Martin Schulz und der rätselhafte Aufstieg der SPD
Nuff! Ich grüße das Volk.
Ich brauch mal eure Hilfe, um etwas zu verstehen, nämlich den Aufschwung, den die SPD kürzlich in den Umfragen erlebt hat. Ich verstehe ihn nicht. Und das soll jetzt keine Umschreibung für „Ich find die SPD total beschissen“ sein. Ich verstehe es wirklich nicht, weil ich keine Ahnung habe, was sich an der SPD nun eigentlich geändert hat.
Klar, Martin Schulz ist jetzt Kanzlerkandidat. Aber ich verstehe nicht, warum der so viel Zuspruch hat. Schon am Anfang, bevor er irgendetwas Konkretes sagte, gingen die Umfragewerte der SPD nach oben. Aber warum? Der Mann hat im Europaparlament nichts geleistet, was uns jetzt irgendwas gebracht hätte. Die Bürgermeisterzeit in Würselen, mit der er so gern kokettiert, war wohl auch eher ein durchschlagender Erfolg für die CDU, die im Anschluss die nächsten beiden Kommunalwahlen gewann.
Im „Spiegel“ vom 11. Februar wurde in einem Artikel von einem Ex-AfD-Anhänger berichtet, der nun wegen Schulz sogar in die SPD eintreten will. Er wurde dann auf die Flüchtlingspolitik angesprochen.
Aber Schulz sagt in der Flüchtlingspolitik nichts anderes als Merkel: „Wir brauchen eine europäische Lösung!“ Das will ich von einem Herausforderer nicht hören, erst recht nicht von einem, der vor einem Jahr noch gejammert hat, dass er ja nicht die Macht hätte, den Egoismus der EU-Staaten einzudämmen. Das wird als Kanzler nicht anders sein.
Und es ist ja auch Quatsch: Nicht nur die Polen, Ungarn etc. wollen keine Flüchtlinge, die Flüchtlinge wollen auch nicht nach Polen und Ungarn, die wollen viel lieber nach Deutschland oder nach Schweden, weil das finanziell attraktiver ist. Von 23 anerkannten Flüchtlingen in Lettland ist keiner dort geblieben. Wie soll da eine Verteilung von Flüchtlingen auf ganz Europa funktionieren? Sollen die aufnehmenden Länder die dann alle in Lager sperren, mit Stacheldraht und Wachposten, damit die Flüchtlinge nicht einfach stiften gehen? Von einem Kanzlerkandidaten verlange ich da schon mindestens einen Plan B, der nicht nur von der Einsicht und Güte der EU-Partner abhängt. Bin ich zu anspruchsvoll? Ich sehe einfach nicht, wo da ein Anreiz sein kann, auf einmal für die SPD stimmen zu wollen, wenn man es vorher nicht wollte.
Und jetzt geriert sich Schulz auch als anpackender Agenda-2010-Reformer, indem er groß davon redet, dass ältere Arbeitnehmer, die ihren Job verlieren, nur 15 Monate Arbeitslosengeld I erhalten und dann auf ALG II rutschen, was dann an ihre Existenz geht. Und seine Lösung: Ältere Arbeitnehmer sollen noch etwas länger ALG I erhalten. Wo ist das bitte eine Lösung?
Mal ganz davon abgesehen, dass die allermeisten Arbeitslosen nicht einfach mehr Stütze wollen, sondern eine Chance auf einen fair bezahlten Job, damit sie für ihren Lebensunterhalt sorgen können, ohne auf Almosen vom Staat angewiesen zu sein, hab ich keine Ahnung, was dem von Schulz bemühten 50-Jährigen ein Jahr mehr Geld nun grundsätzlich bringen soll, wenn er am Ende ja doch auf den normalen Hartz-IV-Satz runterkracht, mit 58 aus der Statistik gestrichen wird, wenn ihm im Jahr davor kein Job angeboten wurde, und er dann mit 63 zwangsverrentet wird, natürlich mit Abschlägen. Dem geht’s dann im Alter immer noch nicht besser als dem, der schon sein ganzes Leben lang arbeitslos war.
