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Bob & Linda: Der Hochzeitsmord

»Danke, dass Sie hergekommen sind«, sagte Linda freundlich zu der Frau. Die saß nun auf dem gleichen Stuhl, auf dem Kevin gestern saß, als er sie auf dem Foto identifizierte.

»Kein Problem«, sagte Mia Wanderer heiser, »aber ich wüsste nicht, wie ich Ihnen helfen kann. Ich habe Ihnen doch alles gesagt, was ich weiß.«

Ihr Gesicht war leicht gerötet. Bevor Linda sie ins Vernehmungszimmer führte, hatte sich Bob um sie gekümmert, ihr etwas zu trinken angeboten und heftig mit ihr geflirtet, um herauszufinden, ob sie häufiger auf Unterwäsche verzichtet. Linda hatte die Szene still aus dem Hintergrund beobachtet und musste sich ein Lachen verkneifen, als Bobs Süßholzraspeln bei Mia ganz offensichtlich gewisse Erfolge zeigte und sie unruhig ihre Beine aneinander rieb.

Nun aber saß sie der wesentlich sachlicher auftretenden Linda gegenüber und musste sich wieder in den Griff kriegen.

»Paula, Jessica, Melina, Sie und ein paar andere haben uns erzählt, dass es eine Fehde zwischen Rupert Porter und Kevin Plotkowiak gab.«

»Ja. Und?«

»Wir haben gestern alle anderen gefragt, woher sie davon wussten. Schließlich hatte Rupert nie über eine Fehde geredet«, fuhr Linda fort. »Und alle haben schließlich einstimmig erklärt, dass Sie ihnen das erzählt hätten.«

Mia rutschte nervös auf dem Stuhl hin und her, aber blieb stumm.

»Woher wussten Sie es?«, fragte Linda ruhig.

»Rupert hatte es mir mal im Vertrauen gesagt«, antwortete Mia schließlich.

»Wann?«

»Ich weiß nicht mehr. Vor drei Wochen oder so«, erwiderte Mia fast trotzig.

»Das ist seltsam. Laut den Aussagen der anderen haben Sie vor etwas über einem Monat angefangen, von Kevin Plotkowiak zu reden.«

»Dann war es eben vor über einem Monat!«, rief Mia. »Wir haben geholfen, die Hochzeit zu organisieren, das ist stressig! Da kann man schon mal das Zeitgefühl verlieren!«

In diesem Moment kam Bob herein, nickte Linda zu und setzte sich neben sie.

»Reden wir über den Tag der Hochzeit«, setzte Linda das Verhör fort. »Wo waren Sie in der Stunde, bevor Paula ihren Mann fand?«

»Na auf der Feier, mit den Mädels! Das haben wir doch schon gesagt!«

»Die ganze Zeit?«

»Wir waren auch mal auf dem Klo. Was soll die verdammte Fragerei?«

»Jessi und Melina meinten, Sie wären ungefähr eine Dreiviertelstunde vorher aufs Klo gegangen und ganze zwanzig Minuten weg gewesen.«

»Ja, ich brauche manchmal eben etwas länger, ist das verboten?!«

»Wir haben gefragt: Keiner kann sich daran erinnern, Sie um die Zeit in der Nähe der Toiletten gesehen zu haben. Dabei staute sich dort gerade der Verkehr, weil die Angestellten Kotze aufwischen mussten.«

»Ja, eben deswegen bin ich dann hoch auf mein Zimmer und dort aufs Klo gegangen!«, konterte Mia wütend. »Was soll das? Wollen Sie mir diesen Mord etwa in die Schuhe schieben? Kümmern Sie sich lieber um diesen Kevin Plotkowiak!«

»Der ist Ihr Bruder!«, ließ Bob die Bombe platzen. »Deswegen konnten Sie keinen Ausweis zeigen, als Sie von der Polizei nach Ihren Personalien gefragt wurden. Sie heißen eigentlich Mia Plotkowiak. Sie versuchen seit über einem Monat, Ihren Freunden einzureden, dass Ihr Bruder mit Rupert verfeindet sei. Und dann stirbt Rupert. Ist das nicht ein seltsamer Zufall?!«

»Vielleicht ist es einer!«, rief Mia. »Ich war auf dem Klo in meinem Zimmer, als Rupert erschossen wurde! Und was anderes können Sie mir nicht beweisen!«

»Rupert wurde nicht erschossen«, erwiderte Bob ruhig.

Mia schaute ihn mit großen Augen an.

»Die Frage ist, woher Sie wissen, dass auf ihn geschossen wurde. Bei ihm war keine Schusswunde zu sehen. Es war auch nirgendwo Blut. Niemand, der die Leiche nur oberflächlich gesehen hat, käme auf die Idee, dass er erschossen wurde«, erläuterte Linda.

Mia starrte sie hasserfüllt an.

»Ich erzähle Ihnen eine kleine Geschichte. Vielleicht können Sie ja eventuelle Ungenauigkeiten später korrigieren«, sprach Bob. »Rupert war seit etwa zehn Minuten verschwunden, als Sie sich unter dem Vorwand eines Stuhlgangs nach oben begaben. Sie klopften mit einer Blausäurekapsel und einer Wasserflasche in der Hand an die Tür zur Hochzeitssuite, und Rupert, der gerade aus der Dusche kam, öffnete Ihnen. Sie erzählten ihm irgendeine Geschichte, dass er die Kapsel kauen sollte. Das tat er. Er fiel um und starb wenige Minuten später. Dann holten Sie eine Pistole hervor, nahmen ein Kissen vom Bett als Schalldämpfer und schossen auf ihn. Sie verfehlten ihn allerdings, was Sie aus irgendeinem Grund nicht bemerkten. Dann zerschlugen Sie die Fensterscheibe und verließen mit der Pistole und dem Kissen das Zimmer. In Ihrem Zimmer bügelten Sie dann Herzen auf die Löcher im Kissen, das Sie wieder in die Hochzeitssuite zurückschmuggelten, nachdem die Polizei dort fertig war.«

»Sie haben eine blühende Fantasie«, presste Mia wütend hervor.

