Wo kommt unser Geld her?
Der Österreicher Johann Nepomuk Nestroy ersann einen Ausspruch, der im Hause Klopfer oft gebraucht wird: „Die Phönizier haben das Geld erfunden – aber warum nur so wenig?“ In Wirklichkeit wurden zumindest geprägte Münzen laut antiken Quellen von den Lydern erfunden, deren bekanntester (und letzter) Herrscher der berühmte König Krösus war. Und Lydias sind ja bis heute ganz schön teuer im Unterhalt, ebenso wie Dianas, Janines, Emmas etc.
Damals (und bis in das letzte Jahrhundert) wurden die meisten Währungen entweder direkt in Gold bzw. Silber geprägt oder konnten zumindest laut staatlichem Versprechen in diese Edelmetalle eingetauscht werden. Die Sache hatte nur einen kleinen Haken: Das bislang in der Menschheitsgeschichte geförderte Gold ergibt gerade mal einen Würfel mit einer Kantenlänge von etwa 20 Metern, was wiederum bedeutet, dass sich fast alles davon im Geldspeicher von Onkel Dagobert befinden muss.
Das ist allerdings auch um einige Größenordnungen weniger als das Geld, was durch dieses Gold gedeckt sein sollte. Schon relativ früh gab es also für viele Staaten das kleine Problem, dass man nicht so viel Gold vorrätig hatte, um für jedes ausgegebene Geld das Tauschversprechen einlösen zu können. Deswegen rückten manche Länder (wie etwa Großbritannien) in Krisenzeiten wie der Weltwirtschaftskrise vom Goldstandard ab. Die USA gingen das Problem zu der Zeit wiederum ganz anders an: Der private Besitz von Goldbarren oder Goldmünzen (abgesehen von Sammlermünzen) wurde 1934 verboten und ein Zwangsumtausch zu einem staatlich festgelegten Kurs durchgeführt. Dank dieser doch eher kommunistisch anmutenden Maßnahme hatte die US-Zentralbank wieder Gold und konnte frisches Geld unter die Leute bringen. Das Goldbesitzverbot wurde übrigens erst in den 60er und 70er Jahren wieder nach und nach abgeschafft.
Im Zuge der Kriegs- und Nachkriegszeit war der US-Dollar inzwischen Leitwährung der Weltwirtschaft geworden, und die USA hatten viel Interesse daran, dass das auch so bleibt und möglichst viele Länder zu ihrem Bückstück werden. Deswegen berief man die Konferenz von Bretton Woods ein. Bretton Woods ist, anders als der Name vermuten lässt, kein Cowboy aus einem Schwulenporno, sondern ein Stadtteil von Carrol in New Hampshire. Dort wurde nicht nur beschlossen, die Weltbank, den Internationalen Währungsfonds und die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung zu gründen, sondern auch, dass möglichst viele Länder feste Wechselkurse ihrer Währungen zum US-Dollar einführen sollten. (Für die Bundesrepublik Deutschland waren es nach ihrem Beitritt zu diesem System 3,67 DM pro US-Dollar.) Im Gegenzug sicherte die US-Zentralbank einen festen Goldpreis zu, opulente 35 Dollar pro Unze.
Das Resultat der Sache: Die US-Währung war bevorzugtes Mittel für die weltweiten Devisenreserven der nichtkommunistischen Welt (warum sollte man schließlich Franc und Pfund horten, wenn man eh immer gleich viele Dollar dafür bekommt), was gut für die Vorherrschaft der USA war. Die restlichen Mitgliedsländer des Bretton-Woods-Systems bekamen die Gewissheit, dass sie ihre gebunkerten Dollars jederzeit bei den Amerikanern in Gold umtauschen konnten, wodurch sie selbst nicht mehr gezwungen waren, bestimmte Goldmengen vorrätig zu halten, um ihre eigenen Währungen zu stützen – das konnte man nun mit US-Dollars genauso gut erledigen.
