Zu Fuß nach Aleppo
Nuff! Ich grüße das Volk.
Ich bin immer wieder erstaunt, welchen Elan Menschen in die Kultivierung ihrer Naivität stecken und Energie mit Dingen verschwenden, die objektiv gesehen einfach nur Zeitverschwendung sind und lediglich als Akt der Tugendprahlerei verstanden werden können.
Aktuelles Beispiel: der Bürgermarsch von Berlin nach Aleppo. Ein Haufen Leute (größtenteils Frauen ) will den umgekehrten Weg der Flüchtlingsroute von Berlin nach Aleppo latschen, um so den Krieg zu beenden. Und allein diese Zusammenfassung sollte schon reichen, um bei euch das Hirnareal für "Wie naiv kann man sein?" zu aktivieren.
Das Manifest ist ein wundervolles Beispiel für den hirnlosen Aberwirmüssendochwastun-ismus, der heutzutage gern vorgeholt wird, weil es anscheinend wichtiger ist zu zeigen, dass man voll gegen irgendwas Schlimmes ist, als tatsächlich zu überlegen, was man tun kann und - was oft noch wichtiger ist - was nicht in der eigenen Macht steht. Ich möchte mal zitieren, Fehler sind wie im Original:
Es ist Zeit, zu Handeln. Wir können nicht weiter vor unseren Bildschirmen sitzen und nichts tun, schreiben wie schrecklich das ist, behaupten dass wir machtlos sind. Nein, wir sind nicht machtlos. Dafür sind wir sind viel zu viele!
Fragt mal in Indien rum, wie machtlos viele Menschen sein können.
Wir gehen vom Berlin nach Aleppo über die sogenannte „Flüchtlingsroute“, nur in die andere Richtung.
Und das bewirkt genau was?
Uns wurde beigebracht, uns der Situation und dem Krieg zu fügen. Uns wurde beigebracht, uns vor den Mächtigen, die die Fäden ziehen, zu fürchten. Wir wurden dazu gebracht, auf der Seite der „Guten“ zu stehen und den „Bösen“ die Schuld zu geben, die Aufteilung von Menschen in die Besseren und die Schlechteren zu akzeptieren, diejenigen, die nachts in Sicherheit in ihrem warmen Bett schlafen können und diejenigen, die um ihr Leben bangen und flüchten müssen. „So ist das eben“, wurde uns gesagt.
Wenn euch nur das beigebracht wurde, dann heißt das für mich, dass man euch geistig nicht viel zugetraut hat. Normalerweise solltet ihr gelernt haben, dass Kriege und Konflikte vielerlei Ursachen, Anlässe und Motivationen haben, deren Ursprünge teilweise schon über 1000 Jahre zurückreichen (wie im Syrienkonflikt), und kaum ein Krieg einfach nur so ausbricht, weil jemand halt mächtig und böse ist und gerne Zerstörung und Elend sieht.
Aber wir können das nicht länger akzeptieren. Wir haben unsere stille Zustimmung widerrufen. Wir sind bereit, der Machtlosigkeit ein Ende zu bereiten. Wir wollen losgehen und Menschen helfen, die genau so sind wie wir, außer dass sie eben nicht das Glück haben, in Berlin, London oder Paris geboren zu sein. Wir werden die Belagerung Aleppos nicht länger tolerieren. [...] Es ist ein langer Weg. Genau so lang wie der, den die Geflüchteten nehmen mussten, um ihr Leben zu retten. Jetzt wollen wir dasselbe tun, um weitere Leben zu retten. Und wir werden dies zusammen, in einer großen, großen Gruppe tun.
1. Die Belagerung ist schon vorbei.
2. Was wolltet ihr dann dort machen, um die Belagerung zu beenden? Die haben schon genug Zivilisten da, die die Belagerung nicht wollten, und die haben sie auch nicht verhindern können. Und wie wollt ihr da Leben retten? Wenn ihr da auftaucht, verbraucht ihr nur Nahrung, Wasser und Medikamente und steht im Weg, und ein paar arme Teufel müssen auch noch extra auf euch aufpassen, damit ihr nicht von verbleibenden Kämpfern über den Haufen geschossen werdet.
Wir sind ganz normale Menschen. Wir representieren keine bestimmte politische Partei oder Organisation. Wir werden weiße Flaggen tragen, um der Welt unsere Nachricht mitzuteilen: Genug ist genug. Dieser Krieg muss enden!
