Die Debatte ums Urheberrecht - Teil 3
Hier ist der dritte Teil meines Textes zur Urheberrechtsdebatte. Teil 1 - Teil 2
Verwertungsgesellschaften sind (meistens) hilfreich
Klar, auch ich bin sauer, wenn ich Videos auf Youtube nicht gucken kann, obwohl die Plattenfirmen selbst die Stücke dort veröffentlicht haben. Und die Verteilung von Geldern durch die GEMA ist einfach nur obszön. Dennoch haben Verwertungsgesellschaften, von denen die GEMA nur eine ist, wichtige Funktionen, denn sie sind Ansprechpartner für die, die fremde Werke aufführen, vervielfältigen oder nutzen wollen. Es wäre eine wahnsinnige Arbeit, wenn ein Radiosender jeden Künstler, von dem ein Lied gespielt wird, einzeln kontaktieren und um die Sendeerlaubnis bitten müsste. Deswegen haben Musikkünstler, die nicht bei der GEMA sind, oft Schwierigkeiten, ihre Lieder im Radio spielen zu lassen, weil das über die Pauschalzahlung an die GEMA nicht abgegolten wäre. Auch die Verwendung von fremden Bildern oder Texten wird über die Verwertungsgesellschaften vereinfacht. Und sicher, über Abgaben für Leermedien, Kopierer etc. wird auch versucht, den Urhebern die Existenz von Privatkopien ihrer Werke zu versüßen.
Wenn im Bemühen um ein reformiertes Urheberrecht die Urheber auf der Seite der Ausgebeuteten und die Verwerter sowie die Verwertungsgesellschaften auf der Seite der Ausbeuter verortet werden, dann wird auch hier nicht beachtet, dass wir Urheber viele Dinge einzeln ohne die Verwertungsgesellschaften nicht oder nur schwer schaffen würden. Wenn irgendwer Geld einnimmt, weil er fremde Lieder oder Texte vorträgt, dann dürfte es den meisten Menschen einleuchten, dass die Urheber (zumindest soweit die Werke nicht zu alt sind) auch ein Stück vom Kuchen verdient haben. Aber welcher Veranstalter will jedem einzelnen Künstler hinterherlaufen und das rechtlich abklären? Die Verwertungsgesellschaften bieten daher auch Rechtssicherheit für die, die fremdes Material verwenden.
Das soll natürlich nicht heißen, dass es keinen Änderungsbedarf gäbe. Gerade im Musikbereich liegt da vieles im Argen, und was ich über die Mitgliedsstruktur bei der GEMA und die Einflussmöglichkeiten der Mitglieder lese, lässt mich schaudern. Eine komplette Abschaffung der Verwertungsgesellschaften würde aber auch die kommerzielle Verwendung von Kunstwerken wahnsinnig verkomplizieren.
Die Kulturflatrate ist problematisch
Mehrere Parteien haben inzwischen die Kulturflatrate als Lösung für die zukünftige Vergütung der Urheber entdeckt, aber was die tatsächliche Umsetzung angeht, so hört man wenig konkrete Ideen. Mit gutem Grund: Während der normale Konsument mit der Zahlung seiner Kulturpauschale seine Pflicht getan hätte, so zeigt sich auf der anderen Seite das gigantische Problem der fairen Verteilung der Gelder. Soll jedes Werk bei gleicher Beliebtheit auch gleich vergütet werden, oder sollen Filmwerke einen größeren Anteil bekommen, weil sie auch aufwendiger zu realisieren sind? Welche Werke werden überhaupt abgedeckt? Sollen verwackelte Videos von kichernden Teenagern auf einem Bahnsteig genauso von der Kulturflatrate abgedeckt werden wie Kurzfilme? Und wie bestimmt man, wie beliebt welche Werke sind, um eine faire Vergütung zu gewährleisten?
Für die VG-Wort-Meldung von Texten im Internet muss ich bei jedem besagten Text einen Zählpixel einfügen und sowohl den Link dahin als auch den Text selbst bei der VG Wort angeben. Wenn aber alles frei kopiert werden darf und man sich nicht darauf verlassen kann, dass Zählpixel mitkopiert und die Adressen an die Urheber gemeldet werden, dann verzerrt das die Erfassung der Beliebtheit von Werken ungemein. Die Umsetzung der Kulturflatrate ist sowohl technisch als auch bürokratisch eine Mammutaufgabe, was natürlich die Frage aufwirft, wie viel Geld dieses Ungetüm dann eigentlich für die Urheber übrig lässt. Gerade wenn sich durch die Kulturflatrate das Nutzungsverhalten drastisch ändert, weil man plötzlich ohne Angst vor Abmahnungen Filme und Musik gratis aus dem Netz laden kann, und deswegen noch weniger im Laden oder über Online-Shops verkauft wird, muss man sich überhaupt fragen, inwieweit die Kulturflatrate überhaupt in der Lage ist, einen gerechten Ausgleich zwischen Privatleuten und Urhebern zu schaffen. Die einen wollen keine 100 Euro im Monat zahlen, die anderen haben nichts davon, wenn sie für jedes Werk insgesamt nur einen halben Cent bekommen.
(Bei Netzwertig.com findet man einen ausgiebigeren Text über die Probleme der Kulturflatrate.)
Flattr, Spenden und so weiter bringen zu wenig ein
Der CCC nennt es „Kulturwertmark“, im Endeffekt ist es das, was man in den virtuellen Hut wirft, den der Künstler nach erfolgtem Konsum vorzeigt. Während man früher Paypal-Buttons und Kontodaten veröffentlichte, gibt es heute mit Flattr einen Dienst, der so etwas bequemer ermöglicht. Das Problem ist nur, dass eine nachhaltige Finanzierung damit nicht möglich ist.