»Und Beweise. Ich habe die Fingerabdrücke von dem Glas genommen, das ich ihnen vorhin gegeben habe. Sie stimmen mit denen auf der Wasserflasche überein, die bei der Leiche gefunden wurde. Wir haben außerdem die Pistole im Spülkasten Ihres Hotelzimmers gefunden. Und bevor ich reinkam, habe ich einen Anruf erhalten, dass bei einer Durchsuchung Ihrer Wohnung Blausäure gefunden wurde. Und noch ein paar Herzen zum Aufbügeln«, erklärte Bob.

»Sie können also ruhig auspacken. Sie sind so oder so überführt«, fügte Linda hinzu.

Mia sank in sich zusammen und nickte schließlich.

»Ich hab’ ihm gesagt, es wäre eine Vitaminmischung. Und als er dann umfiel, habe ich mit der Pistole das Fenster eingeschlagen, damit der Blausäuregeruch verfliegt«, murmelte sie leise. »Ich kann kein Blut sehen, also hab’ ich auf ihn gezielt, so gut es mit dem Kissen ging, und beim Abdrücken dann weggeguckt. Und dann bin ich rausgerannt. Mit dem Kissen und der Pistole.«

»Warum die Wasserflasche? Und warum haben Sie die nicht mitgenommen?«, fragte Bob.

»Ich hatte gelesen, dass Blausäure bei 25 Grad anfängt zu kochen. Also hab’ ich die Wasserflasche und die Kapsel im Kühlschrank aufbewahrt und dann die Kapsel ständig an die Flasche gehalten, damit die Kapsel kühl bleibt, solange ich sie in der Hand halte«, sprach Mia tonlos. »Nachdem ich auf ihn geschossen hatte, wollte ich ja nicht hingucken. Das Blut, Sie verstehen? Und deswegen konnte ich auch die Flasche nicht mitnehmen. Aber ich dachte, dass man sowieso denken würde, er wäre erschossen worden, und die Flasche wäre dann egal.«

Nach einer Minute des Schweigens räusperte sich Linda.

»Jetzt die große Frage: Warum? Was hat Rupert Ihnen getan, um das zu verdienen?«

»Rupert? Gar nichts«, sagte Mia verwirrt, als wenn das selbstverständlich wäre. »Rupert musste sterben, damit Kevin eine Strafe kriegen kann.«

»Und womit hat Ihr Bruder das verdient?«

»Er ist ein Verräter!«, platzte es aus Mia hervor. Auf einmal war wieder die Wut da, mit der sie vorhin ihre Unschuld beteuerte. »Er ist schuld, dass ich verurteilt wurde!«

Bob und Linda schauten sich verwundert an.

»Verurteilt? Wir haben im Zentralregister keine Verurteilung für Sie gefunden.«

»Ich war vierzehn. Ich hab’ auf Drogen das Auto von Papa geklaut und bin damit in ein Buswartehäuschen gekracht. Und mein Scheißbruder hat einfach zugesehen, wie ich vor Gericht gestellt wurde!«

»Hatte er denn etwas mit den Drogen oder dem Unfall zu tun?«

»Nein, verdammt, aber als älterer Bruder wäre es seine Pflicht gewesen, seine kleine Schwester zu beschützen! Stattdessen grinst das Arschloch mich an, als die mich zu Sozialstunden verurteilt haben, und meint auch noch, dass ich hoffentlich meine Lektion gelernt hätte. Und Mama und Papa stimmen ihm auch noch zu! Da habe ich mir geschworen, dass ich mich rächen werde!«

Die letzten Worte hatte Mia voller Zorn herausgebrüllt. Bob und Linda wechselten entsetzte Blicke.

»Sie haben einen vollkommen Unbeteiligten umgebracht, um sich an Ihrer Familie zu rächen?«, hakte Bob nach.

»Ich musste doch was tun! Ich lasse mich nicht demütigen!«, rief Mia.

»Was ist mit Paula? Ihrer Freundin? Haben Sie überlegt, was Sie ihr damit angetan haben?«

»Wie … wie meinen Sie das?«, fragte Mia, als wenn der Gedanke vollkommen neu für sie wäre.

»Sie haben den Mann umgebracht, den sie liebt. Für sie ist eine Welt zusammengebrochen!«, sagte Linda fassungslos. Sie konnte kaum glauben, dass sie das erklären musste.

»Aber wie kann man noch jemanden lieben, der tot ist?«

Bob war ebenso baff wie Linda.

»Sie haben sie doch weinen sehen, nachdem sie ihren Mann fand. Was dachten Sie, wieso sie das tut?«

»Na weil die Feier ruiniert war mit den ganzen Polizisten, die da herumliefen«, sprach Mia, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt.

Linda atmete tief durch und klappte die Akte vor sich zu.

»Ich glaube, wir sind hier fertig. Ich erkläre Ihnen die vorläufige Festnahme wegen des dringenden Tatverdachts des Mordes an Rupert Porter …«

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