Die Debatte ums Urheberrecht - Teil 1
Wieder mal kocht die Urheberdebatte hoch, und wieder einmal habe ich das Gefühl, dass keine der beiden Seiten einander wirklich verstehen kann oder will. Auf 50 Unterzeichner eines Pamphlets auf einer Seite folgen 51 für die Gegenseite, 100 Verfasser von Wortmeldungen für eine Position rufen die Reaktion von 101 (oder 102) Verfassern dagegen auf, auf aggressives Vokabular folgen noch aggressivere Antworten. Mittlerweile wäre ich nicht mal mehr überrascht, wenn sie sich gegenseitig zu einer Schlägerei auffordern, um die Sache endlich mal wie Männer zu regeln. Saudumme Äußerungen gibt es auf beiden Seiten, aber anstatt darauf mal einzugehen, ignoriert man die Fehltritte seiner Kampfgenossen lieber, weil man es für klüger hält, möglichst beißwütig die Kontrahenten anzukläffen.
Ich sag es gleich: Ich hab auch keine Wunderlösung, aber einige Gedanken will ich wenigstens mal aufs virtuelle Papier bringen.
Was nicht verkauft wurde, kann nicht gezählt werden
Immer, wenn beziffert werden soll, wie viel Schaden durch illegales Kopieren angerichtet wird, verspielt man an Glaubwürdigkeit, wenn man tatsächlich eine Zahl nennt. Es ist schon nicht leicht zu bestimmen, wie viele unrechtmäßig erstellte Kopien eines Werkes überhaupt im Umlauf sind, aber dann noch vorhersagen zu wollen, wie viele von denen, die diese Kopien haben, tatsächlich das Original gekauft hätten, wenn sie keine andere Möglichkeit gehabt hätten, an das Werk heranzukommen, dürfte gegen einige Naturgesetze verstoßen. Das heißt wohlgemerkt nicht, dass es durch illegales Kopieren gar keine Schäden gäbe, da habe ich genug persönliche Erfahrungen gemacht, die mir das Gegenteil beweisen. Aber so wie ein Cafébesitzer auch nur sagen kann, dass er bestimmt mehr Kunden hätte, wenn es nicht die Starbucks-Filiale an der Ecke gäbe, allerdings keine genauen Schadenszahlen berechnen kann, so können auch die Urheber und Verwerter nur sagen, dass ihnen Geld durch die Lappen geht, aber nicht wie viel.
Das Internet ist nicht immer schuld
Natürlich kann man sich fragen, inwieweit das Internet daran beteiligt ist, wenn die Einnahmen durch traditionelle Vertriebswege abnehmen. Man sollte allerdings nicht den unangenehmen Gedanken ignorieren, dass das Interesse des Publikums an bestimmten Werken abgenommen hat, eventuell durch geschäftliche Entscheidungen, die man getroffen hat, um die Kosten zu reduzieren, eventuell aber auch, weil man inhaltlich nicht (mehr) das bietet, was die Zielgruppe haben will. Viele Zeitungen sind beispielsweise beliebig austauschbar, weil sie zum großen Teil sowieso aus Agenturmeldungen bestehen oder Artikel innerhalb einer Verlagsgruppe fröhlich von einem ganzen Dutzend Zeitungen verwurstet werden.
Anders als viele denke ich aber nicht, dass die Lösung für die Presse darin besteht, mehr auf lokale Nachrichten zu setzen. Lokalnachrichten sind meistens sterbenslangweilig und für die Nachwuchsjournalisten, die mit Reportagen über Kürbiswettbewerbe und Tage der offenen Tür in der örtlichen Behindertenwerkstatt ihre Sporen verdienen müssen, auch nicht wesentlich spannender.
