hätte jemand das Geld verloren, oder? Dann gäbe es aber auch kein Material zum Senden. Diese ganzen anlassfreien Tests sind dazu da, die Bevölkerung anzupissen. Und die Redakteure ernähren sich von diesem Gefühl der Leute, fast wie Vampire von Jungfrauenblut leben oder Paris Hilton von Sperma.

Während diese Aktionen aber von purer Bosheit getrieben werden, ist es in anderen Fällen einfach reine Dummheit. Je hipper eine Redaktion ist, desto empfänglicher ist sie für Esoterik, aber gleichzeitig skeptischer gegenüber der etablierten Wissenschaft. Das ist dann auch der Grund, warum viele Lifestyle-Berichte über Feng Shui, Homöopathie oder Handystrahlung eigentlich kaum durch journalistische Objektivität getrübte Werbespots für die überteuerten Produkte irgendwelcher Bauernfänger sind. Jeder Geologiestudent im zweiten Semester weiß, dass es keine Wasseradern bei uns gibt, das Physikwissen der gymnasialen Oberstufe sagt einem, dass Erdstrahlen nicht existieren, aber wenn ein Späthippie mit einer Drahtschlaufe im Büro eines Fernsehredakteurs steht, gibt der gleich grünes Licht für einen sechsminütigen Beitrag, in dem der Sandalenträger davon schwafeln darf, dass jemand in einem Bett nicht schlafen könnte, weil diese nichtexistenten Adern und Strahlen unter seiner Matratze wären und das Magnetfeld der Erde stören würden. Menschen sind gar nicht magnetisch. Das Magnetfeld interessiert unseren Schlaf überhaupt nicht.

Aber das ist das Schöne: Redakteure finden irgendwo immer Experten, die den Grundtenor des Berichts bestätigen. Wann immer die Redaktion glaubt, man müsse die Aussage durch eine Autorität untermauern, wird ein "Experte" vor das Mikrofon geholt. Eingeblendet werden dabei der Name und darunter meist irgendeine Form von "Experte" anstelle einer Berufsbezeichnung. Vielleicht wäre ein Pilot für eine Meldung über ein Flugzeugunglück angemessen, aber nein, man hat einen "Luftfahrtexperten". Der Mann ist vielleicht gar kein Luftfahrtexperte, aber man hatte noch seine Nummer im Adressbuch, weil er mal als Experte für Reiserecht in einem Bericht über Schadenersatzansprüche bei fehlendem Tomatensaft an Bord von Charterflugzeugen auftrat. Manchmal ist der "Rechtsexperte" im Studio vielleicht wirklich ausgebildeter Rechtsanwalt, aber das Wort "Experte" verspricht eine gewisse Exklusivität, wogegen es Anwälte an sich in rauen Mengen gibt. Das Ansehen des Begriffs "Experte" wird aber spätestens dann ad absurdum geführt, wenn angebliche Lifestyle- oder Promiexperten vor die Kamera geholt werden. Lifestyle-Experten sind meist irgendwelche Besserwisser, Exfrauen prominenter Sportler oder ehemalige Big-Brother-Kandidatinnen, die alle ihren persönlichen Modegeschmack zum Maß aller Dinge machen und glauben, sie hätten die Berechtigung, anderen zu erzählen, dass ihre Klamottenwahl total aus der Mode wäre. Promi-Experten gehören meist zum verarmten Adel oder haben einfach nur ein Abo vom Goldenen Blatt und tun so, als hätten sie tagtäglich einen Plausch mit der Queen von England oder gehörten zum engsten Freundeskreis von Brad Pitt. Ihr Expertenstatus hat tatsächlich nichts mit tiefgehendem Wissen oder dem besonderen Verständnis für ein Fachgebiet zu tun, sondern basiert lediglich auf der persönlichen Hochnäsigkeit und der Überzeugung, dass die eigene Meinung wichtiger (und richtiger) wäre als die jedes anderen Menschen.

Warum wurde ich dann eigentlich noch nirgendwo als Experte eingeladen?

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