Daniel, der Zauberer
Deutsche Filme sind relativ selten für ihre Qualität bekannt. In den 60er Jahren zum Beispiel bestand der Deutsche Film fast ausschließlich aus Sexklamotten und billigen Komödien. Aber auch in der neueren Zeit haben es deutsche Filmemacher immer wieder geschafft, ihnen anvertraute Projekte in den Sand zu setzen.
Vor zwei Jahren kam dann ein Film heraus, neben dem sogar "Beim Jodeln juckt die Lederhose" wie hochkulturelles Glanzkino wirkte:
Dieser Film zeichnete sich vor allem dadurch aus, dass die wenigen Lichtspieltheater, die ihn überhaupt ins Programm nahmen, ihn nach einer Woche wieder absetzten, da oft nur einstellige Besucherzahlen bei jeder Vorstellung zu verzeichnen waren. Deutlich gesprochen: Es war der Film, bei dem man im Kino ungestört hätte vögeln können. (Kommt schon, ich weiß genau, dass ihr euch das auch mal vorgestellt habt.) Einziges Manko: Man hätte Musik und Bild dabei vollkommen ausblenden müssen.
Das filmische Kleinod wurde inszeniert von Ulli Lommel, seines Zeichens Schüler von Rainer Werner Fassbinder, womit gezeigt wäre, dass der beste Lehrer nichts nützt, wenn der Schüler eine Pfeife ist.
Nebenbei ist Ulli Lommel Schauspieler, weswegen er sich selbst auch eine tragende Rolle im Film verpasst hat. Und in der Ambition, den Film nicht teurer als eine Dreierpackung Schmelzkäse zu machen, gibt es auch jede Menge Auftritte seiner Familie. Gefilmt wurde anscheinend mit einer Billigkamera aus dem RTL-Shop, denn der Streifen hat (auch dank eines ständig wankenden Kameramanns) die Optik eines Home-Videos. Übrigens auch den Witz und die Story. Aber beginnen wir von Anfang an...
Der Film beginnt mit der Einleitung eines Reporters zu einem Konzert von... nein, nicht David Bowie, Phil Collins oder Robbie Williams (obwohl man das laut dem Presseschergen hätte denken können), sondern Daniel Küblböck, der Popsensation des Jahres. Das mit der Popsensation kann ich mit einigen Hirnverrenkungen sogar nachvollziehen, der Ötzi war schließlich auch eine Sensation – so anspruchsvoll sind die Kriterien da offenbar nicht.
Der Anfang des Konzerts wird kongenial in Szene gesetzt, musikalisch wird ein kleiner, hässlicher Bruder von "Also sprach Zarathustra" geboten, so ganz will sich ein Gefühl wie bei "2001 – Odyssee im Weltraum" aber nicht einstellen. Doch da, auf dem Höhepunkt des Instrumentalstücks springt der Star auf die Bühne, in einem bauchfreien Bühnenkostüm, was die universelle Ausrichtung seiner Sexualität gekonnt zu akzentuieren versteht.
Daniel (ja, von dem sprach ich) verbringt die nächsten Minuten erst einmal mit einer Bauchtanznummer, bis er dann mit dem anfängt, was man mit etwas Augenzwinkern als Gesang bezeichnen könnte. Das Publikum geht natürlich voll ab und zeigt noch weitaus schlechtere stimmliche Qualitäten als der Hauptdarsteller.
Während Daniel abrockt, sehen wir drei Knallchargen in einer Küche sitzen und das Konzert im Fernsehen mitverfolgen. Sie alle sehen nicht begeistert aus und äußern sich ziemlich empört über die optische und akustische Anmutung namens Küblböck. (Natürlich bleibt die Frage offen, warum die offenbar einzige Fernsehübertragung des Konzertes ausgerechnet in der Küche von erklärten Nicht-Fans stattfindet.)
Der Herr rechts im roten Lackleder-Fetischmantel (Balthasar, wie wir gleich erfahren, gespielt vom Produktionsleiter des Films) winkt grummelig mit seiner Brotmachete in Richtung der Jugendlichen und stellt auf die Frage "Was ist der überhaupt?" eindeutig klar: "Tot ist er, der ist tot, wenn’s nach euch geht. Mausetot." Warum er ihnen sagen muss, was ihre Meinung über die Zukunft des Eggenfeldener Sängerknaben ist, wird nicht erklärt.
Daniel beendet inzwischen sein Lied mit dreizehn "like a devil", die jedoch immer mehr wie "lucky deaf" und einem Sprung in der Platte klingen. Das Songende wird frenetisch bejubelt, ich vermute aber, dass Daniel das missverstanden hat und noch ein Lied hinterher schob.