Ihr repräsentiert auch kein bestimmtes Intelligenzniveau. Krieg ist Mittel zum Zweck, und er wird nicht einfach enden, weil ein paar Leute täglich 20 Kilometer in einen Bürgerkrieg hineinspazieren.
Und dieser Krieg kann beendet werden. Dazu sind nur ein paar Unterschriften nötig.
Ach? Unterschriften reichen? Ein paar Unterschriften genügen, damit der IS und Al-Nusra aufhören, die Bevölkerung zu terrorisieren? Und Assad würde zurücktreten? Und die restlichen Rebellengruppen würden aufhören, die Zivilbevölkerung als Schutzschilde einzusetzen? Nur ein paar Unterschriften würden genügen, das Land zu stabilisieren und die Interessen aller verschiedenen Konfliktparteien unter einen Hut zu bringen? Es braucht nur verdammte Unterschriften?! Haben eure Mütter während der Schwangerschaft gesoffen, oder was?! Selbst die Unterschriften der Anführer aller Konfliktparteien würden den Krieg nicht beenden, solange kein Konzept dahinter steht - und das ist die verdammte Schwerstarbeit dabei, diesen Krieg zu beenden.
Aber während wir darauf warten, dass dies passiert, können wir dem Leid der Bewohner Aleppos nicht weiter tatenlos zusehen. Kein Mensch verdient es, das durchzumachen. Es ist kein „normaler“ Krieg mehr, wenn Kinderkrankenhäuser zu Zielen werden. Wir wollen nicht weiterhin aus sicherer Distanz dabei zusehen. Und wir werden es nicht tun! Wir sind fest entschlossen, dieses Gefühl von Machtlosigkeit abzuschütteln und zu handeln. Wir sind entschlossen, wir sind vereint und wir werden so lange marschieren, wie nötig. Für den Frieden.
Also anstatt euch das Elend aus der Ferne anzusehen, geht ihr lieber hin und guckt es euch aus der Nähe an. Und dann? Wie hilft denen das? Wie viele Bewohner Aleppos haben was davon, wenn ein paar verwöhnte Mitteleuropäer sich Blasen gelaufen haben, weil sie ihren blöden Selbstfindungstrip als megageile Hilfsaktion verkauft haben?
Denkst du auch, dass es jetzt reicht? Willst du auch mehr tun, als vor deinem Bildschirm zu weinen? Wir sind schon zu lange tatenlos geblieben. Unsere Tränen und unsere Wut müssen in Handlung umgesetzt werden.
Dies ist unsere Handlung. Wir gehen nach Aleppo. Was wird dort passieren? Werden sie eine Gruppe von 5000 Menschen bombardieren? Werden sie es wagen, das zu tun? Du denkst, wir sind verrückt? Wir denken, dass es verrückt ist, weiterhin tatenlos herumzusitzen und zu warten, bis alle sterben.
Aber ihr tut nichts. Ihr tut nur so, als würdet ihr was tun. Und in dem Krieg sind schon weitaus mehr als 5000 Menschen bombardiert worden, denkt bloß nicht, dass ihr was Besonderes wärt.
Lasst uns nicht weiter warten. Lasst uns einfach losgehen und diesen Wahnsinn stoppen.
Oder einfach zu Hause bleiben, niemanden stören, der dort wirklich Hilfe leisten will und dafür ausgestattet ist, und somit noch mehr für die Syrer tun als ihr.
Wir gehen am 26. Dezember von Berlin aus los. In einer Gruppe von 3000 Menschen. Wirst du uns begleiten?
Da müsste ich mir den Hut ja mit einem Dampfhammer aufsetzen, um bei diesem Stuss mitzumachen.
Sehr schön auch die FAQ:
Warum tut ihr das?
Vor unseren Augen erleben wir in Syrien die größte humanitäre Krise unserer Zeit. Wir können dem nicht einfach länger nur zuschauen. Wir wollen dieses Gefühl der HIlflosigkeit in Aktion verwandeln. Wir wollen die Aufmerksamkeit der Welt darauf lenken, dass dort Zivilisten sterben. Wir planen nicht in die Politik einzusteigen – aber wir wollen ein Ende der Bombardierung von Zivilisten in Syrien und Korridore für Hilfstransporte, so dass den Menschen geholfen werden kann.