Natürlich bestand das Grundproblem weiter: Es gab nicht genug Gold, und um die versprochene Goldgarantie einhalten zu können, musste der US-Dollar relativ selten sein. Dummerweise hatten die Amerikaner im Laufe der Zeit ziemlich teure Hobbys – den Kalten Krieg bezahlte man nicht aus der Portokasse, der Wettlauf mit den Sowjets um die erste Mondlandung dauerte zwar nicht so lange wie der Bau des Großflughafens Berlin-Brandenburg, aber kostete weitaus mehr, und schließlich erwies sich der Vietnamkrieg als echtes Groschengrab. Der erhöhte Geldbedarf wurde befriedigt, indem man mehr Dollars in den Umlauf schüttete. So verringerte sich aber die Golddeckung, für die die USA immerhin eine Garantie gegenüber den Mitgliedsländern des Bretton-Woods-Systems abgegeben hatten. Diese Länder wurden verständlicherweise etwas nervös. Sie versuchten zunächst, durch das Aufkaufen von Dollars den Kurs der Leitwährung zu stützen, um ihre eigenen Währungen zu retten, da diese durch die festen Wechselkurse mit dem Dollar ebenfalls an Wert verloren hätten.
Als man sich das nicht mehr leisten konnte, sagte sich Frankreich: „Scheiß drauf!“, und versuchte im Jahr 1969, seine Dollarreserven vertragsgemäß in Gold umzutauschen. Zur allgemeinen Überraschung von niemandem, der bis hierher gelesen hat, war die Weltmacht Nummer 1 dazu nicht in der Lage. Ich weiß nicht, ob es grenzenloser Optimismus oder hinterhältiger Sadismus war, aber auch andere Mitgliedsländer klopften dann bei den Amis an und wollten Gold, was die Amerikaner natürlich ebenfalls nur mit einem Achselzucken zur Kenntnis nehmen konnten. Präsident Nixon kündigte 1971 offiziell die Vereinbarung zum Tausch von Gold gegen US-Dollars auf. Die restlichen Mitgliedsländer des Systems wussten dann selbstverständlich mit dem amerikanischen Altpapier auch nichts mehr anzufangen und fingen an, den Krempel zu verkaufen, was den Kurs des Dollars schlagartig abstürzen ließ und zu Anpassungen der Wechselkurse führte. Dennoch brach das Bretton-Woods-System 1973 endgültig zusammen, und durch die daraus resultierenden Verwerfungen der Weltfinanzen war die Zeit der durch Edelmetall gedeckten Währungen nahezu beendet. Zuletzt war es nur noch die Schweiz, die bis zum Jahr 2000 für ihre Franken zumindest eine 40-prozentige Golddeckung garantierte.
Seitdem gibt es auf der Welt nur noch Fiat Money. Das heißt nicht, dass das Geld durch italienische Automobiltechnik gedeckt wird (obwohl das einige Finanzkrisen erklären würde); es ist eine Anspielung auf „fiat lux“: Es werde Licht. Nur statt Licht eben Geld.
Fiat Money hat einen Wert, weil alle vertrauen, dass es diesen Wert hat, und es deswegen als allgemeines Tauschmittel akzeptieren. Aber wie entsteht es denn nun? Klar, das Bargeld wird im Auftrag der Zentralbanken oder der Staaten gedruckt bzw. geprägt. Aber das Bargeld ist nur ein kleiner Teil unseres Geldes, schließlich haben wir kollektiv auf unseren Girokonten insgesamt mehr Geld.
Den größten Teil davon erschaffen die Banken selbst. Einerseits geht das, indem sie etwas kaufen (etwa ein Haus, eine Insel oder einen Batzen Gold) und den Wert des Gekauften dem Verkäufer als Guthaben verbuchen. Und andererseits geht es durch Kreditvergabe.
Das kann man sich so vorstellen: Ein Kunde geht zur Bank und zahlt dort 1000 Euro auf sein Konto ein. Dieses Geld kann die Bank benutzen, um einen Kredit zu vergeben, aber nicht alles. In der Eurozone muss 1 Prozent des Geldes dann als Mindestreserve bei der Zentralbank gebunkert werden. (In den USA sind es 10 Prozent, in China gar 20 Prozent. Der Einfachheit halber nehmen wir auch mal an, dass die Bank auch das weiterhin gesetzlich geforderte Eigenkapital hat, um Kredite abzusichern, sonst wird die Rechnung komplizierter.)