In der Küche sitzt Teenager Tom und fragt Balthasar, ob er das mit dem Tod von Küblböck ernst gemeint hat und wie er sich das vorstellt. Und wieder hat Balthasar einen Bombentext parat: "Bäng bäng, basta. Ende. [Zungenschnalzer hier einfügen] Finito." Dabei spielt er so versonnen mit dem Messer rum, dass er sich eigentlich schon alle Finger hätte absäbeln müssen, wenn das Ding scharf wäre.
Erster Auftritt des Regisseurs, der mit einem Horn bewaffnet durch den Wald tapert und beim Sonnenaufgang einen Zauberstab in Richtung der verschissenen Siedlung wedelt, in der diese Geschichte spielt.
Vor der Küblböck-Residenz lauern offenbar Rike und Tom, die mit messerscharfem Blick erkannt haben, dass Daniel nicht allein zu Hause ist. Der spontane Plan, ihr Attentat trotzdem durchzuführen, scheitert allerdings daran, dass keine der beiden Nasen daran gedacht hat, die Pistole mitzubringen.
Im Haus sitzt indes die Familie Küblböck beim Frühstück. Allerdings hatte nur Papa Günther den Mut, seine genetische Verantwortung auch sprechend im Film zur Schau zu stellen, die restlichen Familienmitglieder agieren als stumme Komparsen, und die Oma ist auch nicht echt. Papa hat eine dufte Idee: Daniel könnte doch seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen – Fanpost lesen! Offenbar ist aber schon lange nichts mehr gekommen, denn Papa holt die Briefe nicht etwa aus dem Briefkasten, sondern schleppt eine Pappkiste aus dem ersten Stock an.
Der erste Brief stammt von einer älteren Dame, die irgendwelchen Schmalz darüber schreibt, dass sie ihr Leben beenden wollte, aber durch die positive Ausstrahlung von Daniel wieder Freude an ihrer Existenz gefunden hat. Jetzt hab ich da zwei Theorien. Entweder sie dachte sich: "Ich soll sterben, während so was lebt?", oder der Brief sollte eigentlich an David Hasselhoff gehen. Daniel seufzt jedenfalls beglückt und schmiert erstmal seine Stulle fertig, denn Leben retten macht halt hungrig.
Bevor er allerdings das Brot in seine Kauleiste schieben kann, plagt ihn jedoch etwas anderes. Er gesteht seiner Oma, dass er diese ganze Verantwortung nicht mehr aushält. Genau Daniel, du bist noch nicht bereit, die Menschheit zu führen. Papa Küblböck rückt seiner Lendenfrucht jedenfalls erstmal die Weltsicht zurecht und ermahnt ihn, er soll gefälligst die Autogrammkarten unterschreiben, sonst schaffen sie die täglichen tausend Fanbriefe nicht. Was sie mit den 1000 Fanbriefen machen, wurde nicht gesagt, ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass mehr als hundert Leute die freiwillig haben wollten. Oma bietet Daniel großzügig an, ihm beim Unterschreiben zu helfen, das hätte sie beim Opa auch immer gemacht.
Hm, jetzt geht es um den Opa, ich frag mich, ob das wichtig für den Plot sein könnte. Papa Küblböck stellt jedenfalls fest: "Der Opa, der war fast genauso wie der Daniel. Der hat auch immer die Leute total begeistert." Außerdem soll der Opa ein großer Musiker gewesen sein, womit wir auch den Unterschied zu Daniel hätten.
Daniel indes kramt wieder seine Fanpost durch und stößt auf einen Hassbrief, in dem ihm die Entfernung seines Hauptes angedroht wird, wenn er noch einmal die Frechheit hat, im Fernsehen aufzutreten. Papa und Oma Küblböck sind der Meinung, dass Daniel jetzt dringend Bodyguards bräuchte, auch wenn Omas Beharren auf starken Typen ein wenig so wirkt, als wenn sie sich von den Personenschützern lang entbehrte sexuelle Freuden verspricht. Daniel hingegen findet das total albern und amüsiert sich über seine richtige Fanpost, während Oma sich langsam ins Delirium träumt und sich ihren Daniel sogar in den USA vorstellen kann (nicht mal die will ihn bei sich haben). Daniel zeigt hingegen einen Funken realistischer Selbsteinschätzung und stellt fest, dass in den USA bessere Leute arbeiten und sie dort bestimmt keinen Küblböck brauchen.