Die koreanische Teilung
Der Koreakrieg
In China war inzwischen der Bürgerkrieg zwischen der nationalistischen Kuomintang von Chiang Kai-shek und der kommunistischen Roten Armee unter der Führung von Mao Zedong zugunsten der Kommunisten ausgegangen. Die Kuomintang zog sich nach Taiwan zurück, wo der letzte Rest der Republik China bis heute aufrechterhalten wird, während auf dem chinesischen Festland am 1. Oktober 1949 die Volksrepublik China ausgerufen wurde. Auch viele Koreaner haben die Rote Armee in ihrem Kampf in China unterstützt und spielten gerade für den Kampf in der Mandschurei eine wichtige Rolle, da die Position der Kommunisten dort traditionell eher schwach war. Zum Dank durften die Koreaner nicht nur ihre Waffen mit nach Hause nehmen, Mao Zedong versprach Nordkorea auch in Zukunft jede Unterstützung.
Die Grenze am 38. Breitengrad war instabil, Schießereien zwischen den Grenztruppen keine Seltenheit. Sabotage von eingeschleusten Agenten der jeweiligen Gegenseite belasteten das Nebeneinander zusätzlich. Die Chefs beider koreanischer Staaten waren mit der Teilung Koreas unzufrieden und liebäugelten damit, die jeweils andere Hälfte mit Gewalt zu erobern und das eigene politische System auf das gesamte Gebiet auszuweiten. Syngman Rhee im Süden gelang es jedoch nicht, Unterstützung dafür zu gewinnen, weder in den eigenen politischen Organen noch bei den Amerikanern. Zudem war Südkorea in einer misslichen Lage: Die südkoreanischen Streitkräfte waren extrem schlecht ausgebildet und noch schlechter ausgerüstet, schwere Waffen wie Panzer waren nicht vorhanden, die Luftwaffe mit 22 größtenteils unbewaffneten Flugzeugen gerade mal für eine rudimentäre Pilotenausbildung geeignet. Zudem hatten die Japaner sich bei den Industrialisierungsmaßnahmen während der Kolonialzeit auf den Norden konzentriert, da sich dort die meisten Bodenschätze befinden und die Verkehrswege in die japanisch besetzte Mandschurei führten. Am Ende der 40er Jahre befanden sich 80 Prozent der koreanischen Schwerindustrie in Nordkorea. Der Norden war daher deutlich wohlhabender als der von Landwirtschaft geprägte Süden, wobei dem Norden allerdings wiederum diese Landwirtschaft fehlte, um sich selbst versorgen zu können.
Kim Il-sung im Norden versuchte, bei Stalin die Erlaubnis und Unterstützung für einen Angriff auf den Süden zu gewinnen. Stalin hatte jedoch überhaupt keine Lust, sich mit den Amerikanern anzulegen, zumal er der Meinung war, dass auch die nordkoreanische Armee nicht für einen richtigen Krieg ausgerüstet und trainiert wäre. Statt also seine Zustimmung für den Krieg zu geben, half er Nordkorea tatkräftig bei der Aufrüstung der Streitkräfte.
Im Frühling 1950 hatte sich Stalins Einschätzung ein wenig geändert. Nun glaubte er nicht mehr daran, dass die USA in Korea eingreifen würden, denn schließlich hatten sie es auch in China nicht getan und Korea kam in ihren diplomatischen Äußerungen nicht als rote Linie gegen die Ausbreitung des Kommunismus vor. Dennoch hatte Stalin nicht vor, die sowjetische Armee in Kampfhandlungen zu verwickeln. Er versprach Kim anderweitige Unterstützung, falls dieser von Mao Zedong die Zusage bekomme, dass China im Notfall Verstärkungen senden würde. Insgeheim hatte Stalin vermutlich nicht damit gerechnet, dass Mao so kurz nach dem Ende des chinesischen Bürgerkriegs seine Armee wieder in einen neuen Krieg schicken würde.
Doch Mao gab seine Zusage. Er sah darin eine Chance, China als weitere große Macht im kommunistischen Block zu etablieren und seine eigene Präsenz zu stärken. Stalin wies seine Generäle an, die nordkoreanische Armee für den Überfall auf den Süden zu beraten und Angriffspläne auszuarbeiten. Im Westen glaubte man noch bis in die 90er Jahre, der ganze Krieg wäre auf Initiative von Stalin zustande gekommen, bis die Öffnung der russischen Archive nach dem Kalten Krieg das Zögern Stalins und das nachdrückliche Drängen Kim Il-sungs auf eine Invasion belegten.
Am 25. Juni begann der Angriff der koreanischen Volksarmee. Die südkoreanischen Truppen hatten der Attacke nichts entgegenzusetzen. Zwei Tage später floh der südkoreanische Präsident Rhee mit Teilen der Regierung aus Seoul, am Tag danach fiel die Stadt in die Hände der Nordkoreaner. Fünf Tage nach dem Beginn des Krieges waren von den 95.000 Soldaten der südkoreanischen Armee nur noch 22.000 übrig, der Rest war gefallen, freiwillig übergelaufen, gefangengenommen oder zum Überlaufen gezwungen worden.