Oh, ihr wollt also die Aufmerksamkeit der Welt auf die Stadt lenken, die seit Monaten jeden verfickten Tag in den Nachrichten erwähnt wird? Ihr wollt also, dass die Zivilisten nicht mehr bombardiert werden und dass es Hilfskorridore gibt, also genau das, weswegen seit Ewigkeiten ständig verhandelt wird?
Das ist ungefähr so, als wenn ihr nach Paris geht und dafür demonstriert, dass doch endlich mal dieser große Turm aus Stahl in der Innenstadt auch ein bisschen Beachtung erfährt.
Warum Aleppo?
Aleppo ist das am härtesten umkämpfte Schlachtfeld Syriens geworden. In Aleppo werden Zivilisten und zivile Einrichtungen bombardiert und durch die Belagerung sind gibt es weder genügend Essen noch ausreichend medizinische Versorgung oder jegliche andere Hilfe.
Der ideale Ort, um noch mehr Leute hinzuschicken!
Warum sollen wir mitmachen?
Gehe mit uns, wenn Du gegen das Töten von unschuldigen Menschen bist.
Gehe mit uns wenn Du es nicht aushalten kannst untätig zu sein, einfach nur zuzusehen wie Menschen getötet werden, aber niemand etwas dagegen tut.
Gehe mit uns Du an unsere Macht – die Macht der Bevölkerung – und an die der Märsche glaubst. (Du erinnerst Dich an Gandhi, and Martin Luther King, an die 89er Montagsdemonstrationen?) Und wenn Du nicht daran glaubst, wird Zeit es auszuprobieren.
Gehe mit uns, wenn Du glaubst, dass des Ende der Bombardierung von Zivilisten und sichere Korridore nach Aleppo jetzt geschaffen werden müssen.
"Wenn du nicht mitgehst, bist du für das Töten von unschuldigen Menschen!"
Die sind schon so gut vorbereitet, dass sie nicht mal recherchiert haben, warum Gandhi, MLK und die Montagsdemos Erfolg hatten. Und sie kommen auch nicht auf die Idee, dass Demonstrationsmärsche im Ausland nichts damit zu tun hatten.
Was passiert, wenn wir in Syrien ankommen?
Unser Plan ist, dass die UN und alle anderen Institutionen und Verantwortlichen, die in der Lage sind, das Massaker an syrischen Zivilisten zu stoppen, uns hören, bevor wir an der syrischen Grenze angekommen sind. Wir wollen auf keinen Fall noch mehr Opfer und Leid.
Ach, ihr wollt gar nicht so lange durchhalten.
Wir sagen nicht, dass wir DIE Lösung kennen….. Es geht uns darum, Menschen dazu zu bringen, eine Lösung zu finden und zu verfolgen.
Da gibt's schon genug Leute, die das probieren. Ein Teil der Menschen (auf mehreren Seiten) findet, die Lösung wäre, die anderen alle plattzumachen. Andere versuchen es mit Verhandlungen. Aber die haben auch schon damit angefangen, bevor ihr euch auf die Socken gemacht habt.
Das letzte Stück des Weges zwischen der türkisch-syrischen Grenze und Aleppo ist nur ein ganz kleiner Teil des Marsches. Jeder Kilometer zählt, um zu zeigen wie viele wir sind!
Je länger der Weg ist, desto mehr Leute springen ab, weil nicht jeder Zeit hat, in 20-Kilometer-Etappen von Deutschland nach Syrien zu latschen. Und ja, ich weiß, ihr stellt euch einen Staffellauf vor, aber ich bezweifle irgendwie, dass ihr in Ungarn viele Leute überreden könnt, bei eurem Spaziergang mitzumachen.
Wir wollen den Geflüchteten, die wir auf unserem Weg treffen helfen, wir wollen zeigen, dass es uns interessiert, was in Syrien passiert.
Die Geflüchteten gehen in die entgegengesetzte Richtung, was wollt ihr da machen? Ihr müsst doch selbst schon um eure eigene Verpflegung betteln. Und ja, schon klar, ihr wollt zeigen, wie engagiert ihr seid. Jeder soll euch bewundern können für eure Tollkühnheit, dass ihr *keuch* tatsächlich gegen Krieg seid! Uh, ihr seid ja so was Besonderes! Ich hoffe, man darf euch auch ehrfürchtig berühren und eure Füße küssen.