Ich denke, die Zeitungen müssen wieder unterscheidbar werden. Sie müssen einen eigenen Charakter entwickeln, sodass man beim Lesen eines Artikels merkt: „Ja, das ist der Hasenhausener Bote, wie ich ihn kenne!“ In den Zeitungsredaktionen müssen Persönlichkeiten herangebildet werden, die den jeweiligen Zeitungen ihren Charakter geben und dem Leser einen Grund geben, ausgerechnet diese Zeitung zu kaufen. Wird aber meistens nicht gemacht, weil man sie dann einfacher feuern und durch billigere Schreibkräfte ersetzen kann. Außerdem hat man heute zu viel Angst, irgendwo anzuecken. Wenn man als Zeitung Aufmerksamkeit braucht, druckt man lieber ein Gedicht von Grass ab, den muss man nicht dauerhaft durchschleppen und riskieren, dass er Abonnenten vergrault.
Andere Dussligkeiten treiben das Publikum dazu, sich ihren Stoff im Internet herunterzuladen. Wenn RTL bei der Ausstrahlung von „Dr. House“ wild alte und neue Folgen durcheinanderwürfelt und zwischendrin mal gar keine neuen Episoden sendet, dann darf man sich nicht wundern, wenn die Fans sich die Folgen lieber im Netz holen. Man darf sich auch nicht wundern, dass die meisten „Top Gear“-Fans auf der Welt die Folgen per Torrent herunterladen, statt sie im Fernsehen anzuschauen oder auf DVD zu kaufen: Die Videos aus dem Netz sind nicht geschnitten, die Musik ist die, die die Macher original verwendeten, und man muss sich nicht mit einer selten dämlichen Synchro herumärgern, bei der nur jeder dritte Witz übersetzt wurde, und das auch nur so mittelprächtig. (Das mit der Synchro ist auch so ein Problem bei „Mythbusters“.) Nebenbei gesagt finde ich es auch vollkommen verständlich, wenn man sich Sachen herunterlädt, die anders gar nicht zu bekommen sind, etwa die Sendungen des englischen Fernsehkritikers Charlie Brooker oder alte deutsche Sendungen, die gar nicht mehr wiederholt werden und auch auf DVD nicht zu kaufen sind. Warner Brothers kann sich nur an die eigene Nase fassen, wenn Menschen die deutschen Animaniacs-Folgen herunterladen, denn offenbar möchte WB gar kein Geld von den Fans der Kultserie. In all diesen Fällen sind Downloads im Internet kein Problem, sondern ein Symptom für ein Problem, das die Medienbranche selbst geschaffen hat.
Leistungsschutzrecht ist nicht Urheberrecht
Ich finde die Idee des Leistungsschutzrechts bescheuert. Ich glaube, außerhalb Deutschlands gibt es selbst bei den Zeitungsverlagen nicht viele, die sich das Konstrukt angucken und sagen: „Das ist eine tolle Idee!“ Aber das Leistungsschutzrecht ist ein eigenes Ungetüm, was in der Debatte um die Vergütung von Urhebern überhaupt nichts zu suchen hat. Beim Leistungsschutzrecht geht es darum, dass Zeitungsverlage dafür bezahlt werden wollen, dass man ihre Erzeugnisse zitiert. Ich kenne keine Urheber, die das für eine tolle Idee halten, zumal anscheinend kein Verlag was von der Kohle an die Urheber abgeben will.
ACTA , Three Strikes und sonstige Ideen sind Unsinn
Ich als Urheber habe wirklich etwas dagegen, dass Urheber vorgeschoben werden, um die Erfüllung der feuchten Träume von Geheimdiensten, Plattenfirmen und Musikstudios zu rechtfertigen. Das hilft den Künstlern kein Stück weiter und macht es uns bloß noch schwerer, bei unserem Publikum Verständnis für unsere Anliegen zu gewinnen. Es ist auch Unsinn, den kleinen Privatleuten in Gerichtsverfahren für jedes kopierte Spiel, Lied oder Film eine Schadenssumme zu berechnen, die das Tausendfache vom Ladenpreis beträgt. Abschreckung mag ja wirksam sein, aber ich habe oft den Eindruck, dass z.B. die amerikanische Musikindustrie insgeheim jeden ehrlichen Kunden für ein Ärgernis hält, weil man den nicht vor den Kadi zerren und ausnehmen kann. Man sollte sein Publikum mit Respekt behandeln und nicht daran arbeiten, es zu ruinieren oder komplett zu vergraulen.
Teil 2 gibt es hier. - Teil 3 gibt es hier.
Gast
Amen.