Die koreanische Teilung
Korea ist etwa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ein geteiltes Land, so wie es Deutschland war. Deutschland ist nun seit über 30 Jahren wieder vereint, die koreanische Teilung zieht sich jedoch weiter hin und es ist derzeit kein Ende in Sicht. Um zu verstehen, wie es zu der Teilung kam, wie sich das Verhältnis zwischen den beiden koreanischen Staaten und zu anderen Ländern entwickelte und welche Parallelen und Unterschiede die beiden Länder in ihrer Entwicklung aufwiesen, ist es hilfreich, sich auch die koreanische Geschichte vor dieser Teilung anzuschauen.
Der Anfang
Im zehnten Jahrhundert entstand im heutigen Korea das Königreich Goryeo (von dem unser Wort „Korea“ auch abgeleitet ist), welches schließlich die Herrschaft über die gesamte Halbinsel erlangte. Dieses Reich wurde allerdings im 13. Jahrhundert zum Vasallen des Mongolenherrschers Kublai Khan (der auch Kaiser von China wurde und die Yuan-Dynastie begründete). Mit koreanischer Beteiligung versuchte Kublai Khan dann zweimal, Japan zu erobern. Die Invasionsflotten wurden damals von Taifunen vernichtet, worauf sich der japanische Begriff „Kamikaze“ (= Götterwind) gründet.
Das Reich Goryeo ging schließlich 1392 unter, als ein koreanischer General (mit Unterstützung der chinesischen Ming-Dynastie) den von anderen Militärs gesteuerten König stürzte und das Reich Joseon gründete, welches über 500 Jahre lang über die koreanische Halbinsel herrschen sollte. Joseon wurde zum Vasallenstaat Chinas und konnte mit chinesischer Unterstützung wiederum im 16. Jahrhundert Invasionsversuche aus Japan abwehren. Es gibt also schon seit langer Zeit Spannungen zwischen Korea und Japan, die im Laufe der Jahrhunderte noch zunehmen sollten.
Wie China und Japan beschloss das Reich Joseon im 17. Jahrhundert eine Politik der Isolation nach außen. Die Grenzen wurden geschlossen, der Handel stark eingeschränkt, lediglich der Kontakt zu China blieb erhalten. (Ein kleiner Handelsposten wurde den Japanern bei Pusan zugestanden, diese durften ihn aber nicht verlassen.) Diese Abschottung war gerade den Europäern und Amerikanern im 19. Jahrhundert ein Dorn im Auge, da sie im Freihandel den Schlüssel zu ihrem Wohlstand sahen. Großbritannien zwang China in den Opiumkriegen zur Öffnung seiner Märkte, Joseon sah sich allerdings mit den USA konfrontiert.
Das Ende der Isolation
Im Jahr 1866 fuhr der amerikanische Dampfer General Sherman den Fluss Taedong hinauf bis nach Pjöngjang und ersuchte die Koreaner, Handel zu treiben. Dieses Ansinnen wurde abgelehnt, man versorgte die Mannschaft aber mit Proviant und bat sie zu warten, bis eine offizielle Antwort des Regenten Joseons eintraf. (Der König Gojong war zu der Zeit minderjährig, daher führte sein Vater, der selbst kein Monarch war, die Amtsgeschäfte.) Der Regent forderte die Besatzung auf, sofort mit dem Schiff Korea zu verlassen, sonst würde sie getötet.
Anstatt jedoch zu verschwinden, nahm die Besatzung den Vertreter des Gouverneurs von Pjöngjang und seine Helfer als Geiseln, um die Öffnung des Handels zu erzwingen. Schlichtungsversuche schlugen fehl, schließlich schoss das Schiff mit den Bordkanonen auf die Menschen am Flussufer. Nach einigen Tagen gelegentlicher Scharmützel wurde die General Sherman von den Koreanern in Brand gesteckt und die Besatzung getötet.
Um eine ähnliche Niederlage zu vermeiden, schickten die Amerikaner 1871 fünf Kriegsschiffe und 650 Matrosen und Soldaten nach Korea, die die Öffnung Joseons für diplomatische und Handelszwecke erzwingen sollten. Hunderte Koreaner starben bei dieser Militärexpedition, während die Amerikaner nur drei Opfer zu verzeichnen hatten. Unmittelbar hatten die Amerikaner dennoch keinen Erfolg: Das koreanische Königreich weigerte sich noch einige Jahre, mit den USA über ein Handelsabkommen zu verhandeln.
Einen weiteren blutigen Konflikt trug Joseon ebenfalls 1866 mit Frankreich aus. Frankreich hatte mit seinen Missionaren wesentlichen Anteil an der Verbreitung des Katholizismus auf der koreanischen Halbinsel. Aufgrund der schlechten Erfahrungen mit fremden Einflüssen (nicht nur in Korea selbst, sondern auch im Nachbarland China) begann man, die Katholiken zu verfolgen. Französische Missionare wurden gefangengenommen, gefoltert und enthauptet. Einer konnte aber (dank koreanischer Konvertiten) nach China entkommen und informierte den dort stationierten Befehlshaber der französischen Expeditionstruppen in Ostasien über die Vorkommnisse. Eine Strafexpedition mit sieben Schiffen machte sich auf den Weg, wurde aber von den zahlenmäßig deutlich überlegenen Koreanern zurückgeschlagen und musste unverrichteter Dinge abziehen.
Dennoch konnte das Land seine Isolationspolitik nicht lange fortsetzen – dank Japan. Auch Japan hatte sich lange von der Außenwelt abgeschottet und gestattete lediglich den Portugiesen und den Niederländern stark begrenzten Handelszugang. 1853 lernten die Japaner die amerikanische Kanonenbootpolitik kennen, als Commodore Matthew Perry mit seinen „Schwarzen Schiffen“ in der Bucht des heutigen Tokio auftauchte und mit seinen Kanonen Gebäude an der Küste beschoss, um die Überlegenheit seiner Waffen zu demonstrieren und die Öffnung der japanischen Städte für Handel und Diplomatie zu erzwingen. In den nächsten Jahren musste Japan fremden Mächten in verschiedenen „ungleichen Verträgen“ viele Zugeständnisse machen, zog daraus aber die Lehre, dass es sich erneuern müsse, um nicht von den westlichen Ländern untergepflügt zu werden. Das Tokugawa-Shogunat endete (nach blutigen Auseinandersetzungen) 1868, und der Tennō (während des Shogunats nur eine Marionette) übernahm wieder politische Verantwortung. In der Meiji-Ära beschleunigte sich die Entwicklung Japans, Konzepte, Ideen und Technologie wurden aus dem Westen importiert.
Joseon hingegen war – auch nach dem brutalen Auftreten der Amerikaner und Franzosen – entschlossen, seine Isolation aufrechtzuerhalten und nahezu sämtlichen Kontakt mit der Außenwelt über China abzuwickeln. Die neue Regierung in Japan schickte 1869 Gesandte nach Korea, die allerdings nicht vom Regenten empfangen wurden. Das japanische Kaiserreich wusste aber, dass es seinen Einfluss auf Korea ausdehnen musste, bevor die westlichen Mächte das koreanische Reich unter ihre Fuchtel bekommen konnten. 1876 bediente sich Japan ebenfalls der Kanonenbootdiplomatie und schickte Kriegsschiffe nach Korea. Das Resultat war ein „Freundschaftsvertrag“, in dem das Königreich Joseon sich nicht nur für Diplomatie und Handel öffnen musste, sondern auch die Unabhängigkeit des Königreichs verkündete – obwohl es sich immer noch als Vasall Chinas sah.