Die Bank kann also nun 99 Prozent, also 990 Euro, als Kredit an einem anderen Kunden vergeben. Aber der erste Kunde hat trotzdem noch die 1000 Euro auf seinem Konto, könnte also darüber auch jederzeit verfügen, egal ob der zweite Kunde seinen Kredit schon abbezahlt hat oder nicht. Aus 1000 Euro sind 1990 Euro geworden.
Das kann so weitergehen. Der zweite Kunde kann die 990 Euro wiederum bei einer Bank einzahlen, es muss nicht dieselbe sein. Und diese Bank kann dann 99 Prozent davon als Kredit vergeben. Theoretisch kann das bei dieser Mindestreserve von einem Prozent so lange weitergehen, bis man das Hundertfache der ursprünglich eingezahlten Summe als Kredit vergeben und somit erschaffen hat.
Was man dabei nicht vergessen sollte: Abgesehen von den 1000 Euro am Anfang sind das alles auch Schulden, die jemand bei der Bank hat. Durch das Bezahlen von Schulden bei der Bank wird das Geld, was durch die Kreditvergabe geschöpft wurde, wieder vernichtet. Da die Bank Zinsen verlangt (und gerne auch Verwaltungsgebühren, Stempelabnutzungspauschalen und sonstige fiese Beiträge), schuldet man im Endeffekt aber auch mehr Geld, als erschaffen wurde, was bedeutet, dass man nie alle Schulden bezahlen können wird. Sollte man aber auch nicht, weil wir dann fast kein Geld mehr hätten. Das müsste man vielleicht mal Peter Zwegat erzählen und ihn aufhalten.
Nun muss man bedenken, dass auch das meiste Bargeld nicht einfach so in die Wirtschaft geschmissen wird. Die Banken bestellen sich das Bargeld bei den Zentralbanken und müssen dafür eigenes Geld (oder Werte) bei der Zentralbank in Zahlung geben. Und was ist das eigene Geld der Banken zum großen Teil? Das, was ihnen ihre Kunden bringen, wenn sie bei ihnen Geld aufs Konto einzahlen, also genau das Geld, was wiederum woanders als Kredit geboren wurde. Insgesamt basiert also fast all unser Geld und unsere Wirtschaft generell darauf, dass sich irgendwelche Leute oder Einrichtungen bei Banken mal was gepumpt haben.
Nun sind die Zeiten vorbei, in denen Banken in erster Linie mit der Vergabe von Krediten ihr Geld verdient haben. Heutzutage macht man lieber Spekulationsgeschäfte mit Wertpapieren, was unheimlich lukrativ sein kann, aber der Realwirtschaft eher weniger nützt. Deswegen haben große Notenbanken wie die amerikanische Federal Reserve Bank oder die europäische Zentralbank ihre Leitzinsen seit dem Beginn der Finanzkrise 2007 mehrmals auf extrem niedrige Werte von 0 Prozent oder 0,05 Prozent abgesenkt. Die Leitzinsen bestimmen, wie billig sich Banken Geld bei den Zentralbanken leihen können.
Dieses billige Geld sollen die Banken dem Sinn nach benutzen, um fleißiger Kredite mit niedrigen Zinsen für die Realwirtschaft zu vergeben und sie somit anzukurbeln. (Wer eine neue Fabrik aufbauen will, kann schließlich nicht vorher darauf sparen; er wäre alt und grau, bis er sich die Investition leisten könnte.) Das machen die Banken dummerweise nicht im gewünschten Maße. Sie bunkern die Kohle entweder, um für irgendwelche Stresstests besser gewappnet zu sein, oder sie benutzen sie, um wieder in den Finanzmärkten damit zu spekulieren. Ein bisschen kann man sie aber auch verstehen: Eine Ursache der letzten Finanzkrise lag eben auch darin, dass man viel zu vielen Leuten Kredite gewährt hat, die nie Kredite hätten kriegen dürfen.
Weil es aber so billig ist für die Banken, sich Geld von den Zentralbanken zu leihen, haben sie auch keinen Anlass, höhere Zinsen für das Geld zu zahlen, was die Menschen bei ihnen einzahlen. Und deswegen, meine lieben Leser, bringt risikofreies Sparen heute nichts mehr. Dass sie sich allerdings die Frechheit erlauben, auch noch Gebühren dafür zu verlangen, dass wir ihnen unser Geld zum Spielen geben, das ist wiederum einfach reine Bosheit.