Was sind unsere Ziele?
Wir wollen uns mit all unseren Möglichkeiten dafür einsetzen, dass das Töten von Zivilisten in Aleppo und auch in allen anderen Orten von Syrien ein Ende hat. Unser Ziel ist es laut NEIN zum Krieg, NEIN zu den Gräueltaten und NEIN zu den Todesopfern zu sagen.
DAS war mit der "Nein heißt nein"-Kampagne aber nicht gemeint. Ob ihr Krieg, Gräueltaten und Todesopfer ablehnt, hat für die da unten ungefähr genauso viel Relevanz wie der Wasserstand der Spree. Aber darum geht's ja auch gar nicht, gell? Wichtig ist, dass man sieht, wie sehr ihr euch engagiert, damit ihr euch toll fühlen könnt.
Wir wollen uns erheben und unseren Politikern sagen, dass wir von ihrem NICHTS – TUN genug haben und wir wollen eine sofortige Entscheidung darüber, wie das, was in Syrien geschieht, gestoppt werden kann!
Genau! Wir fordern die radikale Einmischung in die Angelegenheiten eines souveränen Staates! Wir fordern einen sofortigen direkten Kampfeinsatz der Bundeswehr mit allen Mitteln, um die Kriegsparteien zum Frieden zu zwingen! Wir fordern eine sofortige Entscheidung über etwas, an dem die Diplomaten seit Jahren knobeln!
Wir erheben uns für ein Ende der Bombardierung von Zivilisten in Syrien!
Wir fordern sichere Korridore für die Menschen!
Versteh ich. Ich hab mich in meinem Flur auch schon mal gestoßen.
Wir wollen unsere Solidarität mit den syrischen Zivilisten demonstrieren und sie wissen lassen, dass wir uns um sie sorgen und mitfühlen.
Davon haben die auch ganz schön viel. Mitgefühl macht sooo satt!
Wir wollen Menschen darauf aufmerksam machen, was in Syrien passiert. Wir wollen Gespräche, Interesse, Kommentare – anstatt immer nur auf Facebook hoch und runter zu scrollen!
Mann, wenn es doch nur eine Möglichkeit gäbe, auf Facebook was zu kommentieren...
Und jeder weiß, was in Syrien passiert! Ihr seid keine Insider, die auf verschlungenen Pfaden geheime Informationen aus Syrien erhalten haben, ihr habt den ganzen Scheiß wie jeder andere auch aus dem Fernsehen, aus den Zeitungen und auch aus dem Internet. Wir hatten in Deutschland Hunderte Turnhallen voll mit Syrern, will mir da tatsächlich noch irgendeiner erzählen, er hätte nicht mitgekriegt, dass in Syrien irgendwas Schlimmes abläuft?
Aber das ist ja echt so eine typische Logik bei diesen Pseudo-Aktivisten.
"Wenn alle gegen den Krieg wären, gäbe es ihn gar nicht. Also sind vermutlich nicht alle gegen den Krieg. Warum sind sie nicht gegen den Krieg? Bestimmt, weil sie nichts davon wissen und nicht so schlau sind wie wir. Also müssen wir allen erzählen, dass es diesen Krieg gibt. Und wenn alle wissen, dass es diesen Krieg gibt, sind auch alle dagegen. Und dann gäbe es den Krieg nicht mehr. Mann, wir sind foll kluk!"
Aber immerhin kann man was lernen, wenn man sich gedanklich voll auf den Sinn dieses Marsches einlässt: Der Krieg in Syrien wäre schon längst beendet, wenn all die Zivilisten dort nicht bis hierher geflüchtet, sondern einfach mal dort ein bisschen herumgelaufen wären, um zu sagen, dass sie irgendwie doch ganz schön gegen diesen Krieg sind. Aber wie es halt so ist: Da müssen halt doch erst ein paar Europäer kommen und denen zeigen, wie das geht.
Grmpf. Das musste jetzt mal gesagt werden. Ich kann diese Weihnachtsbesinnlichkeit schließlich auch nicht ewig durchhalten und muss mich wieder in Form motzen.
Gast
Darwins Gesetz wird sich dieser schon annehmen ;-)
Bzw. 1 Tag nach Start, haben Sie schon aufgegeben???