In seiner Antrittsrede als Kanzlerkandidat prangerte er an, dass große Konzerne sich vor dem Bezahlen ihrer Steuern drücken und ihr Geld in Steueroasen parken. Schon komisch: Sein guter Kumpel und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hat in seiner Luxemburger Zeit selbst besondere Steuerabsprachen mit Großkonzernen getroffen, und lief deswegen vor zwei Jahren Gefahr, vom EU-Parlament vor einen Untersuchungsausschuss gezerrt zu werden. Wer stimmte dagegen? EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. Passt super zusammen, da hab ich schon mal einen idealen Eindruck von der Integrität des Kanzlerkandidaten.
In derselben Auflistung prangert er an, dass Milliarden für die Bankenrettungen aufgewendet wurden, während in den Schulen der Putz von den Wänden bröckelte. Zu blöd nur, dass a) für die Bankenrettung der damalige Finanzminister Peer Steinbrück von der SPD verantwortlich war und b) ich am meisten von bröckelnden Schulen in Bundesländern höre, in denen die SPD führend an der Regierung beteiligt ist, nämlich NRW und Berlin. Inwiefern sind das also Argumente für die SPD, wenn ich noch kein SPD-Anhänger bin? (Zudem erzählt Schulz gleichzeitig in seiner Antrittsrede, wie geil die SPD doch ist, weil sie in 13 von 16 Bundesländern an der Regierung ist. Die Schulgebäude sind Ländersache, deren Bauzustand kann er also mal nicht der Merkel an die Kniescheibe nageln.)
Und bei allem sollte man ja nicht vergessen: Die SPD ist Regierungspartei. Und Schulz ist kein Außenseiter, der ist ja richtig dicke mit den anderen Nasen in der SPD-Führung, und vermutlich wird in den letzten vier Jahren kein wichtiger Beschluss der Bundes-SPD gefällt worden sein, ohne dass Schulz vorher davon wusste. Jetzt so zu tun, als würde man nach der Wahl ganz doll was ändern wollen, obwohl man jetzt schon an der Titte der Macht nuckelt, finde ich persönlich ja eher dreist als überzeugend.
Ich find’s auch ziemlich dreist von Schulz selbst, ständig damit zu kokettieren, dass er ja ein einfacher Mann sei, trockener Alkoholiker ohne Abitur und Studium, volksnah, also kein Teil des üblichen Establishments, während er seit Jahrzehnten üppige Gehälter einstrich und einen Millionenbetrag verdiente. Da hat Schäuble auch nicht unrecht, wenn er ihm vorwirft, in dieselbe Kerbe zu hauen wie Trump.
Dazu kommt für mich noch die Schwierigkeit, dass ich immer noch keine Vision sehe, wie Schulz und die SPD was wie ändern wollen, was sie eigentlich erreichen wollen (mal abgesehen vom Kanzlerposten) und ob sie tatsächlich verstanden haben, wie man auf die Bedürfnisse und Befürchtungen all der enttäuschten Leute eingehen kann, die eben nicht mehr die etablierten Parteien wählen wollen.
Also bitte, erklärt es mir: Wieso sind plötzlich so viele Leute, die die SPD vorher nicht wählen wollten, nun davon überzeugt, dass die SPD etwas besser machen würde? (Bitte fragt mich nicht, welche Partei man denn sonst wählen soll. Ich hab auch keine Ahnung, wer da eine Stimme verdient hätte. )
Und weil ich jetzt auch wieder Umfragen einbauen kann, stelle ich euch einfach mal die Sonntagsfrage. Ich bin sehr gespannt!
Nachtrag: Viele haben Probleme abzustimmen. Ich arbeite daran und sag hier Bescheid, wenn es wieder gehen sollte. Bitte etwas Geduld!
Okay, das Abstimmen sollte jetzt gehen, zur Sicherheit solltet ihr mit Strg+F5 die Seite mal komplett neu laden. Ich musste leider die Umfrage-Ergebnisse zurücksetzen, aber ich hoffe, die 100 Stimmen kriegen wir schnell wieder zusammen.
Mitglied
Weil die Leute Merkel nicht mehr wollen. Ich denke, das ist der einzige Grund. Und ja... Er sagt nicht sehr viel anderes als Mutti Merkel... Aber er ist eben nicht Merkel. Soweit ist es halt schon, dass das schon reicht. Das hat dann auch nix mehr mit Logik zu tun.
Und irgendwie kann ich es ja auch verstehen... Ich mag sie auch nich mehr sehen :/
Wobei das EIGENTLICH kein Argument is... Man sieht sie ja generell nich sehr viel <.<;