Der UN-Sicherheitsrat verurteilte den Angriff und rief seine Mitglieder zur Hilfe für Südkorea auf. Das war nur möglich, weil die Sowjetunion als Veto-Macht die Sitzungen seit Anfang 1950 boykottierte, um dagegen zu protestieren, dass immer noch die Republik China (Taiwan) den chinesischen Sitz im Sicherheitsrat besetzte und nicht die Volksrepublik. (Das änderte sich dann 1971.)
Amerikanische Truppen, eilig aus Japan herangeholt, schafften es, bis September einen kleinen Teil um die Stadt Pusan im Südosten der koreanischen Halbinsel gegen die Nordkoreaner zu verteidigen, bis es einer UN-Streitmacht mit Truppen aus den USA, Großbritannien und Australien gelang, die Nordkoreaner zurückzuschlagen. (Im Laufe des Krieges sollten noch viele weitere Nationen auf der Seite der UN-Truppen kämpfen.) Trotz der Warnungen Chinas, den 38. Breitengrad zu überschreiten, eroberten die UN-Truppen bis zum Jahresende fast ganz Korea. Mao Zedong machte seine Drohung wahr und ließ die chinesische Armee einmarschieren, um die Nordkoreaner zu unterstützen. Die Sowjetunion, die offiziell abstritt, aktiv am Krieg beteiligt zu sein, schickte eigene Piloten in Kampfeinsätze über Korea. Ab Mitte 1951 stabilisierte sich die Front in der Nähe des 38. Breitengrads, an dem der Krieg begonnen hatte.
Dieses Patt war blutig erkauft worden. Beide koreanische Armeen haben furchtbare Massaker angerichtet. Sobald ein Gebiet erobert wurde, begannen die Massenmorde an angeblichen Sympathisanten der Gegenseite. Linke massakrierten Menschen, die sie für rechts hielten, Rechte massakrierten Menschen, die sie für links hielten. Die Briten versuchten, wo sie konnten, Massaker durch die Südkoreaner zu verhindern. Die Amerikaner hingegen hielten diese Abrechnungen für eine interne Angelegenheit der Koreaner, einige Offiziere genehmigten die Exekutionen sogar.
Schon wenige Tage nach dem Angriff auf Seoul hatte der südkoreanische Präsident die Hinrichtung von zwanzigtausend vermeintlichen Kommunisten verfügt, insgesamt ermordeten die südkoreanischen Kräfte in diesem Sommer bis zu 200.000 Menschen wegen des Verdachts auf Kollaboration mit dem Feind, die meisten davon Zivilisten. Zusätzlich wurden Menschenleben leichtfertig geopfert. Ein Beispiel: Beim Rückzug aus Seoul kurz nach Kriegsbeginn sprengte die südkoreanische Armee eine Brücke, die zu dieser Zeit Tausende Flüchtlinge überquerten. Hunderte von ihnen starben. Andere Flüchtlinge wurden im Laufe des Krieges von US-Soldaten erschossen, als sie sich amerikanischen Stellungen näherten. Auch für Kriegsgefangene war der Horror nicht vorbei: Folter war nicht ungewöhnlich, viele verhungerten, andere (gerade Amerikaner) wurden von Nordkoreanern ermordet.
Dazu kamen die Opfer durch die Bombardierungen. Die USA ließen mehr Bomben auf Korea fallen als im gesamten Pazifikraum während des Zweiten Weltkriegs. Zum ersten Mal setzten sie auch Napalm ein.
Als der Konflikt nach zwei weiteren Jahren ohne wesentliche Änderungen im Frontverlauf im Juli 1953 endete, waren drei Millionen Menschen getötet und das Land zurück in die vorindustrielle Zeit gebombt worden. Der südkoreanische Präsident Rhee weigerte sich jedoch, das Abkommen zum Waffenstillstand zu unterzeichnen: Er war nicht bereit, weniger als die Einheit des Landes unter seiner Führung zu akzeptieren. Dennoch trat der Waffenstillstand in Kraft. Der Krieg hatte insgesamt drei Jahre gedauert. (Die MASH-Fernsehserie, die in diesem Krieg spielt, lief elf Jahre lang und feierte zwischen September 1952 und Juli 1953 dreimal Weihnachten. Rätselhaft.)
Die Grenze, die dem damaligen Frontverlauf folgt, ist heute eine der am schwersten bewachten Grenzen der Welt. Die Anwesenheit in der Pufferzone um die Grenze ist starken Beschränkungen unterworfen. Beide Länder liefern sich in Sichtweite der jeweils anderen Seite Propagandaschlachten mit großen Fahnenmasten, Musterdörfern und Präsentationsgebäuden. Einen offiziellen Frieden zwischen Nordkorea und Südkorea gibt es bis heute nicht, Südkorea und China unterzeichneten immerhin 1992 einen Friedensvertrag.