Ein persönliches Beispiel: Im Februar 2011 brachte Flattr mir 10,27 Euro, im März 2011 sogar 21,70 Euro. Im Februar 2012 waren es dagegen 3,27 Euro, im März sogar nur 91 Cent. Meine Lästerei zum ersten Twilight-Film wurde elf Mal geflattrt, die zum zweiten Teil überhaupt nicht, obwohl die Resonanz darauf ähnlich gut war. Leute spenden gerne etwas, wenn sie es neu entdecken. Bei den meisten schläft es aber ein, sobald der Reiz des Neuen weg ist, auch wenn sie weiterhin gerne die Werke lesen, anschauen oder hören. Es hat seinen Grund, warum die ganzen Hilfsorganisationen keine Spendenbüchsen mehr herumgehen lassen, sondern regelmäßig die Kohle vom Konto einziehen wollen, damit man sich als Spender Mühe geben muss, nicht mehr zu spenden.
Auch bei anderen stagnieren oder sinken die Einnahmen per Flattr. Taz.de hat im Februar des letzten Jahres über 1200 Euro per Flattr eingenommen, im Februar 2012 waren es unter 700 Euro. Eine Redakteursstelle kann man damit nicht bezahlen. Das Lawblog veröffentlicht keine Flattr-Einnahmen mehr, aber ich schätze, die 300 Euro monatlich, die im vorletzten Jahr reinkamen, sind auch nichts, was die Verfechter der „veralteten Geschäftsmodelle“ als ordentliche Finanzierungsgrundlage gelten lassen würden, und wir reden hier immerhin von einem der erfolgreichsten Blogs Deutschlands.
Auch carta.info diagnostiziert in den Flattr-Charts für Januar 2012, dass sich Flattr fast nur noch für Podcasts lohnt. Klar ist es nett, wenn man mit den Flattr-Einnahmen mal einen Hamburger im Monat kaufen kann. Aber man sollte nicht so tun, als würde in diesen freiwilligen Spenden die Lösung für eine nachhaltige Finanzierung von Urhebern liegen.
Ich sehe keine neuen Geschäftsmodelle
Es wird gerne davon geredet, dass die Verwerter und Urheber „veraltete Geschäftsmodelle“ schützen wollen, anstatt sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen und nach neuen Geschäftsmodellen zu suchen. Ich bin ja offen für alles, aber wo sind denn diese neuen Geschäftsmodelle? Das WWW boomt seit über 10 Jahren, inzwischen müsste es doch wenigstens ein paar Leute geben, die einige dieser neuen Geschäftsmodelle entdeckt haben? Stattdessen sehe ich nur alte Geschäftsmodelle, die die neuen Möglichkeiten der Kommunikation ausnutzen. Datenhandel à la Facebook gab es schon früher, man frage nur die GEZ, die schon lange so an Adressen kommt. Werbung überall hinzupflastern gab es auch schon vorher, und irgendwelche nützlichen Sachen gratis zu veröffentlichen, um dort dann Werbung für sich oder andere zu machen, ist ebenfalls keine neue Idee für alle, die vor fünfzehn Jahren kostenlose Bewerbungsratgeber von der AOK oder Gratis-Magazine der städtischen Clubszene gelesen haben. Versandhandel betrieb man früher ausschließlich per Katalog statt online, Auktionen veranstaltet man immer noch gerne vor Ort und nicht nur bei Ebay. Provisionszahlungen für vermittelte Aufträge sind ebenfalls keine Erfindung der New Economy.
Ein Geschäftsmodell muss immer noch sagen, wie man Geld einnimmt. Und das passiert wie früher entweder durch direkte Zahlungen der Nutzer, den Verkauf ihrer Daten oder durch den Verkauf von Werbeplätzen. Das grundlegende Geschäftsmodell von Google ist nicht „Suchmaschine sein“, sondern „Werbeplatz verkaufen“. Die Suchmaschine ist nur Mittel zum Zweck, weil man eine Plattform braucht, um die Werbung anzuzeigen. Der gerade von Facebook für eine Milliarde Dollar gekaufte Bildfilterhochladedingsbums-Dienst Instagram hat bisher gar kein Geschäftsmodell, auch wenn die Macher persönlich vielleicht das Geschäftsmodell „Wir verkaufen unseren Schuppen an eine reiche Firma und vergolden uns so die Eier“ im Hinterkopf pflegten. Das hatten wir aber alles schon mal in der Dot-Com-Blase, wo enorm viele Firmen auch kein tragfähiges Geschäftsmodell hatten, es aber vor lauter Begeisterung all den Investoren gar nicht auffiel.
Daher bitte ich einfach um Erleuchtung: Die Urheber sollen unter Umgehung von Verwertern direkt mit ihrem Publikum Geld verdienen. Bezahlschranken nerven und gefallen niemandem, Werbung wird von vielen durch Werbeblocker ausgeblendet. Wo ist das geheimnisvolle Geschäftsmodell, was uns allen Seelenheil verspricht? Und warum haben es selbst die Alphablogger nicht gefunden, die immer davon sprechen und dabei doch eher von anderen Jobs (womöglich sogar in der viel gescholtenen Totholz-Industrie) leben?
Teil 1 gibt es hier. - Teil 2 gibt es hier.
Fortsetzung in Teil 4
Gast
Darf ichs bei facebook posten? also den link..