Die koreanische Teilung
Nordkorea nach dem Krieg
Das Vorhaben, das Land unter kommunistischer Führung zu einigen, war fehlgeschlagen. Dennoch feierte sich Nordkorea als Sieger. Dieser „Sieg“ war teuer bezahlt worden: Von der Industrie war nichts mehr übrig, die Städte lagen in Trümmern, ein Großteil der Bevölkerung war tot oder in den Süden geflohen. Das Land war nun auch im Frieden angewiesen auf die tatkräftige Hilfe seiner sozialistischen Verbündeten. Diese Hilfe kam auch prompt: Maschinen, Baumaterialien, Lebensmittel- und Rohstofflieferungen sowie Geldzuwendungen sorgten dafür, dass Nordkorea nicht zusammenbrach.
Die Hilfen wirkten: In den 50er und 60er Jahren entwickelte sich die nordkoreanische Wirtschaft, unterstützt vom restlichen Ostblock, recht gut, wobei ein eher einseitiger Fokus auf die Schwerindustrie gelegt wurde, so wie es die Japaner früher in dem Teil Koreas taten. Die Lebensqualität stieg. Gleichzeitig baute der „große Führer“ Kim Il-sung seine Macht aus, beseitigte jede innerparteiliche Konkurrenz und etablierte im Land einen Personenkult nach dem Vorbild Stalins, wie es in nicht wenigen Ländern des Ostblocks geschah. In jeder Wohnung in Nordkorea hängt ein Bild von Kim Il-sung (und inzwischen auch von seinem Sohn Kim Jong-il), welches nur mit speziell dafür vorgesehenen Tüchern geputzt werden darf. An der gleichen Wand dürfen keine anderen Bilder oder Verzierungen hängen. Nordkoreaner ab 12 Jahren sind verpflichtet, über dem Herzen einen Pin mit den Bildern der beiden älteren Kims zu tragen. Vermeintliche Gegner des Systems (oft einfach nur Leute, die wegen Verwandtschaft, Religion oder Denunziation als politisch unzuverlässig galten) wurden (und werden bis heute) in Konzentrationslager gesteckt; die Familien gelten bis in die dritte Generation als verdorben und bleiben oft so lange inhaftiert, wenn sie nicht an den erbärmlichen Haftbedingungen zugrunde gehen oder ermordet werden.
Während am Anfang der Marxismus-Leninismus als Leit-Ideologie vertreten wurde, führte Kim Il-sung bald eine parallele „Weiterentwicklung“ des Marxismus-Leninismus ein, die tatsächlich mit dem Marxismus nicht mehr viel zu tun hat (und inzwischen auch offiziell den Marxismus-Leninismus in der nordkoreanischen Verfassung komplett ersetzt hat). Die Juche-Ideologie betont weder Klassenkampf noch Internationalismus, sondern die Wichtigkeit der kompletten Eigenständigkeit des Landes und der Einheit des Volkes hinter seinem großen Führer, der das Denken übernimmt. Im Kleinen sieht das dann so aus, dass der oberste Führer regelmäßig in irgendwelche Fabriken oder auf Baustellen geht, sein speckiges Antlitz in die Kameras der Propagandamedien hält und den Fachkräften erklärt, wie sie ihre Arbeit zu erledigen hätten. So merkt das Volk, dass sich der Führer selbst um alles kümmert.
Dem historischen Materialismus von Marx, der die Produktion und die Verteilung der dabei erschaffenen Produkte als Grundlage jeder Gesellschaftsordnung ansieht, widersprach Kim Il-sung inhaltlich, ohne ihn ausdrücklich als falsch darzustellen. Faktisch läuft die Juche-Idee auf einen absolutistischen Nationalismus hinaus, in dem eine komplette politische, wirtschaftliche und militärische Unabhängigkeit angestrebt wird.
