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Bob & Linda: Der Hochzeitsmord

Die Braut saß weinend im Hotelzimmer ihrer Eltern, die sie – mit marginalem Erfolg – zu beruhigen versuchten. Sie hatte schulterlanges blondes Haar und ein recht niedliches Gesicht, dazu eine sportliche Figur. In Clubs war sie garantiert nicht darauf angewiesen, nur fürs Resteficken abgeschleppt zu werden, dachte sich Linda und tadelte sich gleich darauf für diesen Gedanken. Sie verbrachte zu viel Zeit mit Bob. Der wiederum war beeindruckt, dass ein IT-Techniker so einen heißen Feger abbekam. Zu schade, dass der arme Kerl das nicht lange genießen konnte.

Paula, noch im Hochzeitskleid, hatte ihren Kopf in der Schulter ihres Vaters vergraben und schluchzte herzerweichend, während ihre Mutter etwas hilflos über ihren Rücken strich. Bob und Linda schauten sich kurz an und nickten sich zu, bevor sie das Zimmer betraten. Linda würde hier das Heft in die Hand nehmen. Bob wusste, dass er sehr direkt war, und auch wenn er das normalerweise als Vorteil empfand, sah er ein, dass dies in gewissen Momenten eher unangebracht war – zum Beispiel, wenn eine Braut kurz nach der Hochzeit feststellen muss, dass »bis dass der Tod euch scheidet« schon wenige Stunden später traurige Relevanz erlangt.

»Entschuldigung? Mein Name ist Linda, das ist mein Partner Bob, wir sind von der Kripo.«

Paula blickte die Beamtin mit roten Augen an. Verlaufene Schminke zog sich über das ganze Gesicht. Bob konnte den Gedanken nicht wegschieben, dass die Reinigung des Anzugs ihres Papas ganz schön teuer sein würde. Linda kniete sich vor die Braut.

»Ich weiß, es ist schwierig, jetzt schon über alles zu reden. Aber vielleicht können Sie uns trotzdem erzählen, was passiert ist.«

»Ich weiß es auch nicht«, schniefte Paula. »Wir sind nach der Trauung alle in den Festsaal gegangen für den Hochzeitsschmaus, und danach wollte sich Rupert etwas frischmachen, bevor wir die Hochzeitstorte anschneiden. Nach einer Stunde habe ich mich dann doch gewundert, wo er bleibt, also bin ich mit Papa hoch zu unserem Zimmer. Ich machte die Tür auf, und da lag Rupert auf …«

Paula konnte den Satz nicht beenden. Ein neuer Weinkrampf schüttelte das arme Mädchen. Ihr Vater räusperte sich.

»Er lag einfach nackt auf dem Boden. Paula wollte zu ihm, aber ich wusste, dass es zu spät ist. Ich habe erste Leichenflecken an seinem Körper gesehen und das kaputte Fenster auch. Also habe ich meine Tochter festgehalten, damit keine Spuren verwischt werden.«

»Das ist erstaunlich besonnen in so einer Lage«, bemerkte Bob.

»Ich war früher selbst mal bei der Polizei, wissen Sie?«, erklärte Paulas Vater. »Und das kam mir verdächtig vor. Dass ein junger Mann tot umfällt, ist lediglich ungewöhnlich. Aber dass zugleich eine Fensterscheibe zu Bruch geht, das ist doch ein zu großer Zufall.«

»Haben Sie gehört, wie die Fensterscheibe zerbrochen ist? Oder ist ihnen etwas anderes aufgefallen?«, fragte Linda, die nicht direkt von dem Schuss reden wollte, der auf das Opfer abgefeuert worden sein musste.

Die Eltern und die Braut schüttelten den Kopf.

»Unten im Festsaal war die Feier im Gange, mit sehr lauter Musik«, erklärte der Brautvater.

Linda wandte sich wieder an Paula.

»Hatte Rupert Feinde? Hat er mal jemanden erwähnt, mit dem er Stress hatte?«

Paula dachte nach.

»Er hat nie was gesagt. Aber es gibt da wohl einen, der ihn auf den Tod nicht ausstehen konnte. Ich glaube, er heißt Plotkowiak … Ja, Kevin Plotkowiak!«, sagte die Braut aufgeregt.

»Kennen Sie diesen Plotkowiak?«, fragte Bob, während er den Namen in sein kleines Notizbuch eintrug.

Paula zuckte bedauernd mit den Schultern.

»Nein. Wie gesagt, Rupert hatte nie von ihm erzählt. Ich habe von anderen davon gehört, aber nie mit Rupert darüber geredet.«

»Und weswegen konnte Plotkowiak Ihren Mann nicht leiden? Haben Sie da eine Ahnung?«

»Nein. Ich habe nur gehört, dass die sich heftig gezofft haben sollen, aber weswegen … Keinen Schimmer. Ich habe selbst auch nie etwas davon mitbekommen, aber Rupert wollte ja auch nie, dass ich mir Sorgen um ihn mache, deswegen war er eher still, wenn ihn was belastete.«

Linda nickte verstehend.

»Wissen Sie, wo man diesen Kevin Plotkowiak finden kann?«

»Nein. Ich kenne ihn nicht, habe ihn auch nie gesehen. Ich habe halt nur gehört, dass es diesen Zwist gab.«

»In Ordnung. Sie haben gesagt, dass Ihr Mann etwa eine Stunde, bevor Sie ihn fanden, nach oben gegangen ist. Waren sonst alle auf der Feier?«, fragte Linda nach.

»Ich glaube schon«, sagte Paula verwirrt. »Einige waren zwischendurch auf dem Klo, und andere haben draußen geraucht, aber ich denke, es war jeder da. Warum fragen Sie?«

»Eine Standardfrage. Wir müssen wissen, wer sich zum Zeitpunkt der Tat wo aufhielt und vielleicht etwas gesehen haben könnte«, antwortete die Ermittlerin.

»Ich habe nicht groß darauf geachtet. Ich hing die ganze Zeit mit meinen Mädels rum.«

»Mädels?«, wurde Bob hellhörig.

»Ja, meine besten Freundinnen. Jessi, Mia und Melina. Sie waren die Brautjungfern.«

»Sind sie tatsächlich Jungfern?«, hakte Bob nach, worauf er von Linda wieder einen Stoß mit dem Ellbogen bekam.

»Ignorieren Sie meinen Partner. Normalerweise trägt er einen Maulkorb, aber den hat er zerbissen«, entschuldigte Linda das Verhalten ihres Kollegen und zog eine Visitenkarte aus der Tasche, die sie der Braut reichte. »Wir haben vorerst keine weiteren Fragen an Sie, aber falls Ihnen etwas einfällt, was uns weiterhelfen könnte, rufen Sie bitte sofort an oder schreiben Sie eine E-Mail.«

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