Die militärische Unabhängigkeit ist zumindest in der internen Öffentlichkeitsarbeit erreicht: Im Laufe der Zeit spielte Nordkorea in seiner Propaganda die Rolle der Sowjets und bald auch der Chinesen im Koreakrieg herunter; mittlerweile scheint man in nordkoreanischen Museen den Eindruck zu vermitteln, den Krieg ganz allein ausgefochten zu haben. Ansonsten versucht man (seit 1997 auch offiziell unter dem Namen „Songun“), die Streitkräfte mit einer „Armee zuerst“-Strategie sowohl einsatzbereit als auch loyal gegenüber dem jeweils aktuell regierenden Kim zu halten. Das Militärbudget Nordkoreas beträgt geschätzt über 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Zum Vergleich: Bei den USA sind es etwa 3,4 Prozent, China liegt bei 1,9 Prozent, Russland bei 3,9 Prozent, Israel bei 5,3 Prozent und Saudi-Arabien bei 8 Prozent, wobei das letzte Land sich gerade einen Stellvertreterkrieg mit dem Iran im Jemen leistet. Deutschland gibt (zum Leidwesen der USA) nur 1,3 Prozent des BIP für das Militär aus.
Während ein Teil des Geldes für solche Spielereien wie Raketen und Atombomben draufgeht, engagiert sich Nordkorea auch sehr, was geheimdienstliche Aktivitäten angeht. Die vermutlich dreisteste Aktion leistete man sich Anfang 1968, als man 31 Elitesoldaten nach Südkorea schleuste, die das Blaue Haus (den Wohn- und Regierungssitz des südkoreanischen Präsidenten) infiltrieren und den Präsidenten ermorden sollten. Das Ziel wurde nicht erreicht, aber 29 der Soldaten starben, ebenso wie 26 Südkoreaner und 4 amerikanische Soldaten, die die Flucht der Attentäter in den Norden verhindern wollten. 66 Südkoreaner wurden verwundet, darunter viele Zivilisten, deren Linienbus quer durch das Feuergefecht am Blauen Haus gefahren war.
Man schickte aber nicht nur Leute raus, sondern holte auch Leute rein, die das gar nicht wollten. Nordkorea hat (vor allem in den 70er Jahren) über 3000 Südkoreaner in den Norden entführt, zusätzlich aber auch mindestens 13 Japaner und einige Bürger anderer Staaten. In erster Linie war man an den Fachkenntnissen der Leute interessiert, um die eigene Wirtschaft und Forschung zu unterstützen. Andere wurden gezwungen, nordkoreanischen Agenten Unterricht zu geben, damit diese im Ausland nicht auffallen. Ein 13-jähriges japanisches Mädchen, Megumi Yokota, wurde 1977 vermutlich entführt, weil sie nordkoreanische Agenten in Japan zufällig bei einer Geheimdienstaktion beobachtet haben könnte. Sie wurde in Nordkorea ebenfalls gezwungen, Spionen Japanisch-Unterricht zu geben, bald mit einem entführten Südkoreaner verheiratet und soll irgendwann Selbstmord begangen haben.
Der Sohn des „großen Führers“, sein späterer Nachfolger Kim Jong-il, war Anfang der 80er Jahre frustriert darüber, dass die nordkoreanische Filmindustrie so schlechte Streifen abliefert. Auch um dort Abhilfe zu schaffen, wurde der Geheimdienst bemüht: Man entführte 1978 die südkoreanische Schauspielerin Choi Eun-hee und kurze Zeit später ihren Ex-Mann, den Regisseur Shin Sang-ok. Diese beiden mussten dann für Nordkorea Filme drehen. Sie heirateten in Nordkorea wieder und konnten erst 1986 auf einer Reise nach Wien nach einer wilden Verfolgungsjagd in die amerikanische Botschaft flüchten.
Durch den Fokus auf die Armee leiden andere Bereiche unter einem Mangel an Investitionen. Wirtschaftlich ist das Land nicht nur durch internationale Sanktionen angeschlagen, sondern auch durch den Wegfall der Solidaritätslieferungen aus den sozialistischen Bruderländern nach dem Zusammenbruch des Ostblocks. Oft bleibt nur die Mängelverwaltung. Ein Beispiel ist die Stromversorgung: Ein Teil davon wird aus Wasserkraft gewonnen, deren Ausbau schon zur japanischen Besatzungszeit begann. Der Rest wird im Wesentlichen durch Kohleverstromung gewonnen. Das Problem: Wenn die Kohleminen durch eindringendes Wasser überschwemmt werden, kann keine Kohle gefördert werden. Ohne Kohle kann in den Regionen kein Strom erzeugt werden, ohne Strom funktionieren aber auch die Pumpen nicht, die die Kohleminen trocken halten sollen.